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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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bei er ja nicht vor Mitternacht eintreffen konnte. Das ist die ungeschminkte
Geschichte des Ausbleibens Grouchy's und seines Verraths.

summiren wir noch einmal die Resultate unsrer Zusammenstellung, so finden
wir, daß die eigene schwankende politische Stellung Napoleon's zu Frankreich und
zu Europa ihn nöthigten, Alles auf einen kühnen Wurf zu wagen, und aus
seinen Operationen das Element der Vorsicht ganz zu streichen; daß er in dem
umsichtigen und klaren Charakter Lord Wellington's, und in der energievollen
und zuversichtlichen Kühnheit Blücher's gerade zwei Gegner fand, welche sich von
dem Blendwerk seiner Macht und der Waghalsigkeit seiner Operationen nicht ein¬
schüchtern ließen; daß sein Hochmuth ihn den moralischen Zustand des preußischen
Heeres nach der Schlacht von Ligny und die Energie seines Führers unterschätzen
ließ, und ihn verlockte, zum Zertrümmern Wellington's vorzuschreiten, ehe er seiue
Flanke und seinen Rücken gesichert hatte; und endlich, daß ein seltenes Zusammen¬
wirken beider Heere und Heerführer, des englischen und des preußischen,, und
eine Vereinigung von ausharrender Tapferkeit und feurigem Ungestüm, zuletzt die
Uebermacht der Alliirten aus dem entscheidenden Punkte zu einem absolut ver¬
nichtenden Schlage befähigten. Am wenigsten Schuld an Napoleon's verdientem
Unglück sind diejenigen seiner Generäle, auf die er mit dem ihm eigenthümlichen
Mangel an Edelmuth und Wahrheitsliebe Anklage auf Anklage gehäuft hat.




Adelbert von Chamisso.

Neue (3te) Auslage seiner Werke in sechs Bänden, mit seinem Bildnisse. Leipzig,
Weidmaim'sche Buchhandlung, 1852.

Die neue Auflage enthält im ersten und zweiten Bande die Reise um die
Welt nebst den "Bemerkungen und Ansichten", im dritten und vierten die Poesien,
im fünften und sechsten das biographische Material, Briefe Chamisso's, Bemer-
kungen und Ergänzungen von Eduard Hitzig und von dem neuen Revisor Fried¬
rich Palm. Vermehrt ist sie gegenüber der zweiten durch einige Gedichte, eine
sorgfältige Revision der biographischen Notizen, mehrere Briefe und eine voll¬
ständige Umarbeitung des sechsten Theils, welcher die letzten zwanzig Jahre
Ehamisso's schildert. Ein Aufsatz über malayische Volkslieder und eine chrono¬
logische Uebersicht der Dichtungen sind ebenfalls dankenswerthe Zusätze. Es ist
nicht die Absicht der folgenden Zeilen, eine Kritik seiner Gedichte zu geben, son¬
dern an das zu erinnern, was ihn mit Recht zu einem Lieblingsdichter unsres
Volkes gemacht hat.

Adelbert v. Chmuisso, Sohn von Louis Marie Grafen v. Chamisso, Vicomte


bei er ja nicht vor Mitternacht eintreffen konnte. Das ist die ungeschminkte
Geschichte des Ausbleibens Grouchy's und seines Verraths.

summiren wir noch einmal die Resultate unsrer Zusammenstellung, so finden
wir, daß die eigene schwankende politische Stellung Napoleon's zu Frankreich und
zu Europa ihn nöthigten, Alles auf einen kühnen Wurf zu wagen, und aus
seinen Operationen das Element der Vorsicht ganz zu streichen; daß er in dem
umsichtigen und klaren Charakter Lord Wellington's, und in der energievollen
und zuversichtlichen Kühnheit Blücher's gerade zwei Gegner fand, welche sich von
dem Blendwerk seiner Macht und der Waghalsigkeit seiner Operationen nicht ein¬
schüchtern ließen; daß sein Hochmuth ihn den moralischen Zustand des preußischen
Heeres nach der Schlacht von Ligny und die Energie seines Führers unterschätzen
ließ, und ihn verlockte, zum Zertrümmern Wellington's vorzuschreiten, ehe er seiue
Flanke und seinen Rücken gesichert hatte; und endlich, daß ein seltenes Zusammen¬
wirken beider Heere und Heerführer, des englischen und des preußischen,, und
eine Vereinigung von ausharrender Tapferkeit und feurigem Ungestüm, zuletzt die
Uebermacht der Alliirten aus dem entscheidenden Punkte zu einem absolut ver¬
nichtenden Schlage befähigten. Am wenigsten Schuld an Napoleon's verdientem
Unglück sind diejenigen seiner Generäle, auf die er mit dem ihm eigenthümlichen
Mangel an Edelmuth und Wahrheitsliebe Anklage auf Anklage gehäuft hat.




