Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sein, und so geht es fort. Selbst die strengsten Befehle der Officiere können
dergleichen Mißverhältnisse nicht ausgleichen, wenn es an gutem Willen, an
eigenem Interesse der Mannschaft fehlt. Ein zweiter Uebelstand, der sich aus
diesen verschiedenen Nationalitäten ergiebt, ist, daß die Soldaten oft so sehr
geringe Anhänglichkeit an ihre Officiere haben und denselben so fern gegenüber¬
stehen. Besonders jetzt, wo die ungarischen und italienischen Regimenter fast
durchgängig von fremden Officieren befehligt werden, tritt dies scharf hervor. Es
giebt in den ungarischen Regimentern, namentlich bei den ganz neu organisirten
Husaren-Regimentern, junge deutsche Rittmeister, denen die in Oestreich allmäch¬
tige Protection ein bevorzugtes Avancement verschaffte, die sich kaum auf das
Nothdürftigste mit den Soldaten ihrer Schwadron unterreden können^ Zwar ist
in letzter Zeit ein erneuter Befehl gegeben, daß jeder Officier die Sprache des
Regiments, bei dem er diene, auch sprechen müsse, doch fehlt es an der pünkt¬
lichen Ausführung desselben. Bei den vielen Versetzungen, die besonders bevor¬
zugte Officiere, welche man rasch cwanciren lassen will, von Regiment zu Regiment,
erfahren, bleibt ihnen selbst beim besten Willen kaum Zeit und Muße, die mannich-
fachen Sprachen und Dialekte auch nur einigermaßen zu lernen. Welche viel¬
fachen Uebelstände es aber im Felde herbeiführt, wenn der Officier die Sprache
der Leute, die er befehligen soll, nicht sprechen kann, zumal wenn diese keinen
besondern Enthusiasmus für die Sache habe", bedarf keiner Auseinandersetzung.

In der sardinischen Armee ist dies nicht der Fall, sie ist ganz aus einem
Gusse. Dazu verbindet noch ein festes Band dieselben und dies ist -- leider --
der glühendste Haß gegen Oestreich/ Von diesem Haß sind Alle, Alle, ohne
Ausnahme beseelt. Der älteste General wie der jüngste Tambour, der aristo¬
kratischste Edelmann wie der demokratischste el-elevant, Freischärler tragen denselben
mit gleicher Stärke in ihrer Brust. Man sagt uns nach, wir Deutschen mit
unsrem kalten ruhigen Blut verständen weder heiß zu lieben, noch zu hassen, und
wahrlich von diesem intensiven, Alles durchdringende" Haß, wie er im Volke und
in der Armee Sardiniens herrscht, kann man sich bei uns kaum einen Begriff
machen. Gegen die Oestreicher wieder zu kämpfen, ist der einzige Wunsch Aller,
für dessen Erfüllung man vieles Andere mit Freuden hingeben würde. Unablässig
werden die beschwerlichsten Waffenübungen vorgenommen, und den ganzen Tag
wird in allen Garnisonen auf eine Weise exercirt und marschirt, wie man sie in
Potsdam nicht strenger sehen kann. Und wenn die etwas weichlichen Piemon-
tesen der Ebene sich dabei ermattet zeigen, und der lebhafte verwöhnte Geruche
sich langweilt, dann bedarf es nur einer leisen Andeutung, daß man in den Waffen
geübt sein müsse, um den hoffentlich bevorstehenden Kampf mit Ehren zu bestehen,
und neuer Eifer beseelt Alle. Solcher Geist herrscht überall im Heere Sar¬
diniens.

Aber diese Kriegslust gegen Oestreich, so gewaltig sie auch ist, übertäubt


sein, und so geht es fort. Selbst die strengsten Befehle der Officiere können
dergleichen Mißverhältnisse nicht ausgleichen, wenn es an gutem Willen, an
eigenem Interesse der Mannschaft fehlt. Ein zweiter Uebelstand, der sich aus
diesen verschiedenen Nationalitäten ergiebt, ist, daß die Soldaten oft so sehr
geringe Anhänglichkeit an ihre Officiere haben und denselben so fern gegenüber¬
stehen. Besonders jetzt, wo die ungarischen und italienischen Regimenter fast
durchgängig von fremden Officieren befehligt werden, tritt dies scharf hervor. Es
giebt in den ungarischen Regimentern, namentlich bei den ganz neu organisirten
Husaren-Regimentern, junge deutsche Rittmeister, denen die in Oestreich allmäch¬
tige Protection ein bevorzugtes Avancement verschaffte, die sich kaum auf das
Nothdürftigste mit den Soldaten ihrer Schwadron unterreden können^ Zwar ist
in letzter Zeit ein erneuter Befehl gegeben, daß jeder Officier die Sprache des
Regiments, bei dem er diene, auch sprechen müsse, doch fehlt es an der pünkt¬
lichen Ausführung desselben. Bei den vielen Versetzungen, die besonders bevor¬
zugte Officiere, welche man rasch cwanciren lassen will, von Regiment zu Regiment,
erfahren, bleibt ihnen selbst beim besten Willen kaum Zeit und Muße, die mannich-
fachen Sprachen und Dialekte auch nur einigermaßen zu lernen. Welche viel¬
fachen Uebelstände es aber im Felde herbeiführt, wenn der Officier die Sprache
der Leute, die er befehligen soll, nicht sprechen kann, zumal wenn diese keinen
besondern Enthusiasmus für die Sache habe», bedarf keiner Auseinandersetzung.

