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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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-auch dem Vortheil des Landes gemäß sei, "daß auf einer Universität eine Va¬
rietät von solchen Bieren, als die Studirenden bei Tische trinken wollen, in hin¬
länglicher Güte und wohlschmeckend vorhanden sei," und daß der deutsche Gelehrte
anch noch zu singen und zu zechen und mit der Jugend unbefangen fröhlich zu
sein versteht -- scharfe Kritiker konnten freilich auch hier die stets geübte und zu
anderer Natur gewordene Schärfe nicht unterdrücken; aber keiner verdarb den
Spaß, und selbst die gegenseitigen freundschaftlichen Hänseleien unsrer jungen
Leute, die sie mit wenig Witz und viel Behagen an das Forum der Oeffentlichkeit
brachten, fanden hier wenigstens Verzeihung. Eine andere Lustpartie, die die
ganze Gesellschaft vereinigen sollte, eine von der Stadt Göttingen veranstaltete
Fahrtpartie nach der schonen Ruine Hardenberg, wurde zwar nicht ganz gestört,
aber doch getrübt durch das schlechte Wetter, das in jenen Tagen hier fortwäh¬
rend herrschte. Aber der gute Wille, die geschickte Veranstaltung traten auch
nnter den ungünstigen Umständen so deutlich hervor, daß sich Niemand die Laune
verderben ließ.

Die Versammlung selbst war nicht eben zahlreich; im Ganzen zählte das Ver¬
zeichnis 87 Mitglieder: Hermann an der Spitze, am Schlüsse Wiese, den jüngst-
creirten Berliner Ministerialrath, dem es erst spät gelungen war, sich der Wucht
der neuen, ans ihm lastenden Geschäfte ans kurze Zeit zu entledigen; aber sie
zählte außer den hiesigen Notabilitäten viele Namen guten Klanges. Außer den
schon Genaunten seien z. B. uoch Trendelenburg und Gerhard ans Berlin, Bern¬
hards) und Eckstein aus Halle, Rost und Wüstcmanu ans Gotha, Petersen und
Ullrich aus Hamburg, Wex ans Schwerin, Steinhart ans Schulpforta, Haase
aus Breslau, Krüger aus Braunschweig, Fleischer aus Leipzig, Holtzmann aus
Karlsruhe, Halm aus München, Classen aus Lübeck, Lübker aus Parchim, Fleck¬
eisen aus Dresden, G. Curtius aus Prag u. s. w. genannt, um zu zeige", daß
wir trefflicher Gäste uns zu rühmen hatten. Einer derselben, der ehrwürdige
Schulrath Grotefend ans Hannover, der vor jetzt einem halben Jahrhundert den
ersten folgenreichen Schritt zur Entzifferung ' der Keilschrift that und noch jetzt
rüstig diesen Studien obliegt, wurde vou den Orientalisten in einer Adresse
geehrt, in der Versammlung der Philologen feierlich begrüßt; eine zweite Be¬
grüßung dnrch eine zierlich stylisirte, lateinische Adresse galt dem nestorischen Greise
Mitscherlich, dem Senior unsrer Universität, eine dritte dem trefflichen Lobeck in
Königsberg, der im Laufe des Jahres sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum ge¬
feiert hat. Deu schönsten und frischesten Gruß erhielt Bökh durch ein lautes
Hoch, ans er am Vorabende unter den im Saale der Krone Versammelten
erschien. -- In wem aber der Versammelten hätte nicht auf's Neue das Gefühl
um den unauslöschlichen Verlust sich mit erneuter Stärke erhoben, den die Georgia
Augusta wie die Wissenschaft durch Otfried Müller's Hintritt erlitten hat? und wer
betrat die Räume des den Gästen willig geöffneten literarischen Museums, einst


-auch dem Vortheil des Landes gemäß sei, „daß auf einer Universität eine Va¬
rietät von solchen Bieren, als die Studirenden bei Tische trinken wollen, in hin¬
länglicher Güte und wohlschmeckend vorhanden sei," und daß der deutsche Gelehrte
anch noch zu singen und zu zechen und mit der Jugend unbefangen fröhlich zu
sein versteht — scharfe Kritiker konnten freilich auch hier die stets geübte und zu
anderer Natur gewordene Schärfe nicht unterdrücken; aber keiner verdarb den
Spaß, und selbst die gegenseitigen freundschaftlichen Hänseleien unsrer jungen
Leute, die sie mit wenig Witz und viel Behagen an das Forum der Oeffentlichkeit
brachten, fanden hier wenigstens Verzeihung. Eine andere Lustpartie, die die
ganze Gesellschaft vereinigen sollte, eine von der Stadt Göttingen veranstaltete
Fahrtpartie nach der schonen Ruine Hardenberg, wurde zwar nicht ganz gestört,
aber doch getrübt durch das schlechte Wetter, das in jenen Tagen hier fortwäh¬
rend herrschte. Aber der gute Wille, die geschickte Veranstaltung traten auch
nnter den ungünstigen Umständen so deutlich hervor, daß sich Niemand die Laune
verderben ließ.

