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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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schiedene Schattirung bekommen hat; seine immer noch helle Farbe harmonirt
vortrefflich mit dem freien und heitern Charakter des ganzen Baues, dessen
lange Seite, welche den Platz begrenzt, mit ihrem unvergleichlichen Portal der
gewaltigen Wirkung der Vorderfront mindestens gleichkommt. Wenn die strenge
Hoheit des germanischen Styls, seine düstre Ascetik das Herz mit Gefühlen einer
geheimnißvollen Ehrfurcht und Andacht erfüllen, so verbindet der romanische mit
dem Grandiosen eine heitere Schönheit, welche die Seele gleichsam beflügelt und
nach oben trägt. Ich stand lauge verloren in den Zauber dieses Anblicks, ehe
ich in das Innere des Doms trat. Der erste Eindruck desselben ist nicht weniger
großartig; es hat drei breite Schiffe, deren mittelstes, von einer Höhe von mehr
als 80 Fuß, von seinen beiden Enden-volle Beleuchtung erhält. Das Innere
des Hauses ist von der schmucklosesten Einfachheit; in der Mitte befindet
sich das Grabdenkmal Kaiser Heinrich's II., des Gründers der Kirche, von pcm-
schem Marmor; die Basreliefs an den Seiten enthalten Scenen aus dem
Leben des Herrschers und seiner Gemahlin, der heiligen Kunigunde, unter
anderen die Feuerprobe, die der eifersüchtige Monarch, dem die Kirche wegen
seiner Begünstigung der Geistlichkeit den Namen des Heiligen gab, seine
Gattin bestehen ließ, um eines ungerechten, ehelichen Verdachtes willen.
Die Seitenschiffe enthalten alte byzantinische Steinarbeiten, im Hauptschiff be¬
findet sich eine Nciterfignr, die, entsinne ich mich recht, Kaiser Conrad, den ersten
Hohenstaufen darstellt. Unter dem Mittelschiff nach dem Eingange zu ist eine
Krypte, mit uralten Grabdenkmälern, deren Ursprung bis in's zehnte Jahrhundert
zurückreicht. Der Dom wurde im ersten Viertel des eilften, in dem damals noch
vorherrschenden romanischen Style erbaut. Leider wurde er 60 Jahre später
theilweise durch den Blitz zerstört, und, da indessen der germanische Styl sich zu
bilden begonnen hatte, in diesem hergestellt. Hauptsächlich ist dies sichtbar in den
Wölbungen der Schiffe, an der Hinterfront und an der' obern Hälfte der vier
Thürme, deren jeder über 300 Fuß hoch ist. Da die germanische Banart damals
aber noch in ihren Anfangsgründen war, so ist der Contrast nicht sehr in die
Augen fallend und stört die Einheit des ganzen Baus uur wenig. König
Ludwig hat sich durch die Restauration des Innern großes > Verdienst erworben;
er ließ eine Menge Verzierungen und Sculpturen im Geschmack der Rococo-Zeit,
womit mau den Dom verunstaltet hatte, hinwegnehmen und gab ihm dadurch
seine ursprünglich edle Einfachheit wieder. Seine Fenster sind ohne Glasmalereien,
da der König, weil es zur Zeit der Gründung so gewesen, nicht zugab, daß
welche angebracht wurden. Ueber zwei Seitenaltären befinden sich neuere Ge¬
mälde. Eine Seitencapelle hat eine.Grablegung Christi vou Caracci, ein be¬
deutendes Bild, aber mit dem von van Dyk in der Egydienkirche nicht in Ver¬
gleich zu stellen. Von außen ist der Dom an einer seiner langen Seiten mit


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schiedene Schattirung bekommen hat; seine immer noch helle Farbe harmonirt
vortrefflich mit dem freien und heitern Charakter des ganzen Baues, dessen
lange Seite, welche den Platz begrenzt, mit ihrem unvergleichlichen Portal der
gewaltigen Wirkung der Vorderfront mindestens gleichkommt. Wenn die strenge
Hoheit des germanischen Styls, seine düstre Ascetik das Herz mit Gefühlen einer
geheimnißvollen Ehrfurcht und Andacht erfüllen, so verbindet der romanische mit
dem Grandiosen eine heitere Schönheit, welche die Seele gleichsam beflügelt und
nach oben trägt. Ich stand lauge verloren in den Zauber dieses Anblicks, ehe
ich in das Innere des Doms trat. Der erste Eindruck desselben ist nicht weniger
großartig; es hat drei breite Schiffe, deren mittelstes, von einer Höhe von mehr
als 80 Fuß, von seinen beiden Enden-volle Beleuchtung erhält. Das Innere
des Hauses ist von der schmucklosesten Einfachheit; in der Mitte befindet
sich das Grabdenkmal Kaiser Heinrich's II., des Gründers der Kirche, von pcm-
schem Marmor; die Basreliefs an den Seiten enthalten Scenen aus dem
Leben des Herrschers und seiner Gemahlin, der heiligen Kunigunde, unter
anderen die Feuerprobe, die der eifersüchtige Monarch, dem die Kirche wegen
seiner Begünstigung der Geistlichkeit den Namen des Heiligen gab, seine
Gattin bestehen ließ, um eines ungerechten, ehelichen Verdachtes willen.
Die Seitenschiffe enthalten alte byzantinische Steinarbeiten, im Hauptschiff be¬
findet sich eine Nciterfignr, die, entsinne ich mich recht, Kaiser Conrad, den ersten
Hohenstaufen darstellt. Unter dem Mittelschiff nach dem Eingange zu ist eine
Krypte, mit uralten Grabdenkmälern, deren Ursprung bis in's zehnte Jahrhundert
zurückreicht. Der Dom wurde im ersten Viertel des eilften, in dem damals noch
vorherrschenden romanischen Style erbaut. Leider wurde er 60 Jahre später
theilweise durch den Blitz zerstört, und, da indessen der germanische Styl sich zu
bilden begonnen hatte, in diesem hergestellt. Hauptsächlich ist dies sichtbar in den
Wölbungen der Schiffe, an der Hinterfront und an der' obern Hälfte der vier
Thürme, deren jeder über 300 Fuß hoch ist. Da die germanische Banart damals
aber noch in ihren Anfangsgründen war, so ist der Contrast nicht sehr in die
Augen fallend und stört die Einheit des ganzen Baus uur wenig. König
Ludwig hat sich durch die Restauration des Innern großes > Verdienst erworben;
er ließ eine Menge Verzierungen und Sculpturen im Geschmack der Rococo-Zeit,
womit mau den Dom verunstaltet hatte, hinwegnehmen und gab ihm dadurch
seine ursprünglich edle Einfachheit wieder. Seine Fenster sind ohne Glasmalereien,
da der König, weil es zur Zeit der Gründung so gewesen, nicht zugab, daß
welche angebracht wurden. Ueber zwei Seitenaltären befinden sich neuere Ge¬
mälde. Eine Seitencapelle hat eine.Grablegung Christi vou Caracci, ein be¬
deutendes Bild, aber mit dem von van Dyk in der Egydienkirche nicht in Ver¬
gleich zu stellen. Von außen ist der Dom an einer seiner langen Seiten mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/275>, abgerufen am 27.09.2024.