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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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ist man der Meinung, daß die Engländer nur, diese Zeit auf das Aeußerste er¬
schöpft gewesen wären, und da sie deu Franzosen Nichts mehr entgegen zu setzen
hatten, ans den Punkt gestanden hätten, die Schlacht verlieren zu müssen. Aller¬
dings waren die ersten Tressen Wellington's stark decimirt, Regimenter waren zu
Bataillonen, Bataillone zu Compagnien geworden; aber es waren immer noch
einige frische Truppen da, wie die- Division Chassve, die 10. englische Brigade,
die Cavalleriedivision Cvllaert u. s. w. Bei der großen Zerrüttung der fran¬
zösischen Streitkräfte und der vorteilhaften Stellung der Engländer genügten sie
wenigstens, vor einem nachtheiligen Rückzug zu retten.

Wir müssen uus jetzt, ehe wir die Katastrophe der Schlacht beschreiben, erst
zu den auf dem linken Flügel Wellingtons anrückenden Preußen wenden. Als
am 17. Blücher seine vier Corps bei Wavre versammelte, nud sich vom Feinde
gar nicht verfolgt sah, beschloß er sofort den.Rechtsabmarsch- mit seiner ganzen
Armee. Bülow mit dem vierten Corps sollte zuerst über Se. Lambert gegen
Planchenoit vordringen, das zweite ihm folgen, das dritte über Couture ebenfalls
gegen Planchenoit rücken, Ziethen dagegen den linken Flügel Wellington's unter¬
stützen, also 70,000 Mann in die rechte Flanke und den Rücken Napoleon's
geworfen werden. Das dritte Corps wurde jedoch, als es abrücken wollte, von
dem Erscheinen Grouchy's in Wavre festgehalten. Das Bülow'sche Corps hatte
seinen Marsch schon um 7 Uhr früh angetreten; kaum aber war die Avantgarde
dnrch Wavre hindurch, so entstand in dem eine einzige Straße bildenden Städtchen
ein Feuer, das den Marsch des übrigen Corps mehrere Stunden laug aushielt.
So kam es denn, daß die preußischen Vortruppen schon früh um 11 Uhr mit
Wellington in Verbindung treten konnten, ohne daß das Hauptcorps nachrückte,
da von dem gezwungenen Stillstand desselben ununterrichtct die Avantgarde ihren
Marsch fortgesetzt hatte. Endlich konnte sich Bülom wieder in Marsch setzen, aber
es war keine leichte Sache, das neue Schlachtfeld zu erreichen. Schon vor Se.
Lambert war wegen der schlechten Wege der Marsch höchst mühsam; aber in den
noch grundloseren Defileen der Lahne wurde es noch viel ärger. Mit jedem
Schritt sanken die Marschirenden bis über die Knöchel in den Schlamm; die
Pferde glitschten alio und stürzten; Kanonen und Fuhrwerke blieben im Morast
stecken, und die Truppen mußten selbst Hand anlegen, um sie wieder herauszu¬
arbeiten; denn der fette Boden dieser Niederungen war durch die starken Regen
der vorhergehenden Tage in einen Brei verwandelt, und jede Diviston machte die
Wege für ihre Nachfolger ungangbarer. Aber die geduldige Ausdauer der
Preußen war ebeu so groß wie ihre Tapferkeit, und beständig durch Blücher's
energische Zusprache angefeuert, setzten sie unermüdlich ihren mühseligen Marsch
sort, und endlich zwischen i--ö Uhr Nachmittags debouchirle die Spitze des
Hauptcorps aus dem Walde über Frischermont. Sofort besetzte das schlestsche
Husarenregiment, unterstützt von zwei Jnfanteriebataillonen, das Gehölz von


ist man der Meinung, daß die Engländer nur, diese Zeit auf das Aeußerste er¬
schöpft gewesen wären, und da sie deu Franzosen Nichts mehr entgegen zu setzen
hatten, ans den Punkt gestanden hätten, die Schlacht verlieren zu müssen. Aller¬
dings waren die ersten Tressen Wellington's stark decimirt, Regimenter waren zu
Bataillonen, Bataillone zu Compagnien geworden; aber es waren immer noch
einige frische Truppen da, wie die- Division Chassve, die 10. englische Brigade,
die Cavalleriedivision Cvllaert u. s. w. Bei der großen Zerrüttung der fran¬
zösischen Streitkräfte und der vorteilhaften Stellung der Engländer genügten sie
wenigstens, vor einem nachtheiligen Rückzug zu retten.