Adelbert von Chamisso.

Neue (3te) Auslage seiner Werke in sechs Bänden, mit seinem Bildnisse. Leipzig,
Weidmaim'sche Buchhandlung, 1852.

Die neue Auflage enthält im ersten und zweiten Bande die Reise um die
Welt nebst den „Bemerkungen und Ansichten", im dritten und vierten die Poesien,
im fünften und sechsten das biographische Material, Briefe Chamisso's, Bemer-
kungen und Ergänzungen von Eduard Hitzig und von dem neuen Revisor Fried¬
rich Palm. Vermehrt ist sie gegenüber der zweiten durch einige Gedichte, eine
sorgfältige Revision der biographischen Notizen, mehrere Briefe und eine voll¬
ständige Umarbeitung des sechsten Theils, welcher die letzten zwanzig Jahre
Ehamisso's schildert. Ein Aufsatz über malayische Volkslieder und eine chrono¬
logische Uebersicht der Dichtungen sind ebenfalls dankenswerthe Zusätze. Es ist
nicht die Absicht der folgenden Zeilen, eine Kritik seiner Gedichte zu geben, son¬
dern an das zu erinnern, was ihn mit Recht zu einem Lieblingsdichter unsres
Volkes gemacht hat.

Adelbert v. Chmuisso, Sohn von Louis Marie Grafen v. Chamisso, Vicomte


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[0313] bei er ja nicht vor Mitternacht eintreffen konnte. Das ist die ungeschminkte Geschichte des Ausbleibens Grouchy's und seines Verraths. summiren wir noch einmal die Resultate unsrer Zusammenstellung, so finden wir, daß die eigene schwankende politische Stellung Napoleon's zu Frankreich und zu Europa ihn nöthigten, Alles auf einen kühnen Wurf zu wagen, und aus seinen Operationen das Element der Vorsicht ganz zu streichen; daß er in dem umsichtigen und klaren Charakter Lord Wellington's, und in der energievollen und zuversichtlichen Kühnheit Blücher's gerade zwei Gegner fand, welche sich von dem Blendwerk seiner Macht und der Waghalsigkeit seiner Operationen nicht ein¬ schüchtern ließen; daß sein Hochmuth ihn den moralischen Zustand des preußischen Heeres nach der Schlacht von Ligny und die Energie seines Führers unterschätzen ließ, und ihn verlockte, zum Zertrümmern Wellington's vorzuschreiten, ehe er seiue Flanke und seinen Rücken gesichert hatte; und endlich, daß ein seltenes Zusammen¬ wirken beider Heere und Heerführer, des englischen und des preußischen,, und eine Vereinigung von ausharrender Tapferkeit und feurigem Ungestüm, zuletzt die Uebermacht der Alliirten aus dem entscheidenden Punkte zu einem absolut ver¬ nichtenden Schlage befähigten. Am wenigsten Schuld an Napoleon's verdientem Unglück sind diejenigen seiner Generäle, auf die er mit dem ihm eigenthümlichen Mangel an Edelmuth und Wahrheitsliebe Anklage auf Anklage gehäuft hat. Adelbert von Chamisso. Neue (3te) Auslage seiner Werke in sechs Bänden, mit seinem Bildnisse. Leipzig, Weidmaim'sche Buchhandlung, 1852. Die neue Auflage enthält im ersten und zweiten Bande die Reise um die Welt nebst den „Bemerkungen und Ansichten", im dritten und vierten die Poesien, im fünften und sechsten das biographische Material, Briefe Chamisso's, Bemer- kungen und Ergänzungen von Eduard Hitzig und von dem neuen Revisor Fried¬ rich Palm. Vermehrt ist sie gegenüber der zweiten durch einige Gedichte, eine sorgfältige Revision der biographischen Notizen, mehrere Briefe und eine voll¬ ständige Umarbeitung des sechsten Theils, welcher die letzten zwanzig Jahre Ehamisso's schildert. Ein Aufsatz über malayische Volkslieder und eine chrono¬ logische Uebersicht der Dichtungen sind ebenfalls dankenswerthe Zusätze. Es ist nicht die Absicht der folgenden Zeilen, eine Kritik seiner Gedichte zu geben, son¬ dern an das zu erinnern, was ihn mit Recht zu einem Lieblingsdichter unsres Volkes gemacht hat. Adelbert v. Chmuisso, Sohn von Louis Marie Grafen v. Chamisso, Vicomte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/313>, abgerufen am 27.09.2024.