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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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in Louisiana und Texas als Farmer, Arbeiter, Gauner u. s. w. sich umherge¬
trieben hatte, an mich anzuschließen; da mir sein Charakter immer mehr und mehr
verdächtig vorkam, so lieh ich ihm spater 10 Cent und wurde ihn auf diese
Weise los.

Mit diesen Beiden nahm ich, als wir in Galveston landeten und gezwungen
waren, einige Tage auf ein Dampfschiff zu warten, welches uns von Galveston
nach Houston bringen sollte, um recht sparsam leben zu können, als Lodging ein
Waarenhaus ein. Der Fußboden war zwar gedielt, aber durch die Fugen sah
man das Meer; die Hinter- und Seitenwände bestanden ans Bietern, die Vorder¬
seite aus Latten. So lagen wir Drei, und außerdem ein junger amerikanischer
Schulmeister mit seiner hübschen Frau, und ein Farmer ans Arkausas mit Frau
und Kindern, die ihre Heimath verließen, um in Texas bessere Wohnplätze auf¬
zusuchen, zwischen Surupfässeru und Mehltonnen. Als ich den folgenden Morgen
erwachte, hatte ich mich mit meiner Steppdecke, die zu gleicher Zeit die Stelle der
Unter- und Oberbetten vertreten mußte, im Syrup herumbewegt. Zu unsrem
Aerger kam nun noch der Capitain des Dampfschiffes, dem dieses Waarenhaus
gehörte, und befahl uns drei Deutschen, unser Lodging zu räumen, während er
den beiden amerikanischen Familien aus Galanterie gegen die Damen gestattete,
noch längere Zeit darin zu bleiben. Hieraus verjagt gingen wir in ein anderes
Dampfboot, das unterdessen von Houston angekommen war, und brachten wirklich
hier, ohne wieder vertrieben zu werdeu, die Nacht hin, freilich wo möglich noch
erbärmlicher als früher, da der Fußboden eher einem Moraste, als einem gedielten
Decke ähnlich sah. Wir trugen aber alle diese Unannehmlichkeiten mit Gleich¬
muth und Humor, in dem Bewußtsein, daß wir Geld sparten. Außerdem hatte
es für mich, zumal da mich in Galveston keine Seele kannte, einen ganz
besondern Reiz, auch einmal zu erfahren, wie Kleider und Geldbeutel Leute
machen.

Das Galvestou-Houston-Dampfboot, welches wir jetzt betreten hatten, gewährte
Deckpassagieren noch weniger Bequemlichkeit als das New-Orleans-Galvestou-
Dampsschiff, indem man nicht einmal einen Platz finden konnte, um dem durch
die langen Mühsale >und Entbehrungen ermüdeten Körper einige Ruhe zu ver¬
schaffe". Der Preis für die Deckpassage war IV2 Dollar, für die Cajüte
3 Dollars. Mau rechnete 8 Stunden für die ganze Fahrt, und wir hofften dar^
nach, da wir ungefähr 3 Uhr Nachmittags Galveston verließen, gegen 11 Uhr
Abends in Houston einzutreffen. Doch auch jetzt wiederum stellte sich ein neues
Hinderniß in den Weg. Gegen 8 Uhr, als ich mich so eben auf meinem Koffer,
dicht neben der Maschine ein wenig niedergelassen hatte, zweifelnd, ob ich ver¬
suchen sollte, die Nacht schlafend oder wachend zuzubringen, hörte ich über und
neben mir ein Paar rasch auf einander folgende gewaltige Schläge, und geriet!)
in neue Zweifel: sollte ich die Flucht ergreisen, od'er sitzen bleiben? Da kam mir


in Louisiana und Texas als Farmer, Arbeiter, Gauner u. s. w. sich umherge¬
trieben hatte, an mich anzuschließen; da mir sein Charakter immer mehr und mehr
verdächtig vorkam, so lieh ich ihm spater 10 Cent und wurde ihn auf diese
Weise los.

Mit diesen Beiden nahm ich, als wir in Galveston landeten und gezwungen
waren, einige Tage auf ein Dampfschiff zu warten, welches uns von Galveston
nach Houston bringen sollte, um recht sparsam leben zu können, als Lodging ein
Waarenhaus ein. Der Fußboden war zwar gedielt, aber durch die Fugen sah
man das Meer; die Hinter- und Seitenwände bestanden ans Bietern, die Vorder¬
seite aus Latten. So lagen wir Drei, und außerdem ein junger amerikanischer
Schulmeister mit seiner hübschen Frau, und ein Farmer ans Arkausas mit Frau
und Kindern, die ihre Heimath verließen, um in Texas bessere Wohnplätze auf¬
zusuchen, zwischen Surupfässeru und Mehltonnen. Als ich den folgenden Morgen
erwachte, hatte ich mich mit meiner Steppdecke, die zu gleicher Zeit die Stelle der
Unter- und Oberbetten vertreten mußte, im Syrup herumbewegt. Zu unsrem
Aerger kam nun noch der Capitain des Dampfschiffes, dem dieses Waarenhaus
gehörte, und befahl uns drei Deutschen, unser Lodging zu räumen, während er
den beiden amerikanischen Familien aus Galanterie gegen die Damen gestattete,
noch längere Zeit darin zu bleiben. Hieraus verjagt gingen wir in ein anderes
Dampfboot, das unterdessen von Houston angekommen war, und brachten wirklich
hier, ohne wieder vertrieben zu werdeu, die Nacht hin, freilich wo möglich noch
erbärmlicher als früher, da der Fußboden eher einem Moraste, als einem gedielten
Decke ähnlich sah. Wir trugen aber alle diese Unannehmlichkeiten mit Gleich¬
muth und Humor, in dem Bewußtsein, daß wir Geld sparten. Außerdem hatte
es für mich, zumal da mich in Galveston keine Seele kannte, einen ganz
besondern Reiz, auch einmal zu erfahren, wie Kleider und Geldbeutel Leute
machen.

