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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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folg Witze gemacht habe". Darum müssen wir deu Gedanken einer Allianz mit
der Demokratie als ganz unhaltbar bei Seite setzen.

Dagegen hat sich eine andere parlamentarische Partei gebildet, die, wenn
sie kräftig unterstützt wird, für unsere Zustände eine nicht geringere Bedeutung
haben kann, als unsere eigene. Wir meinen damit die eigentliche Centrums¬
partei, die Bethmann-Hollwegianer. Was man bis dahin Centrum nannte,
war uicht eine Partei, sondern eine Localität, der leere Raum zwischen der
Rechten und Linken, auf welchem die im Uebrigen braven und verständigen
Männer Platz nahmen, die zu liberal waren, um nicht vor den Theorien Ger-
lach's und Stahl's zurückzuschrecken, und die zu wenig an ihre eigenen Ideen
glaubten, um sie der executiveu Gewalt gegenüber zu vertreten. Die Beth¬
mann-Hollwegianer dagegen sind eine bestimmte, geschlossene Partei, die freilich
bisher nnr ans einem kleinen Kreise ehrenwerther, geistvoller und im Staats-
leben bewanderter Männer besteht, die aber voraussichtlich, bei der Abneigung
des Publicums gegen die Extreme, bei den neuen Wahlen einen reichen Spiel¬
raum sür ihre Thätigkeit finden wird. Es scheint uus nun sehr zweckmäßig,
schon jetzt in Aussicht auf die künftigen Wahlen darau zu erinnern, daß die Ver¬
stärkung dieser Partei ebenso in unsrem Interesse liegen muß, als die unsrer
eigenen.

Ein liberales Ministerium scheint uus wenigstens für den Laus der nächsten
Jahre fast eine eben solche Unmöglichkeit für Preußen, als die Herstellung der
deutschen Einheit. Ein Ministerium Bethmann-Hollweg dagegen ist nicht in
dem Grad eine Unmöglichkeit. Nun wissen wir ^ zwar sehr wohl, daß die Krone
sich durch den Ausgang parlamentarischer Debatten nicht wird bestimmen lassen,
ihre Rathgeber zu ändern; aber es ist doch etwas wesentlich Verschiedenes, ob
ein Kreis von 10 -- 20 Männern als Ministerium der Zukunft gegen die
bestehende Regierung Front macht, oder ob dieser Kreis an der Spitze einer
zahlreichen Schaar angesehener Männer auftritt. Natürlich kann man anch hier
keine mathematische Sicherheit ausrechnen, nicht einmal eine Wahrscheinlichkeits¬
formel, aber es ist doch damit eine Möglichkeit gegeben, und ohne diese ist nicht
einzusehen, worauf wir eigentlich hinarbeiten sollen.

Vor nllen Dingen aber müssen wir darauf denken, uns selbst zu rüsten,
damit unser Einfluß mit einigem Gewicht in die Wagschale fällt. Jeder Ein¬
zelne, so unbedeutend auch anscheinend seine Kräfte sein mögen, kann hier das
Seinige thun, und er darf vor keinem Opfer zurückschenen, denn er erfüllt da¬
mit eine Pflicht gegen das Vaterland.




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folg Witze gemacht habe». Darum müssen wir deu Gedanken einer Allianz mit
der Demokratie als ganz unhaltbar bei Seite setzen.

Dagegen hat sich eine andere parlamentarische Partei gebildet, die, wenn
sie kräftig unterstützt wird, für unsere Zustände eine nicht geringere Bedeutung
haben kann, als unsere eigene. Wir meinen damit die eigentliche Centrums¬
partei, die Bethmann-Hollwegianer. Was man bis dahin Centrum nannte,
war uicht eine Partei, sondern eine Localität, der leere Raum zwischen der
Rechten und Linken, auf welchem die im Uebrigen braven und verständigen
Männer Platz nahmen, die zu liberal waren, um nicht vor den Theorien Ger-
lach's und Stahl's zurückzuschrecken, und die zu wenig an ihre eigenen Ideen
glaubten, um sie der executiveu Gewalt gegenüber zu vertreten. Die Beth¬
mann-Hollwegianer dagegen sind eine bestimmte, geschlossene Partei, die freilich
bisher nnr ans einem kleinen Kreise ehrenwerther, geistvoller und im Staats-
leben bewanderter Männer besteht, die aber voraussichtlich, bei der Abneigung
des Publicums gegen die Extreme, bei den neuen Wahlen einen reichen Spiel¬
raum sür ihre Thätigkeit finden wird. Es scheint uus nun sehr zweckmäßig,
schon jetzt in Aussicht auf die künftigen Wahlen darau zu erinnern, daß die Ver¬
stärkung dieser Partei ebenso in unsrem Interesse liegen muß, als die unsrer
eigenen.

Ein liberales Ministerium scheint uus wenigstens für den Laus der nächsten
Jahre fast eine eben solche Unmöglichkeit für Preußen, als die Herstellung der
deutschen Einheit. Ein Ministerium Bethmann-Hollweg dagegen ist nicht in
dem Grad eine Unmöglichkeit. Nun wissen wir ^ zwar sehr wohl, daß die Krone
sich durch den Ausgang parlamentarischer Debatten nicht wird bestimmen lassen,
ihre Rathgeber zu ändern; aber es ist doch etwas wesentlich Verschiedenes, ob
ein Kreis von 10 — 20 Männern als Ministerium der Zukunft gegen die
bestehende Regierung Front macht, oder ob dieser Kreis an der Spitze einer
zahlreichen Schaar angesehener Männer auftritt. Natürlich kann man anch hier
keine mathematische Sicherheit ausrechnen, nicht einmal eine Wahrscheinlichkeits¬
formel, aber es ist doch damit eine Möglichkeit gegeben, und ohne diese ist nicht
einzusehen, worauf wir eigentlich hinarbeiten sollen.

Vor nllen Dingen aber müssen wir darauf denken, uns selbst zu rüsten,
damit unser Einfluß mit einigem Gewicht in die Wagschale fällt. Jeder Ein¬
zelne, so unbedeutend auch anscheinend seine Kräfte sein mögen, kann hier das
Seinige thun, und er darf vor keinem Opfer zurückschenen, denn er erfüllt da¬
mit eine Pflicht gegen das Vaterland.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/87>, abgerufen am 21.12.2024.