Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Füsilierbataillon voran, ein dessen Spitze er auf eines der erbeuteten Kntschpferde
Napoleon's einen Tambour gesetzt hatte, dessen ununterbrochenes Trommelwirbeln
die Franzosen immer wieder ausscheuchte. Nur el" gemischtes Corps von 3000
Mann Infanterie und Kavallerie mit den Generälen Jerome, Soult, Morand,
Colbert, Petit, und Pelee de Morvau erreicht am 21. früh Laon, 20
Meilen vom Schlachtfeld. Alles Uebrige sammelt sich erst später einzeln, und selbst
Napoleon behauptet, vou der ganzen Armee nur 25,000 Manu zusammengebracht
zu haben, was nach dem gewöhnlichen Charakter seiner Aussagen, und der voll-'
ständigen Zerrüttung seines Heeres nicht glaubhaft ist. In der Schlacht selbst
gingen an Todten, Verwundeten und Gefangenen 31,000 Mann verloren.

Wie Ney für Ligny, so muß in Napoleon's Memoiren und bei den franzö¬
sischen Schriftstellern Grouchy für Waterloo als Sündenbock Dienen. Er ist
allein daran Schuld, daß Blücher sich von dem Schlage bei Ligny hat erholen,
und Wellington zu Hilfe eilen können, und er ist ferner noch an dem Verlust
der Schlacht von Waterloo dadurch Schuld, daß er einen ihm von Napoleon
zngefertigten Befehl, in die rechte Flanke der französischen Armee zu rücken und
Bülow über den Häuser zu werfen, nicht befolgt hat, oder dadurch, daß er nicht
aus freien Stücken seine Verfolgung Blücher's aufgegeben und in der Richtung
des Kanonendonners auf das Schlachtfeld marschirt ist. . .

Wir verließen Grouchy in Gemblonx, wo er spat Nachts am 17. angekommen wcir.
Daß er so weit hinter den Preußen zurück war, deren sämmtliche vier Corps sich an
demselben Abend schon bei Wavre sammelten, daran war hauptsächlich Napoleon's
Zögern Schuld, wie wir früher gezeigt haben; aber es läßt sich auch so kaum voraus¬
setzen, daß er mit seinen 33,000 Mann dem noch etwa 66,000 Mann starken Blücher,
für den ein frisches Corps von 36,000 Mann (Bülow'S), bei Wavre, drei Meilen
weiter zurück, zur Aufnahme bereit stand, etwas Besonderes hätte anhaben können.
Erst in Sart-ä-Walhain am Morgen des 18. erfährt Grouchy mit Bestimmt¬
heit, daß sich die ganze preußische Armee nach Wavre gewendet hat, und nun
schlägt er auch diese Richtung ein. Aber jetzt dröhnt um 11 Uhr der Kanonen¬
donner von Waterloo herüber, und die Generäle Excelmans und Gerard dringen
in Grouchy, in der Richtung des Kanonendonners abznmarschiren, und auf dieses
Schlachtfeld zu eilen. Der Rath war leicht von denen zu ertheilen, welche die
Verantwortung für seine Befolgung nicht zu tragen brauchten; aber Grouchy, der
den bestimmten Befehl hatte, sich den Preußen an die Fersen zu heften, glaubte
mit Recht, nicht von demselben abweichen zu dürfen, was ihm nur erlaubt gewesen
wäre, wenn er ohne bestimmten Zweck auf der Straße uach Wavre marschirt wäre.
Wenn er, wie ihm Napoleon befohlen, die ganze preußische Armee beschäftigte,
während Napoleon Wellington schlug, hatte er mit seinen 35,000 Mann weit mehr
ausgerichtet, als ihm bei Waterloo jemals möglich gewesen wäre.