Das Galvestou-Houston-Dampfboot, welches wir jetzt betreten hatten, gewährte
Deckpassagieren noch weniger Bequemlichkeit als das New-Orleans-Galvestou-
Dampsschiff, indem man nicht einmal einen Platz finden konnte, um dem durch
die langen Mühsale >und Entbehrungen ermüdeten Körper einige Ruhe zu ver¬
schaffe». Der Preis für die Deckpassage war IV2 Dollar, für die Cajüte
3 Dollars. Mau rechnete 8 Stunden für die ganze Fahrt, und wir hofften dar^
nach, da wir ungefähr 3 Uhr Nachmittags Galveston verließen, gegen 11 Uhr
Abends in Houston einzutreffen. Doch auch jetzt wiederum stellte sich ein neues
Hinderniß in den Weg. Gegen 8 Uhr, als ich mich so eben auf meinem Koffer,
dicht neben der Maschine ein wenig niedergelassen hatte, zweifelnd, ob ich ver¬
suchen sollte, die Nacht schlafend oder wachend zuzubringen, hörte ich über und
neben mir ein Paar rasch auf einander folgende gewaltige Schläge, und geriet!)
in neue Zweifel: sollte ich die Flucht ergreisen, od'er sitzen bleiben? Da kam mir


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[0296] in Louisiana und Texas als Farmer, Arbeiter, Gauner u. s. w. sich umherge¬ trieben hatte, an mich anzuschließen; da mir sein Charakter immer mehr und mehr verdächtig vorkam, so lieh ich ihm spater 10 Cent und wurde ihn auf diese Weise los. Mit diesen Beiden nahm ich, als wir in Galveston landeten und gezwungen waren, einige Tage auf ein Dampfschiff zu warten, welches uns von Galveston nach Houston bringen sollte, um recht sparsam leben zu können, als Lodging ein Waarenhaus ein. Der Fußboden war zwar gedielt, aber durch die Fugen sah man das Meer; die Hinter- und Seitenwände bestanden ans Bietern, die Vorder¬ seite aus Latten. So lagen wir Drei, und außerdem ein junger amerikanischer Schulmeister mit seiner hübschen Frau, und ein Farmer ans Arkausas mit Frau und Kindern, die ihre Heimath verließen, um in Texas bessere Wohnplätze auf¬ zusuchen, zwischen Surupfässeru und Mehltonnen. Als ich den folgenden Morgen erwachte, hatte ich mich mit meiner Steppdecke, die zu gleicher Zeit die Stelle der Unter- und Oberbetten vertreten mußte, im Syrup herumbewegt. Zu unsrem Aerger kam nun noch der Capitain des Dampfschiffes, dem dieses Waarenhaus gehörte, und befahl uns drei Deutschen, unser Lodging zu räumen, während er den beiden amerikanischen Familien aus Galanterie gegen die Damen gestattete, noch längere Zeit darin zu bleiben. Hieraus verjagt gingen wir in ein anderes Dampfboot, das unterdessen von Houston angekommen war, und brachten wirklich hier, ohne wieder vertrieben zu werdeu, die Nacht hin, freilich wo möglich noch erbärmlicher als früher, da der Fußboden eher einem Moraste, als einem gedielten Decke ähnlich sah. Wir trugen aber alle diese Unannehmlichkeiten mit Gleich¬ muth und Humor, in dem Bewußtsein, daß wir Geld sparten. Außerdem hatte es für mich, zumal da mich in Galveston keine Seele kannte, einen ganz besondern Reiz, auch einmal zu erfahren, wie Kleider und Geldbeutel Leute machen. Das Galvestou-Houston-Dampfboot, welches wir jetzt betreten hatten, gewährte Deckpassagieren noch weniger Bequemlichkeit als das New-Orleans-Galvestou- Dampsschiff, indem man nicht einmal einen Platz finden konnte, um dem durch die langen Mühsale >und Entbehrungen ermüdeten Körper einige Ruhe zu ver¬ schaffe». Der Preis für die Deckpassage war IV2 Dollar, für die Cajüte 3 Dollars. Mau rechnete 8 Stunden für die ganze Fahrt, und wir hofften dar^ nach, da wir ungefähr 3 Uhr Nachmittags Galveston verließen, gegen 11 Uhr Abends in Houston einzutreffen. Doch auch jetzt wiederum stellte sich ein neues Hinderniß in den Weg. Gegen 8 Uhr, als ich mich so eben auf meinem Koffer, dicht neben der Maschine ein wenig niedergelassen hatte, zweifelnd, ob ich ver¬ suchen sollte, die Nacht schlafend oder wachend zuzubringen, hörte ich über und neben mir ein Paar rasch auf einander folgende gewaltige Schläge, und geriet!) in neue Zweifel: sollte ich die Flucht ergreisen, od'er sitzen bleiben? Da kam mir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/296>, abgerufen am 27.09.2024.