In der sardinischen Armee ist dies nicht der Fall, sie ist ganz aus einem
Gusse. Dazu verbindet noch ein festes Band dieselben und dies ist — leider —
der glühendste Haß gegen Oestreich/ Von diesem Haß sind Alle, Alle, ohne
Ausnahme beseelt. Der älteste General wie der jüngste Tambour, der aristo¬
kratischste Edelmann wie der demokratischste el-elevant, Freischärler tragen denselben
mit gleicher Stärke in ihrer Brust. Man sagt uns nach, wir Deutschen mit
unsrem kalten ruhigen Blut verständen weder heiß zu lieben, noch zu hassen, und
wahrlich von diesem intensiven, Alles durchdringende« Haß, wie er im Volke und
in der Armee Sardiniens herrscht, kann man sich bei uns kaum einen Begriff
machen. Gegen die Oestreicher wieder zu kämpfen, ist der einzige Wunsch Aller,
für dessen Erfüllung man vieles Andere mit Freuden hingeben würde. Unablässig
werden die beschwerlichsten Waffenübungen vorgenommen, und den ganzen Tag
wird in allen Garnisonen auf eine Weise exercirt und marschirt, wie man sie in
Potsdam nicht strenger sehen kann. Und wenn die etwas weichlichen Piemon-
tesen der Ebene sich dabei ermattet zeigen, und der lebhafte verwöhnte Geruche
sich langweilt, dann bedarf es nur einer leisen Andeutung, daß man in den Waffen
geübt sein müsse, um den hoffentlich bevorstehenden Kampf mit Ehren zu bestehen,
und neuer Eifer beseelt Alle. Solcher Geist herrscht überall im Heere Sar¬
diniens.

