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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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gleichem Werthe, und diese wollte natürlich mein Kamerad als schwierig trans¬
portable Gegenstände nicht annehmen. So blieb die Sache beim Alten.

Als Zeugniß für den vortrefflichen Charakter dieser Lady erzählte mir der
Grobschmied folgende Anekdote. Ihr Mann, der Fährmann, besaß einen Neger¬
sclaven, einen körperlich wohlgebildeten Menschen von einnehmenden Aeußern und
wirklich gentlemanartiger Haltung, dieser hatte sich mit .einer Negerin, die
ebenfalls im Besitz deö Fährmanns war, verheirathet, und ans dieser Ehe war
mit der Zeit eine ziemlich starke Familie hervorgegangen. Die Herrin war ans
irgend einem Grunde dieser Familie nicht gewogen und warf wol auch ein nei¬
disches Ange auf sie, weil sie durch Melonen und andere Erzeugnisse, die sie auf
dem ihnen angewiesenen Feldchen zogen, bisweilen einige Cents erwarben. Um
sich der Mühe, wiederum neidisch zu werden, zu entheben, schnitt die Lady eines
Tages die unreifen Melonen der Neger ab und raubte thuen so die Aussicht auf
den geringen Nebenverdienst. Ihr Mann machte ihr nun wegen ihres Benehmens
Vorwürfe. Da sie glaubte, es sei ihr Unrecht geschehen, so verließ sie Abends
heimlich das Hans ihres Mannes, ließ sich,.über den BrazvS fahren, klagte ihren
jenseits des BottomS wohnenden Aelt.ern ihre Noth, und erklärte, sie wolle sich
von ihrem Manne trennen. Der Vater jedoch, ein strenger und vernünftiger
Mann, gewährte ihr kein Nachtquartier, soudern schickte sie sogleich wieder zurück.
An der Fähre angekommen, rief sie bittend und flehend über den Fluß hinüber
nach ihrem Manne; dieser ließ sie aber jenseits des Brazvs die ganze Nacht
hindurch warten, und nahm sie erst am folgenden Morgen als bußfertige
Sünderin in sein Hans ans. Diese..Lection soll sie ein wenig verständiger gemacht
haben. --

Nachdem wir zur Abendmahlzeit unsern Kaffee, Maisbrod, gebratenen Speck
und gesalzenes Schweinefleisch, diesmal bei Tafelmusik, verzehrt hatten, legten wir
uns nieder. Nach amerikanischer Sitte waren die Betten zweischläfrig, und ich mußte
mit meinem Reisegefährten zusammenschlafen; das Bett stand dicht am Fenster,
welches während der Nacht nicht geschlossen werden konnte; die Nacht war feucht
und kalt, und wir hatten als Bedeckung nur eine einzige Steppdecke; eine Folge
davon war, daß ich, des amerikanischen Landlebens noch ungewohnt, von einem
heftigen Schnupfen und Husten befallen wurde, von dem ich mich erst nach meh¬
reren Wochen wieder befreien konnte; aber während dieser Zeit härtete ich meinen
Körper gegen solche Einflüsse so ab, daß ich später, obgleich ich mich wei
größeren Unannehmlichkeiten unterziehen mußte, nie wieder ähnliche Einwirkungen
erfahren-habe.




gleichem Werthe, und diese wollte natürlich mein Kamerad als schwierig trans¬
portable Gegenstände nicht annehmen. So blieb die Sache beim Alten.

Als Zeugniß für den vortrefflichen Charakter dieser Lady erzählte mir der
Grobschmied folgende Anekdote. Ihr Mann, der Fährmann, besaß einen Neger¬
sclaven, einen körperlich wohlgebildeten Menschen von einnehmenden Aeußern und
wirklich gentlemanartiger Haltung, dieser hatte sich mit .einer Negerin, die
ebenfalls im Besitz deö Fährmanns war, verheirathet, und ans dieser Ehe war
mit der Zeit eine ziemlich starke Familie hervorgegangen. Die Herrin war ans
irgend einem Grunde dieser Familie nicht gewogen und warf wol auch ein nei¬
disches Ange auf sie, weil sie durch Melonen und andere Erzeugnisse, die sie auf
dem ihnen angewiesenen Feldchen zogen, bisweilen einige Cents erwarben. Um
sich der Mühe, wiederum neidisch zu werden, zu entheben, schnitt die Lady eines
Tages die unreifen Melonen der Neger ab und raubte thuen so die Aussicht auf
den geringen Nebenverdienst. Ihr Mann machte ihr nun wegen ihres Benehmens
Vorwürfe. Da sie glaubte, es sei ihr Unrecht geschehen, so verließ sie Abends
heimlich das Hans ihres Mannes, ließ sich,.über den BrazvS fahren, klagte ihren
jenseits des BottomS wohnenden Aelt.ern ihre Noth, und erklärte, sie wolle sich
von ihrem Manne trennen. Der Vater jedoch, ein strenger und vernünftiger
Mann, gewährte ihr kein Nachtquartier, soudern schickte sie sogleich wieder zurück.
An der Fähre angekommen, rief sie bittend und flehend über den Fluß hinüber
nach ihrem Manne; dieser ließ sie aber jenseits des Brazvs die ganze Nacht
hindurch warten, und nahm sie erst am folgenden Morgen als bußfertige
Sünderin in sein Hans ans. Diese..Lection soll sie ein wenig verständiger gemacht
haben. —

