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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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v. Ormond, Seigneur von Boncourt u. s. w. u. s. w., ans einem uralten lothrin¬
gischen Geschlecht, geboren Ende Januar 1781 auf dem Schlosse Bonconrt in der
Champagne, starb im Jahre 1838 am 21. Angust zu Berlin an der Spree als
Custos am botanischen Garten, als Lieblingsdichter der Leute zwischen Rhein und
Oder, als ein preußischer Bürger im edelsten Sinne des Wortes, als Katholik von
echt protestantischer Gesinnung, als der treueste, gemüthlichste und beste Deutsche
von der Welt. Die Persönlichkeit eines solchen Mannes würde der allgemeinsten
Theilnahme werth sein, auch wenn er nie einen Vers gemacht hätte.

Als Chamisso nenn Jahre alt war, entfloh seine Familie der französischen
Revolution und wurde uach Irrfahrten und vielem Trübsal in's Prenßenland ver¬
schlagen. Dort wurde Adelbert 1796 Edelknabe der Gemahlin Friedrich Wilhelm >>,,
1798 Officier bei einem Infanterieregiment in Berlin. Seine Familie kehrte nach
Frankreich zurück, er blieb in Berlin. So trat er um das Jahr 1803 in ein
inniges Freundschaftsverhältniß mit einer Anzahl junger strebender Männer, nnter
denen Eduard Hitzig, Varnhagen von der Ense, Neumann, Theremin, Koreff,
später die bekanntesten wurden. Fichte protegirte den Kreis. Bald daraus
wurde Fvuquti dem Jünglinge befreundet. Die Freunde bildeten in der Weise
der damaligen Zeit eine Verbrüderung, welche sich scherzend der Bund vom
Nordstern nannte, und die schwärmerische Innigkeit, mit welcher damals solche
Freundschaftsbündnisse strebender Geister geschlossen wurden, verlieh auch diesem
Verhältniß Farbe und einen Reiz, welcher für die Edleren unter den Mitgliedern
nie verloren ging. Der Musenalmanach, welchen die jungen Dichter im Jahre
180" und den folgenden Jahren Herausgaben, ist jetzt vergessen; was wir aber
nicht vergessen sollen, ist die Bedeutung, welche der kleine Bund vom Nordstern
auch für uns hat. Der Geist und Ton, welche in ihm lebten, war in der That
ein Fortschritt gegen die Tendenzen der romantischen Schule, obgleich das kritische
Urtheil und die Poesien derselben auf die Versübungen der jungen Männer einen
großen und dauernden Einfluß ausübten. Es war ein Verein von ehrlichen, tüchtigen
und rechtschaffenen jungen Leuten, frei von der Überspanntheit und dem Mysticis¬
mus der Schule. Nicht allein klarer urtheilen, gebildeter und seiner empfinden, als die
gemeine Menge, war die Tendenz dieses Kreises, sondern vor Allem brav sein,
seine Pflicht thun, arbeiten und verständig leben. Schon im Jahre 1806 schreibt
Chamisso an einen der Freunde, welcher als Officier in einen Conflict der Pflichten
gekommen und uach Frankreich gegangen war: "Du scheinst Deinen alten Dienst
aufgeben zu wollen, es sei denn, aber ich Dein Freund ermahne, beschwöre Dich,
durch , die ehrliche Pforte hiuauszuwaudelu, auf daß nicht die Gemeinheit einen
Laut des Tadels über Dich erheben möge. Fordere bei Zeiten Deinen ehrlichen
Abschied/und bleibe nicht, wie schon einmal, über Urlaub," und dieselbe Gesinnung
zeigt der Dichter bei jeder andern Gelegenheit. So schrieb er einige Jahre
später an Varnhagen: "Apropos, Schulden, das ist ein Wort des Mißtons.


v. Ormond, Seigneur von Boncourt u. s. w. u. s. w., ans einem uralten lothrin¬
gischen Geschlecht, geboren Ende Januar 1781 auf dem Schlosse Bonconrt in der
Champagne, starb im Jahre 1838 am 21. Angust zu Berlin an der Spree als
Custos am botanischen Garten, als Lieblingsdichter der Leute zwischen Rhein und
Oder, als ein preußischer Bürger im edelsten Sinne des Wortes, als Katholik von
echt protestantischer Gesinnung, als der treueste, gemüthlichste und beste Deutsche
von der Welt. Die Persönlichkeit eines solchen Mannes würde der allgemeinsten
Theilnahme werth sein, auch wenn er nie einen Vers gemacht hätte.