Die Versammlung selbst war nicht eben zahlreich; im Ganzen zählte das Ver¬
zeichnis 87 Mitglieder: Hermann an der Spitze, am Schlüsse Wiese, den jüngst-
creirten Berliner Ministerialrath, dem es erst spät gelungen war, sich der Wucht
der neuen, ans ihm lastenden Geschäfte ans kurze Zeit zu entledigen; aber sie
zählte außer den hiesigen Notabilitäten viele Namen guten Klanges. Außer den
schon Genaunten seien z. B. uoch Trendelenburg und Gerhard ans Berlin, Bern¬
hards) und Eckstein aus Halle, Rost und Wüstcmanu ans Gotha, Petersen und
Ullrich aus Hamburg, Wex ans Schwerin, Steinhart ans Schulpforta, Haase
aus Breslau, Krüger aus Braunschweig, Fleischer aus Leipzig, Holtzmann aus
Karlsruhe, Halm aus München, Classen aus Lübeck, Lübker aus Parchim, Fleck¬
eisen aus Dresden, G. Curtius aus Prag u. s. w. genannt, um zu zeige«, daß
wir trefflicher Gäste uns zu rühmen hatten. Einer derselben, der ehrwürdige
Schulrath Grotefend ans Hannover, der vor jetzt einem halben Jahrhundert den
ersten folgenreichen Schritt zur Entzifferung ' der Keilschrift that und noch jetzt
rüstig diesen Studien obliegt, wurde vou den Orientalisten in einer Adresse
geehrt, in der Versammlung der Philologen feierlich begrüßt; eine zweite Be¬
grüßung dnrch eine zierlich stylisirte, lateinische Adresse galt dem nestorischen Greise
Mitscherlich, dem Senior unsrer Universität, eine dritte dem trefflichen Lobeck in
Königsberg, der im Laufe des Jahres sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum ge¬
feiert hat. Deu schönsten und frischesten Gruß erhielt Bökh durch ein lautes
Hoch, ans er am Vorabende unter den im Saale der Krone Versammelten
erschien. — In wem aber der Versammelten hätte nicht auf's Neue das Gefühl
um den unauslöschlichen Verlust sich mit erneuter Stärke erhoben, den die Georgia
Augusta wie die Wissenschaft durch Otfried Müller's Hintritt erlitten hat? und wer
betrat die Räume des den Gästen willig geöffneten literarischen Museums, einst


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[0281] -auch dem Vortheil des Landes gemäß sei, „daß auf einer Universität eine Va¬ rietät von solchen Bieren, als die Studirenden bei Tische trinken wollen, in hin¬ länglicher Güte und wohlschmeckend vorhanden sei," und daß der deutsche Gelehrte anch noch zu singen und zu zechen und mit der Jugend unbefangen fröhlich zu sein versteht — scharfe Kritiker konnten freilich auch hier die stets geübte und zu anderer Natur gewordene Schärfe nicht unterdrücken; aber keiner verdarb den Spaß, und selbst die gegenseitigen freundschaftlichen Hänseleien unsrer jungen Leute, die sie mit wenig Witz und viel Behagen an das Forum der Oeffentlichkeit brachten, fanden hier wenigstens Verzeihung. Eine andere Lustpartie, die die ganze Gesellschaft vereinigen sollte, eine von der Stadt Göttingen veranstaltete Fahrtpartie nach der schonen Ruine Hardenberg, wurde zwar nicht ganz gestört, aber doch getrübt durch das schlechte Wetter, das in jenen Tagen hier fortwäh¬ rend herrschte. Aber der gute Wille, die geschickte Veranstaltung traten auch nnter den ungünstigen Umständen so deutlich hervor, daß sich Niemand die Laune verderben ließ. Die Versammlung selbst war nicht eben zahlreich; im Ganzen zählte das Ver¬ zeichnis 87 Mitglieder: Hermann an der Spitze, am Schlüsse Wiese, den jüngst- creirten Berliner Ministerialrath, dem es erst spät gelungen war, sich der Wucht der neuen, ans ihm lastenden Geschäfte ans kurze Zeit zu entledigen; aber sie zählte außer den hiesigen Notabilitäten viele Namen guten Klanges. Außer den schon Genaunten seien z. B. uoch Trendelenburg und Gerhard ans Berlin, Bern¬ hards) und Eckstein aus Halle, Rost und Wüstcmanu ans Gotha, Petersen und Ullrich aus Hamburg, Wex ans Schwerin, Steinhart ans Schulpforta, Haase aus Breslau, Krüger aus Braunschweig, Fleischer aus Leipzig, Holtzmann aus Karlsruhe, Halm aus München, Classen aus Lübeck, Lübker aus Parchim, Fleck¬ eisen aus Dresden, G. Curtius aus Prag u. s. w. genannt, um zu zeige«, daß wir trefflicher Gäste uns zu rühmen hatten. Einer derselben, der ehrwürdige Schulrath Grotefend ans Hannover, der vor jetzt einem halben Jahrhundert den ersten folgenreichen Schritt zur Entzifferung ' der Keilschrift that und noch jetzt rüstig diesen Studien obliegt, wurde vou den Orientalisten in einer Adresse geehrt, in der Versammlung der Philologen feierlich begrüßt; eine zweite Be¬ grüßung dnrch eine zierlich stylisirte, lateinische Adresse galt dem nestorischen Greise Mitscherlich, dem Senior unsrer Universität, eine dritte dem trefflichen Lobeck in Königsberg, der im Laufe des Jahres sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum ge¬ feiert hat. Deu schönsten und frischesten Gruß erhielt Bökh durch ein lautes Hoch, ans er am Vorabende unter den im Saale der Krone Versammelten erschien. — In wem aber der Versammelten hätte nicht auf's Neue das Gefühl um den unauslöschlichen Verlust sich mit erneuter Stärke erhoben, den die Georgia Augusta wie die Wissenschaft durch Otfried Müller's Hintritt erlitten hat? und wer betrat die Räume des den Gästen willig geöffneten literarischen Museums, einst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/281>, abgerufen am 27.09.2024.