Den einen Fehler beging Grouchy, daß er blos auf einer Straße gegen


Füsilierbataillon voran, ein dessen Spitze er auf eines der erbeuteten Kntschpferde
Napoleon's einen Tambour gesetzt hatte, dessen ununterbrochenes Trommelwirbeln
die Franzosen immer wieder ausscheuchte. Nur el» gemischtes Corps von 3000
Mann Infanterie und Kavallerie mit den Generälen Jerome, Soult, Morand,
Colbert, Petit, und Pelee de Morvau erreicht am 21. früh Laon, 20
Meilen vom Schlachtfeld. Alles Uebrige sammelt sich erst später einzeln, und selbst
Napoleon behauptet, vou der ganzen Armee nur 25,000 Manu zusammengebracht
zu haben, was nach dem gewöhnlichen Charakter seiner Aussagen, und der voll-'
ständigen Zerrüttung seines Heeres nicht glaubhaft ist. In der Schlacht selbst
gingen an Todten, Verwundeten und Gefangenen 31,000 Mann verloren.

Wie Ney für Ligny, so muß in Napoleon's Memoiren und bei den franzö¬
sischen Schriftstellern Grouchy für Waterloo als Sündenbock Dienen. Er ist
allein daran Schuld, daß Blücher sich von dem Schlage bei Ligny hat erholen,
und Wellington zu Hilfe eilen können, und er ist ferner noch an dem Verlust
der Schlacht von Waterloo dadurch Schuld, daß er einen ihm von Napoleon
zngefertigten Befehl, in die rechte Flanke der französischen Armee zu rücken und
Bülow über den Häuser zu werfen, nicht befolgt hat, oder dadurch, daß er nicht
aus freien Stücken seine Verfolgung Blücher's aufgegeben und in der Richtung
des Kanonendonners auf das Schlachtfeld marschirt ist. . .

Wir verließen Grouchy in Gemblonx, wo er spat Nachts am 17. angekommen wcir.
Daß er so weit hinter den Preußen zurück war, deren sämmtliche vier Corps sich an
demselben Abend schon bei Wavre sammelten, daran war hauptsächlich Napoleon's
Zögern Schuld, wie wir früher gezeigt haben; aber es läßt sich auch so kaum voraus¬
setzen, daß er mit seinen 33,000 Mann dem noch etwa 66,000 Mann starken Blücher,
für den ein frisches Corps von 36,000 Mann (Bülow'S), bei Wavre, drei Meilen
weiter zurück, zur Aufnahme bereit stand, etwas Besonderes hätte anhaben können.
Erst in Sart-ä-Walhain am Morgen des 18. erfährt Grouchy mit Bestimmt¬
heit, daß sich die ganze preußische Armee nach Wavre gewendet hat, und nun
schlägt er auch diese Richtung ein. Aber jetzt dröhnt um 11 Uhr der Kanonen¬
donner von Waterloo herüber, und die Generäle Excelmans und Gerard dringen
in Grouchy, in der Richtung des Kanonendonners abznmarschiren, und auf dieses
Schlachtfeld zu eilen. Der Rath war leicht von denen zu ertheilen, welche die
Verantwortung für seine Befolgung nicht zu tragen brauchten; aber Grouchy, der
den bestimmten Befehl hatte, sich den Preußen an die Fersen zu heften, glaubte
mit Recht, nicht von demselben abweichen zu dürfen, was ihm nur erlaubt gewesen
wäre, wenn er ohne bestimmten Zweck auf der Straße uach Wavre marschirt wäre.
Wenn er, wie ihm Napoleon befohlen, die ganze preußische Armee beschäftigte,
während Napoleon Wellington schlug, hatte er mit seinen 35,000 Mann weit mehr
ausgerichtet, als ihm bei Waterloo jemals möglich gewesen wäre.