Als Chamisso nenn Jahre alt war, entfloh seine Familie der französischen
Revolution und wurde uach Irrfahrten und vielem Trübsal in's Prenßenland ver¬
schlagen. Dort wurde Adelbert 1796 Edelknabe der Gemahlin Friedrich Wilhelm >>,,
1798 Officier bei einem Infanterieregiment in Berlin. Seine Familie kehrte nach
Frankreich zurück, er blieb in Berlin. So trat er um das Jahr 1803 in ein
inniges Freundschaftsverhältniß mit einer Anzahl junger strebender Männer, nnter
denen Eduard Hitzig, Varnhagen von der Ense, Neumann, Theremin, Koreff,
später die bekanntesten wurden. Fichte protegirte den Kreis. Bald daraus
wurde Fvuquti dem Jünglinge befreundet. Die Freunde bildeten in der Weise
der damaligen Zeit eine Verbrüderung, welche sich scherzend der Bund vom
Nordstern nannte, und die schwärmerische Innigkeit, mit welcher damals solche
Freundschaftsbündnisse strebender Geister geschlossen wurden, verlieh auch diesem
Verhältniß Farbe und einen Reiz, welcher für die Edleren unter den Mitgliedern
nie verloren ging. Der Musenalmanach, welchen die jungen Dichter im Jahre
180» und den folgenden Jahren Herausgaben, ist jetzt vergessen; was wir aber
nicht vergessen sollen, ist die Bedeutung, welche der kleine Bund vom Nordstern
auch für uns hat. Der Geist und Ton, welche in ihm lebten, war in der That
ein Fortschritt gegen die Tendenzen der romantischen Schule, obgleich das kritische
Urtheil und die Poesien derselben auf die Versübungen der jungen Männer einen
großen und dauernden Einfluß ausübten. Es war ein Verein von ehrlichen, tüchtigen
und rechtschaffenen jungen Leuten, frei von der Überspanntheit und dem Mysticis¬
mus der Schule. Nicht allein klarer urtheilen, gebildeter und seiner empfinden, als die
gemeine Menge, war die Tendenz dieses Kreises, sondern vor Allem brav sein,
seine Pflicht thun, arbeiten und verständig leben. Schon im Jahre 1806 schreibt
Chamisso an einen der Freunde, welcher als Officier in einen Conflict der Pflichten
gekommen und uach Frankreich gegangen war: „Du scheinst Deinen alten Dienst
aufgeben zu wollen, es sei denn, aber ich Dein Freund ermahne, beschwöre Dich,
durch , die ehrliche Pforte hiuauszuwaudelu, auf daß nicht die Gemeinheit einen
Laut des Tadels über Dich erheben möge. Fordere bei Zeiten Deinen ehrlichen
Abschied/und bleibe nicht, wie schon einmal, über Urlaub," und dieselbe Gesinnung
zeigt der Dichter bei jeder andern Gelegenheit. So schrieb er einige Jahre
später an Varnhagen: „Apropos, Schulden, das ist ein Wort des Mißtons.


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[0314] v. Ormond, Seigneur von Boncourt u. s. w. u. s. w., ans einem uralten lothrin¬ gischen Geschlecht, geboren Ende Januar 1781 auf dem Schlosse Bonconrt in der Champagne, starb im Jahre 1838 am 21. Angust zu Berlin an der Spree als Custos am botanischen Garten, als Lieblingsdichter der Leute zwischen Rhein und Oder, als ein preußischer Bürger im edelsten Sinne des Wortes, als Katholik von echt protestantischer Gesinnung, als der treueste, gemüthlichste und beste Deutsche von der Welt. Die Persönlichkeit eines solchen Mannes würde der allgemeinsten Theilnahme werth sein, auch wenn er nie einen Vers gemacht hätte. Als Chamisso nenn Jahre alt war, entfloh seine Familie der französischen Revolution und wurde uach Irrfahrten und vielem Trübsal in's Prenßenland ver¬ schlagen. Dort wurde Adelbert 1796 Edelknabe der Gemahlin Friedrich Wilhelm >>,, 1798 Officier bei einem Infanterieregiment in Berlin. Seine Familie kehrte nach Frankreich zurück, er blieb in Berlin. So trat er um das Jahr 1803 in ein inniges Freundschaftsverhältniß mit einer Anzahl junger strebender Männer, nnter denen Eduard Hitzig, Varnhagen von der Ense, Neumann, Theremin, Koreff, später die bekanntesten wurden. Fichte protegirte den Kreis. Bald daraus wurde Fvuquti dem Jünglinge befreundet. Die Freunde bildeten in der Weise der damaligen Zeit eine Verbrüderung, welche sich scherzend der Bund vom Nordstern nannte, und die schwärmerische Innigkeit, mit welcher damals solche Freundschaftsbündnisse strebender Geister geschlossen wurden, verlieh auch diesem Verhältniß Farbe und einen Reiz, welcher für die Edleren unter den Mitgliedern nie verloren ging. Der Musenalmanach, welchen die jungen Dichter im Jahre 180» und den folgenden Jahren Herausgaben, ist jetzt vergessen; was wir aber nicht vergessen sollen, ist die Bedeutung, welche der kleine Bund vom Nordstern auch für uns hat. Der Geist und Ton, welche in ihm lebten, war in der That ein Fortschritt gegen die Tendenzen der romantischen Schule, obgleich das kritische Urtheil und die Poesien derselben auf die Versübungen der jungen Männer einen großen und dauernden Einfluß ausübten. Es war ein Verein von ehrlichen, tüchtigen und rechtschaffenen jungen Leuten, frei von der Überspanntheit und dem Mysticis¬ mus der Schule. Nicht allein klarer urtheilen, gebildeter und seiner empfinden, als die gemeine Menge, war die Tendenz dieses Kreises, sondern vor Allem brav sein, seine Pflicht thun, arbeiten und verständig leben. Schon im Jahre 1806 schreibt Chamisso an einen der Freunde, welcher als Officier in einen Conflict der Pflichten gekommen und uach Frankreich gegangen war: „Du scheinst Deinen alten Dienst aufgeben zu wollen, es sei denn, aber ich Dein Freund ermahne, beschwöre Dich, durch , die ehrliche Pforte hiuauszuwaudelu, auf daß nicht die Gemeinheit einen Laut des Tadels über Dich erheben möge. Fordere bei Zeiten Deinen ehrlichen Abschied/und bleibe nicht, wie schon einmal, über Urlaub," und dieselbe Gesinnung zeigt der Dichter bei jeder andern Gelegenheit. So schrieb er einige Jahre später an Varnhagen: „Apropos, Schulden, das ist ein Wort des Mißtons.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/314>, abgerufen am 27.09.2024.