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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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diesem Zustande mit Essig und Oel vielen Amerikanern für besondere Delicatesse
gelten, nie einen besondern Geschmack finden. Der auf den Speisetafeln der
Amerikaner nie fehlende spanische Pfeffer war auch auf dem Markte in bedeutender
Auswahl anzutreffen. '

Was meine Aufmerksamkeit aber besonders in Anspruch nahm, das
war die reiche Auswahl von Südfrüchten und die geschmackvolle Anordnung,
in welcher sie sich dem Beschauer darboten. Niemals sah ich sie, wie bei
uns sast stets der Fall ist, wie Kraut und Rüben hingeworfen, vielmehr waren sie
zierlich in regelmäßigen Formen von Pyramiden oder als goldene Mauern, der
Größe und Qualität nach geordnet, aufgebaut; neben den südlichen Apfelsinen
prangten die nordischen Reiuetteäpfxl in einer Große und von einem Wohlgeschmacke,
wie man sie in Deutschland kaum finden mochte; daneben Feigen, Rosinen, Man¬
deln, Bmzilnnts, Peccanuts, Haselnüsse, Kastanien; auch die Beannnts, eine
Hülsenfrncht, welche geröstet der Kastanie und dem Cacao an Wohlgeschmack nahe
steht; die mehlige" Bananen und vor Allem die Cocosnüsse durften nie fehlen.

Die Verkäufer waren weiße Männer und gelbe, braune und schwarze Männer
und Frauen, Mischlinge vou Negern und Weißen oder Indianern, hier und da
indianische Weiber, welche Wurzeln und medicinische Kräuter, oder Körbe und
Fächer aus den Blättern der Palmito zum Verkauf anboten. Die Käufer waren
weiße Herren in schwarzen Leibröcken, den Handkorb am Arme, oder farbige
Männer und Frauen, einige der letztere" stattlich herausgeputzt, andere in schmuzige,
abgetragene Kleidungsstücke gehüllt. Die Sprache, welche man an den Tischen
der Verkäufer hörte, war hier rein englisch, dort der breite Negerdialekt, dort
französisch, hier hoch-, da platt-, dort schweizerisch-deutsch, hier und da spanisch,
und an einigen Stellen cinz'elne Worte aus dem Munde der Rothhäute -- kurz
ein Gemisch der verschiedensten Mundarten, welches unwillkürlich an den babyloni¬
schen Thurmbau erinnerte.

Die Breaksast-Stunde nahte: mit hungrigem Magen, voll von Erwartung
der. Dinge, die da kommen sollten, passirte ich die Austerläden mit ihren hohen
Hausen von Leckerbissen, die kleinen, ärmlichen Gewölbe, in welchen-geröstete Kasta¬
nien zum Eintritt einluden, und die Ausstellungen von Pökelknochen, den Lieblings¬
speisen der Schwarzen. Mein Appetit war durch die mannichfachen Anschauungen
in hohem Grade angeregt, und sicherlich war es kein leichtes Werk, ihn zu be¬
friedigen; aber ich muß zur Ehre meines Bvarding gestehen: die Wirthin hatte
geleistet, was in ihren Kräften stand, und Gaumen und Magen hätten die Gour-
mandise besser studirt haben müssen, wenn sie durch Kaffee, Eierspeisen, gebratene
Austern, geröstete Bauanen und eine Auswahl verschiedener Braten nicht hätten
befriedigt werden können. Vollständig gesättigt, vielleicht vollständiger, als die
Regeln der Mäßigkeit vorschrieben, erhob ich mich, nicht ohne vorher den Ent¬
schluß gefaßt zu haben, Mnftig meinem Appetite mit mehr Energie entgegenzutreten.


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diesem Zustande mit Essig und Oel vielen Amerikanern für besondere Delicatesse
gelten, nie einen besondern Geschmack finden. Der auf den Speisetafeln der
Amerikaner nie fehlende spanische Pfeffer war auch auf dem Markte in bedeutender
Auswahl anzutreffen. '

Was meine Aufmerksamkeit aber besonders in Anspruch nahm, das
war die reiche Auswahl von Südfrüchten und die geschmackvolle Anordnung,
in welcher sie sich dem Beschauer darboten. Niemals sah ich sie, wie bei
uns sast stets der Fall ist, wie Kraut und Rüben hingeworfen, vielmehr waren sie
zierlich in regelmäßigen Formen von Pyramiden oder als goldene Mauern, der
Größe und Qualität nach geordnet, aufgebaut; neben den südlichen Apfelsinen
prangten die nordischen Reiuetteäpfxl in einer Große und von einem Wohlgeschmacke,
wie man sie in Deutschland kaum finden mochte; daneben Feigen, Rosinen, Man¬
deln, Bmzilnnts, Peccanuts, Haselnüsse, Kastanien; auch die Beannnts, eine
Hülsenfrncht, welche geröstet der Kastanie und dem Cacao an Wohlgeschmack nahe
steht; die mehlige» Bananen und vor Allem die Cocosnüsse durften nie fehlen.

Die Verkäufer waren weiße Männer und gelbe, braune und schwarze Männer
und Frauen, Mischlinge vou Negern und Weißen oder Indianern, hier und da
indianische Weiber, welche Wurzeln und medicinische Kräuter, oder Körbe und
Fächer aus den Blättern der Palmito zum Verkauf anboten. Die Käufer waren
weiße Herren in schwarzen Leibröcken, den Handkorb am Arme, oder farbige
Männer und Frauen, einige der letztere» stattlich herausgeputzt, andere in schmuzige,
abgetragene Kleidungsstücke gehüllt. Die Sprache, welche man an den Tischen
der Verkäufer hörte, war hier rein englisch, dort der breite Negerdialekt, dort
französisch, hier hoch-, da platt-, dort schweizerisch-deutsch, hier und da spanisch,
und an einigen Stellen cinz'elne Worte aus dem Munde der Rothhäute — kurz
ein Gemisch der verschiedensten Mundarten, welches unwillkürlich an den babyloni¬
schen Thurmbau erinnerte.

Die Breaksast-Stunde nahte: mit hungrigem Magen, voll von Erwartung
der. Dinge, die da kommen sollten, passirte ich die Austerläden mit ihren hohen
Hausen von Leckerbissen, die kleinen, ärmlichen Gewölbe, in welchen-geröstete Kasta¬
nien zum Eintritt einluden, und die Ausstellungen von Pökelknochen, den Lieblings¬
speisen der Schwarzen. Mein Appetit war durch die mannichfachen Anschauungen
in hohem Grade angeregt, und sicherlich war es kein leichtes Werk, ihn zu be¬
friedigen; aber ich muß zur Ehre meines Bvarding gestehen: die Wirthin hatte
geleistet, was in ihren Kräften stand, und Gaumen und Magen hätten die Gour-
mandise besser studirt haben müssen, wenn sie durch Kaffee, Eierspeisen, gebratene
Austern, geröstete Bauanen und eine Auswahl verschiedener Braten nicht hätten
befriedigt werden können. Vollständig gesättigt, vielleicht vollständiger, als die
Regeln der Mäßigkeit vorschrieben, erhob ich mich, nicht ohne vorher den Ent¬
schluß gefaßt zu haben, Mnftig meinem Appetite mit mehr Energie entgegenzutreten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/293>, abgerufen am 27.09.2024.