Wir müssen uus jetzt, ehe wir die Katastrophe der Schlacht beschreiben, erst
zu den auf dem linken Flügel Wellingtons anrückenden Preußen wenden. Als
am 17. Blücher seine vier Corps bei Wavre versammelte, nud sich vom Feinde
gar nicht verfolgt sah, beschloß er sofort den.Rechtsabmarsch- mit seiner ganzen
Armee. Bülow mit dem vierten Corps sollte zuerst über Se. Lambert gegen
Planchenoit vordringen, das zweite ihm folgen, das dritte über Couture ebenfalls
gegen Planchenoit rücken, Ziethen dagegen den linken Flügel Wellington's unter¬
stützen, also 70,000 Mann in die rechte Flanke und den Rücken Napoleon's
geworfen werden. Das dritte Corps wurde jedoch, als es abrücken wollte, von
dem Erscheinen Grouchy's in Wavre festgehalten. Das Bülow'sche Corps hatte
seinen Marsch schon um 7 Uhr früh angetreten; kaum aber war die Avantgarde
dnrch Wavre hindurch, so entstand in dem eine einzige Straße bildenden Städtchen
ein Feuer, das den Marsch des übrigen Corps mehrere Stunden laug aushielt.
So kam es denn, daß die preußischen Vortruppen schon früh um 11 Uhr mit
Wellington in Verbindung treten konnten, ohne daß das Hauptcorps nachrückte,
da von dem gezwungenen Stillstand desselben ununterrichtct die Avantgarde ihren
Marsch fortgesetzt hatte. Endlich konnte sich Bülom wieder in Marsch setzen, aber
es war keine leichte Sache, das neue Schlachtfeld zu erreichen. Schon vor Se.
Lambert war wegen der schlechten Wege der Marsch höchst mühsam; aber in den
noch grundloseren Defileen der Lahne wurde es noch viel ärger. Mit jedem
Schritt sanken die Marschirenden bis über die Knöchel in den Schlamm; die
Pferde glitschten alio und stürzten; Kanonen und Fuhrwerke blieben im Morast
stecken, und die Truppen mußten selbst Hand anlegen, um sie wieder herauszu¬
arbeiten; denn der fette Boden dieser Niederungen war durch die starken Regen
der vorhergehenden Tage in einen Brei verwandelt, und jede Diviston machte die
Wege für ihre Nachfolger ungangbarer. Aber die geduldige Ausdauer der
Preußen war ebeu so groß wie ihre Tapferkeit, und beständig durch Blücher's
energische Zusprache angefeuert, setzten sie unermüdlich ihren mühseligen Marsch
sort, und endlich zwischen i—ö Uhr Nachmittags debouchirle die Spitze des
Hauptcorps aus dem Walde über Frischermont. Sofort besetzte das schlestsche
Husarenregiment, unterstützt von zwei Jnfanteriebataillonen, das Gehölz von


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[0308] ist man der Meinung, daß die Engländer nur, diese Zeit auf das Aeußerste er¬ schöpft gewesen wären, und da sie deu Franzosen Nichts mehr entgegen zu setzen hatten, ans den Punkt gestanden hätten, die Schlacht verlieren zu müssen. Aller¬ dings waren die ersten Tressen Wellington's stark decimirt, Regimenter waren zu Bataillonen, Bataillone zu Compagnien geworden; aber es waren immer noch einige frische Truppen da, wie die- Division Chassve, die 10. englische Brigade, die Cavalleriedivision Cvllaert u. s. w. Bei der großen Zerrüttung der fran¬ zösischen Streitkräfte und der vorteilhaften Stellung der Engländer genügten sie wenigstens, vor einem nachtheiligen Rückzug zu retten. Wir müssen uus jetzt, ehe wir die Katastrophe der Schlacht beschreiben, erst zu den auf dem linken Flügel Wellingtons anrückenden Preußen wenden. Als am 17. Blücher seine vier Corps bei Wavre versammelte, nud sich vom Feinde gar nicht verfolgt sah, beschloß er sofort den.Rechtsabmarsch- mit seiner ganzen Armee. Bülow mit dem vierten Corps sollte zuerst über Se. Lambert gegen Planchenoit vordringen, das zweite ihm folgen, das dritte über Couture ebenfalls gegen Planchenoit rücken, Ziethen dagegen den linken Flügel Wellington's unter¬ stützen, also 70,000 Mann in die rechte Flanke und den Rücken Napoleon's geworfen werden. Das dritte Corps wurde jedoch, als es abrücken wollte, von dem Erscheinen Grouchy's in Wavre festgehalten. Das Bülow'sche Corps hatte seinen Marsch schon um 7 Uhr früh angetreten; kaum aber war die Avantgarde dnrch Wavre hindurch, so entstand in dem eine einzige Straße bildenden Städtchen ein Feuer, das den Marsch des übrigen Corps mehrere Stunden laug aushielt. So kam es denn, daß die preußischen Vortruppen schon früh um 11 Uhr mit Wellington in Verbindung treten konnten, ohne daß das Hauptcorps nachrückte, da von dem gezwungenen Stillstand desselben ununterrichtct die Avantgarde ihren Marsch fortgesetzt hatte. Endlich konnte sich Bülom wieder in Marsch setzen, aber es war keine leichte Sache, das neue Schlachtfeld zu erreichen. Schon vor Se. Lambert war wegen der schlechten Wege der Marsch höchst mühsam; aber in den noch grundloseren Defileen der Lahne wurde es noch viel ärger. Mit jedem Schritt sanken die Marschirenden bis über die Knöchel in den Schlamm; die Pferde glitschten alio und stürzten; Kanonen und Fuhrwerke blieben im Morast stecken, und die Truppen mußten selbst Hand anlegen, um sie wieder herauszu¬ arbeiten; denn der fette Boden dieser Niederungen war durch die starken Regen der vorhergehenden Tage in einen Brei verwandelt, und jede Diviston machte die Wege für ihre Nachfolger ungangbarer. Aber die geduldige Ausdauer der Preußen war ebeu so groß wie ihre Tapferkeit, und beständig durch Blücher's energische Zusprache angefeuert, setzten sie unermüdlich ihren mühseligen Marsch sort, und endlich zwischen i—ö Uhr Nachmittags debouchirle die Spitze des Hauptcorps aus dem Walde über Frischermont. Sofort besetzte das schlestsche Husarenregiment, unterstützt von zwei Jnfanteriebataillonen, das Gehölz von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/308>, abgerufen am 27.09.2024.