Nachdem wir zur Abendmahlzeit unsern Kaffee, Maisbrod, gebratenen Speck
und gesalzenes Schweinefleisch, diesmal bei Tafelmusik, verzehrt hatten, legten wir
uns nieder. Nach amerikanischer Sitte waren die Betten zweischläfrig, und ich mußte
mit meinem Reisegefährten zusammenschlafen; das Bett stand dicht am Fenster,
welches während der Nacht nicht geschlossen werden konnte; die Nacht war feucht
und kalt, und wir hatten als Bedeckung nur eine einzige Steppdecke; eine Folge
davon war, daß ich, des amerikanischen Landlebens noch ungewohnt, von einem
heftigen Schnupfen und Husten befallen wurde, von dem ich mich erst nach meh¬
reren Wochen wieder befreien konnte; aber während dieser Zeit härtete ich meinen
Körper gegen solche Einflüsse so ab, daß ich später, obgleich ich mich wei
größeren Unannehmlichkeiten unterziehen mußte, nie wieder ähnliche Einwirkungen
erfahren-habe.




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[0304] gleichem Werthe, und diese wollte natürlich mein Kamerad als schwierig trans¬ portable Gegenstände nicht annehmen. So blieb die Sache beim Alten. Als Zeugniß für den vortrefflichen Charakter dieser Lady erzählte mir der Grobschmied folgende Anekdote. Ihr Mann, der Fährmann, besaß einen Neger¬ sclaven, einen körperlich wohlgebildeten Menschen von einnehmenden Aeußern und wirklich gentlemanartiger Haltung, dieser hatte sich mit .einer Negerin, die ebenfalls im Besitz deö Fährmanns war, verheirathet, und ans dieser Ehe war mit der Zeit eine ziemlich starke Familie hervorgegangen. Die Herrin war ans irgend einem Grunde dieser Familie nicht gewogen und warf wol auch ein nei¬ disches Ange auf sie, weil sie durch Melonen und andere Erzeugnisse, die sie auf dem ihnen angewiesenen Feldchen zogen, bisweilen einige Cents erwarben. Um sich der Mühe, wiederum neidisch zu werden, zu entheben, schnitt die Lady eines Tages die unreifen Melonen der Neger ab und raubte thuen so die Aussicht auf den geringen Nebenverdienst. Ihr Mann machte ihr nun wegen ihres Benehmens Vorwürfe. Da sie glaubte, es sei ihr Unrecht geschehen, so verließ sie Abends heimlich das Hans ihres Mannes, ließ sich,.über den BrazvS fahren, klagte ihren jenseits des BottomS wohnenden Aelt.ern ihre Noth, und erklärte, sie wolle sich von ihrem Manne trennen. Der Vater jedoch, ein strenger und vernünftiger Mann, gewährte ihr kein Nachtquartier, soudern schickte sie sogleich wieder zurück. An der Fähre angekommen, rief sie bittend und flehend über den Fluß hinüber nach ihrem Manne; dieser ließ sie aber jenseits des Brazvs die ganze Nacht hindurch warten, und nahm sie erst am folgenden Morgen als bußfertige Sünderin in sein Hans ans. Diese..Lection soll sie ein wenig verständiger gemacht haben. — Nachdem wir zur Abendmahlzeit unsern Kaffee, Maisbrod, gebratenen Speck und gesalzenes Schweinefleisch, diesmal bei Tafelmusik, verzehrt hatten, legten wir uns nieder. Nach amerikanischer Sitte waren die Betten zweischläfrig, und ich mußte mit meinem Reisegefährten zusammenschlafen; das Bett stand dicht am Fenster, welches während der Nacht nicht geschlossen werden konnte; die Nacht war feucht und kalt, und wir hatten als Bedeckung nur eine einzige Steppdecke; eine Folge davon war, daß ich, des amerikanischen Landlebens noch ungewohnt, von einem heftigen Schnupfen und Husten befallen wurde, von dem ich mich erst nach meh¬ reren Wochen wieder befreien konnte; aber während dieser Zeit härtete ich meinen Körper gegen solche Einflüsse so ab, daß ich später, obgleich ich mich wei größeren Unannehmlichkeiten unterziehen mußte, nie wieder ähnliche Einwirkungen erfahren-habe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/304>, abgerufen am 27.09.2024.