Den einen Fehler beging Grouchy, daß er blos auf einer Straße gegen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0311" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95292"/>
            <p xml:id="ID_897" prev="#ID_896"> Füsilierbataillon voran, ein dessen Spitze er auf eines der erbeuteten Kntschpferde<lb/>
Napoleon's einen Tambour gesetzt hatte, dessen ununterbrochenes Trommelwirbeln<lb/>
die Franzosen immer wieder ausscheuchte. Nur el» gemischtes Corps von 3000<lb/>
Mann Infanterie und Kavallerie mit den Generälen Jerome, Soult, Morand,<lb/>
Colbert, Petit, und Pelee de Morvau erreicht am 21. früh Laon, 20<lb/>
Meilen vom Schlachtfeld. Alles Uebrige sammelt sich erst später einzeln, und selbst<lb/>
Napoleon behauptet, vou der ganzen Armee nur 25,000 Manu zusammengebracht<lb/>
zu haben, was nach dem gewöhnlichen Charakter seiner Aussagen, und der voll-'<lb/>
ständigen Zerrüttung seines Heeres nicht glaubhaft ist. In der Schlacht selbst<lb/>
gingen an Todten, Verwundeten und Gefangenen 31,000 Mann verloren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_898"> Wie Ney für Ligny, so muß in Napoleon's Memoiren und bei den franzö¬<lb/>
sischen Schriftstellern Grouchy für Waterloo als Sündenbock Dienen. Er ist<lb/>
allein daran Schuld, daß Blücher sich von dem Schlage bei Ligny hat erholen,<lb/>
und Wellington zu Hilfe eilen können, und er ist ferner noch an dem Verlust<lb/>
der Schlacht von Waterloo dadurch Schuld, daß er einen ihm von Napoleon<lb/>
zngefertigten Befehl, in die rechte Flanke der französischen Armee zu rücken und<lb/>
Bülow über den Häuser zu werfen, nicht befolgt hat, oder dadurch, daß er nicht<lb/>
aus freien Stücken seine Verfolgung Blücher's aufgegeben und in der Richtung<lb/>
des Kanonendonners auf das Schlachtfeld marschirt ist. . .</p><lb/>
            <p xml:id="ID_899"> Wir verließen Grouchy in Gemblonx, wo er spat Nachts am 17. angekommen wcir.<lb/>
Daß er so weit hinter den Preußen zurück war, deren sämmtliche vier Corps sich an<lb/>
demselben Abend schon bei Wavre sammelten, daran war hauptsächlich Napoleon's<lb/>
Zögern Schuld, wie wir früher gezeigt haben; aber es läßt sich auch so kaum voraus¬<lb/>
setzen, daß er mit seinen 33,000 Mann dem noch etwa 66,000 Mann starken Blücher,<lb/>
für den ein frisches Corps von 36,000 Mann (Bülow'S), bei Wavre, drei Meilen<lb/>
weiter zurück, zur Aufnahme bereit stand, etwas Besonderes hätte anhaben können.<lb/>
Erst in Sart-ä-Walhain am Morgen des 18. erfährt Grouchy mit Bestimmt¬<lb/>
heit, daß sich die ganze preußische Armee nach Wavre gewendet hat, und nun<lb/>
schlägt er auch diese Richtung ein. Aber jetzt dröhnt um 11 Uhr der Kanonen¬<lb/>
donner von Waterloo herüber, und die Generäle Excelmans und Gerard dringen<lb/>
in Grouchy, in der Richtung des Kanonendonners abznmarschiren, und auf dieses<lb/>
Schlachtfeld zu eilen. Der Rath war leicht von denen zu ertheilen, welche die<lb/>
Verantwortung für seine Befolgung nicht zu tragen brauchten; aber Grouchy, der<lb/>
den bestimmten Befehl hatte, sich den Preußen an die Fersen zu heften, glaubte<lb/>
mit Recht, nicht von demselben abweichen zu dürfen, was ihm nur erlaubt gewesen<lb/>
wäre, wenn er ohne bestimmten Zweck auf der Straße uach Wavre marschirt wäre.<lb/>
Wenn er, wie ihm Napoleon befohlen, die ganze preußische Armee beschäftigte,<lb/>
während Napoleon Wellington schlug, hatte er mit seinen 35,000 Mann weit mehr<lb/>