Aber diese Kriegslust gegen Oestreich, so gewaltig sie auch ist, übertäubt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95315"/>
            <p xml:id="ID_961" prev="#ID_960"> sein, und so geht es fort. Selbst die strengsten Befehle der Officiere können<lb/>
dergleichen Mißverhältnisse nicht ausgleichen, wenn es an gutem Willen, an<lb/>
eigenem Interesse der Mannschaft fehlt. Ein zweiter Uebelstand, der sich aus<lb/>
diesen verschiedenen Nationalitäten ergiebt, ist, daß die Soldaten oft so sehr<lb/>
geringe Anhänglichkeit an ihre Officiere haben und denselben so fern gegenüber¬<lb/>
stehen. Besonders jetzt, wo die ungarischen und italienischen Regimenter fast<lb/>
durchgängig von fremden Officieren befehligt werden, tritt dies scharf hervor. Es<lb/>
giebt in den ungarischen Regimentern, namentlich bei den ganz neu organisirten<lb/>
Husaren-Regimentern, junge deutsche Rittmeister, denen die in Oestreich allmäch¬<lb/>
tige Protection ein bevorzugtes Avancement verschaffte, die sich kaum auf das<lb/>
Nothdürftigste mit den Soldaten ihrer Schwadron unterreden können^ Zwar ist<lb/>
in letzter Zeit ein erneuter Befehl gegeben, daß jeder Officier die Sprache des<lb/>
Regiments, bei dem er diene, auch sprechen müsse, doch fehlt es an der pünkt¬<lb/>
lichen Ausführung desselben. Bei den vielen Versetzungen, die besonders bevor¬<lb/>
zugte Officiere, welche man rasch cwanciren lassen will, von Regiment zu Regiment,<lb/>
erfahren, bleibt ihnen selbst beim besten Willen kaum Zeit und Muße, die mannich-<lb/>
fachen Sprachen und Dialekte auch nur einigermaßen zu lernen. Welche viel¬<lb/>
fachen Uebelstände es aber im Felde herbeiführt, wenn der Officier die Sprache<lb/>
der Leute, die er befehligen soll, nicht sprechen kann, zumal wenn diese keinen<lb/>
besondern Enthusiasmus für die Sache habe», bedarf keiner Auseinandersetzung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_962"> In der sardinischen Armee ist dies nicht der Fall, sie ist ganz aus einem<lb/>
Gusse. Dazu verbindet noch ein festes Band dieselben und dies ist &#x2014; leider &#x2014;<lb/>
der glühendste Haß gegen Oestreich/ Von diesem Haß sind Alle, Alle, ohne<lb/>
Ausnahme beseelt. Der älteste General wie der jüngste Tambour, der aristo¬<lb/>
kratischste Edelmann wie der demokratischste el-elevant, Freischärler tragen denselben<lb/>
mit gleicher Stärke in ihrer Brust. Man sagt uns nach, wir Deutschen mit<lb/>
unsrem kalten ruhigen Blut verständen weder heiß zu lieben, noch zu hassen, und<lb/>
wahrlich von diesem intensiven, Alles durchdringende« Haß, wie er im Volke und<lb/>
in der Armee Sardiniens herrscht, kann man sich bei uns kaum einen Begriff<lb/>
machen. Gegen die Oestreicher wieder zu kämpfen, ist der einzige Wunsch Aller,<lb/>
für dessen Erfüllung man vieles Andere mit Freuden hingeben würde. Unablässig<lb/>
werden die beschwerlichsten Waffenübungen vorgenommen, und den ganzen Tag<lb/>
wird in allen Garnisonen auf eine Weise exercirt und marschirt, wie man sie in<lb/>
Potsdam nicht strenger sehen kann. Und wenn die etwas weichlichen Piemon-<lb/>
tesen der Ebene sich dabei ermattet zeigen, und der lebhafte verwöhnte Geruche<lb/>
sich langweilt, dann bedarf es nur einer leisen Andeutung, daß man in den Waffen<lb/>
geübt sein müsse, um den hoffentlich bevorstehenden Kampf mit Ehren zu bestehen,<lb/>
und neuer Eifer beseelt Alle. Solcher Geist herrscht überall im Heere Sar¬<lb/>
diniens.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_963" next="#ID_964"> Aber diese Kriegslust gegen Oestreich, so gewaltig sie auch ist, übertäubt</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0334] sein, und so geht es fort. Selbst die strengsten Befehle der Officiere können dergleichen Mißverhältnisse nicht ausgleichen, wenn es an gutem Willen, an eigenem Interesse der Mannschaft fehlt. Ein zweiter Uebelstand, der sich aus diesen verschiedenen Nationalitäten ergiebt, ist, daß die Soldaten oft so sehr geringe Anhänglichkeit an ihre Officiere haben und denselben so fern gegenüber¬ stehen. Besonders jetzt, wo die ungarischen und italienischen Regimenter fast durchgängig von fremden Officieren befehligt werden, tritt dies scharf hervor. Es giebt in den ungarischen Regimentern, namentlich bei den ganz neu organisirten Husaren-Regimentern, junge deutsche Rittmeister, denen die in Oestreich allmäch¬ tige Protection ein bevorzugtes Avancement verschaffte, die sich kaum auf das Nothdürftigste mit den Soldaten ihrer Schwadron unterreden können^ Zwar ist in letzter Zeit ein erneuter Befehl gegeben, daß jeder Officier die Sprache des Regiments, bei dem er diene, auch sprechen müsse, doch fehlt es an der pünkt¬ lichen Ausführung desselben. Bei den vielen Versetzungen, die besonders bevor¬ zugte Officiere, welche man rasch cwanciren lassen will, von Regiment zu Regiment, erfahren, bleibt ihnen selbst beim besten Willen kaum Zeit und Muße, die mannich- fachen Sprachen und Dialekte auch nur einigermaßen zu lernen. Welche viel¬ fachen Uebelstände es aber im Felde herbeiführt, wenn der Officier die Sprache der Leute, die er befehligen soll, nicht sprechen kann, zumal wenn diese keinen besondern Enthusiasmus für die Sache habe», bedarf keiner Auseinandersetzung. In der sardinischen Armee ist dies nicht der Fall, sie ist ganz aus einem Gusse. Dazu verbindet noch ein festes Band dieselben und dies ist — leider — der glühendste Haß gegen Oestreich/ Von diesem Haß sind Alle, Alle, ohne Ausnahme beseelt. Der älteste General wie der jüngste Tambour, der aristo¬ kratischste Edelmann wie der demokratischste el-elevant, Freischärler tragen denselben mit gleicher Stärke in ihrer Brust. Man sagt uns nach, wir Deutschen mit unsrem kalten ruhigen Blut verständen weder heiß zu lieben, noch zu hassen, und wahrlich von diesem intensiven, Alles durchdringende« Haß, wie er im Volke und in der Armee Sardiniens herrscht, kann man sich bei uns kaum einen Begriff machen. Gegen die Oestreicher wieder zu kämpfen, ist der einzige Wunsch Aller, für dessen Erfüllung man vieles Andere mit Freuden hingeben würde. Unablässig werden die beschwerlichsten Waffenübungen vorgenommen, und den ganzen Tag wird in allen Garnisonen auf eine Weise exercirt und marschirt, wie man sie in Potsdam nicht strenger sehen kann. Und wenn die etwas weichlichen Piemon- tesen der Ebene sich dabei ermattet zeigen, und der lebhafte verwöhnte Geruche sich langweilt, dann bedarf es nur einer leisen Andeutung, daß man in den Waffen geübt sein müsse, um den hoffentlich bevorstehenden Kampf mit Ehren zu bestehen, und neuer Eifer beseelt Alle. Solcher Geist herrscht überall im Heere Sar¬ diniens. Aber diese Kriegslust gegen Oestreich, so gewaltig sie auch ist, übertäubt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/334
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/334>, abgerufen am 27.09.2024.