ausgerichtet, als ihm bei Waterloo jemals möglich gewesen wäre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_900" next="#ID_901"> Den einen Fehler beging Grouchy, daß er blos auf einer Straße gegen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0311] Füsilierbataillon voran, ein dessen Spitze er auf eines der erbeuteten Kntschpferde Napoleon's einen Tambour gesetzt hatte, dessen ununterbrochenes Trommelwirbeln die Franzosen immer wieder ausscheuchte. Nur el» gemischtes Corps von 3000 Mann Infanterie und Kavallerie mit den Generälen Jerome, Soult, Morand, Colbert, Petit, und Pelee de Morvau erreicht am 21. früh Laon, 20 Meilen vom Schlachtfeld. Alles Uebrige sammelt sich erst später einzeln, und selbst Napoleon behauptet, vou der ganzen Armee nur 25,000 Manu zusammengebracht zu haben, was nach dem gewöhnlichen Charakter seiner Aussagen, und der voll-' ständigen Zerrüttung seines Heeres nicht glaubhaft ist. In der Schlacht selbst gingen an Todten, Verwundeten und Gefangenen 31,000 Mann verloren. Wie Ney für Ligny, so muß in Napoleon's Memoiren und bei den franzö¬ sischen Schriftstellern Grouchy für Waterloo als Sündenbock Dienen. Er ist allein daran Schuld, daß Blücher sich von dem Schlage bei Ligny hat erholen, und Wellington zu Hilfe eilen können, und er ist ferner noch an dem Verlust der Schlacht von Waterloo dadurch Schuld, daß er einen ihm von Napoleon zngefertigten Befehl, in die rechte Flanke der französischen Armee zu rücken und Bülow über den Häuser zu werfen, nicht befolgt hat, oder dadurch, daß er nicht aus freien Stücken seine Verfolgung Blücher's aufgegeben und in der Richtung des Kanonendonners auf das Schlachtfeld marschirt ist. . . Wir verließen Grouchy in Gemblonx, wo er spat Nachts am 17. angekommen wcir. Daß er so weit hinter den Preußen zurück war, deren sämmtliche vier Corps sich an demselben Abend schon bei Wavre sammelten, daran war hauptsächlich Napoleon's Zögern Schuld, wie wir früher gezeigt haben; aber es läßt sich auch so kaum voraus¬ setzen, daß er mit seinen 33,000 Mann dem noch etwa 66,000 Mann starken Blücher, für den ein frisches Corps von 36,000 Mann (Bülow'S), bei Wavre, drei Meilen weiter zurück, zur Aufnahme bereit stand, etwas Besonderes hätte anhaben können. Erst in Sart-ä-Walhain am Morgen des 18. erfährt Grouchy mit Bestimmt¬ heit, daß sich die ganze preußische Armee nach Wavre gewendet hat, und nun schlägt er auch diese Richtung ein. Aber jetzt dröhnt um 11 Uhr der Kanonen¬ donner von Waterloo herüber, und die Generäle Excelmans und Gerard dringen in Grouchy, in der Richtung des Kanonendonners abznmarschiren, und auf dieses Schlachtfeld zu eilen. Der Rath war leicht von denen zu ertheilen, welche die Verantwortung für seine Befolgung nicht zu tragen brauchten; aber Grouchy, der den bestimmten Befehl hatte, sich den Preußen an die Fersen zu heften, glaubte mit Recht, nicht von demselben abweichen zu dürfen, was ihm nur erlaubt gewesen wäre, wenn er ohne bestimmten Zweck auf der Straße uach Wavre marschirt wäre. Wenn er, wie ihm Napoleon befohlen, die ganze preußische Armee beschäftigte, während Napoleon Wellington schlug, hatte er mit seinen 35,000 Mann weit mehr ausgerichtet, als ihm bei Waterloo jemals möglich gewesen wäre. Den einen Fehler beging Grouchy, daß er blos auf einer Straße gegen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/311
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/311>, abgerufen am 27.09.2024.