Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mariengroschen abgezahlt, denn niemals bezahlt der Bergmann eine Rechnung
thalcrweise, sondern jeder Wochenlohn wird in unzählige kleine Theile getheilt,
mit denen nicht allein die laufenden Ausgaben möglichst bestritten, sondern auch
die Gläubiger bedacht werdeu. Nicht der kleinste Theil des Lohnes wird für den
Schnaps, "Schink" genannt, ausgesetzt, der bei dem Souuabeudschmause eine
bedeutende Rolle spielt. Vor einigen Jahren gründete man in Se. Andreasberg
einen Mäßigkeitsverein, und die Bergleute.gelobten, keinen Schnaps mehr zu
trinken. Aber es zeigte sich bald, daß sie ihn mit Löffeln aßen. Damals ent¬
stand auch ein langes, haarsträubendes Lobgedicht auf den Brantwein, wonach
man glauben sollte, daß man es hier mit einer gänzlich ruinirten Bevölkerung zu
thun habe, was -- Dank sei es der kernigen Natur des Harzers -- denn doch
nicht der Fall ist. Gegen das Ende hin fordert der Dichter die Harzer anf,
dem Erfinder des Brantweins ein Denkmal zu errichten und spricht:


"Zieht eure Gläser aus der Tasche,
Gleichviel ob länglich oder kraus,
Legt sie zusammen, Fiasch' an Flasche,
Und baut ein Monument daraus.
Ach kämen sie herangeflogen
Die Buttel alle, groß und klein
So würde dieser Ehrenbogen '
Weit höher als der Blocksberg sein."

Die größte Tugend des Bergmanns ist uoch immer seine Häuslichkeit, wenn¬
gleich man leider nicht ohne Grund klagen mag, daß sie anfängt sich zu verrin¬
gern. Der echte Bergmann von altem Schrot geht höchstens am Sonntag
Nachmittag, wenn sein Schnaps zu früh alle wird, einmal zu seinem Kamerade"
um mit diesem zu trinken, wie denn anch, namentlich eben am Sonnabend Abend,
sich die verwandten Familien zum Schmause vereinigen, und besonders die ver-
heiratheten Kinder sich mit den Enkeln bei deren Großältern zu großen und
lustigen Gesellschaften zusammenfinden. Die gleichen materiellen Genüsse, welche
der Bergmann sich zu Hanse allenfalls verschaffen kann, im Wirthshause zu suchen,
gestattet seine Kasse nicht, und so sieht man denn freilich sein "Altes" oft genng
mit freundlichem Gesicht um die Ecke herumkommen, um für ihn "Schink
zu laugen".

Schon lange hat man daran gedacht, die Thätigkeit der Bergbewohner ans
allerlei Nebenbeschäftigungen zu lenken, da er des Tages nur 8 Stunden beim
Bergbau beschäftigt ist, wovon einige in die Nachtzeit fallen, und da als ältere
Nebenbeschäftigungen nur das Vogelsteller-("Vngclstallen") und etwas grobe Holz-
schnitzerei im Gange sind. Das wichtigste ist in dieser Beziehung, daß die Ar¬
beiter ans dem sächsischen Voigtlande verschwunden sind, welche sich hier in jedem
Sommer einstellten um Heu zu machen, und daß die jungen Bergleute vou Claus-


Mariengroschen abgezahlt, denn niemals bezahlt der Bergmann eine Rechnung
thalcrweise, sondern jeder Wochenlohn wird in unzählige kleine Theile getheilt,
mit denen nicht allein die laufenden Ausgaben möglichst bestritten, sondern auch
die Gläubiger bedacht werdeu. Nicht der kleinste Theil des Lohnes wird für den
Schnaps, „Schink" genannt, ausgesetzt, der bei dem Souuabeudschmause eine
bedeutende Rolle spielt. Vor einigen Jahren gründete man in Se. Andreasberg
einen Mäßigkeitsverein, und die Bergleute.gelobten, keinen Schnaps mehr zu
trinken. Aber es zeigte sich bald, daß sie ihn mit Löffeln aßen. Damals ent¬
stand auch ein langes, haarsträubendes Lobgedicht auf den Brantwein, wonach
man glauben sollte, daß man es hier mit einer gänzlich ruinirten Bevölkerung zu
thun habe, was — Dank sei es der kernigen Natur des Harzers — denn doch
nicht der Fall ist. Gegen das Ende hin fordert der Dichter die Harzer anf,
dem Erfinder des Brantweins ein Denkmal zu errichten und spricht:


„Zieht eure Gläser aus der Tasche,
Gleichviel ob länglich oder kraus,
Legt sie zusammen, Fiasch' an Flasche,
Und baut ein Monument daraus.
Ach kämen sie herangeflogen
Die Buttel alle, groß und klein
So würde dieser Ehrenbogen '
Weit höher als der Blocksberg sein."

Die größte Tugend des Bergmanns ist uoch immer seine Häuslichkeit, wenn¬
gleich man leider nicht ohne Grund klagen mag, daß sie anfängt sich zu verrin¬
gern. Der echte Bergmann von altem Schrot geht höchstens am Sonntag
Nachmittag, wenn sein Schnaps zu früh alle wird, einmal zu seinem Kamerade»
um mit diesem zu trinken, wie denn anch, namentlich eben am Sonnabend Abend,
sich die verwandten Familien zum Schmause vereinigen, und besonders die ver-
heiratheten Kinder sich mit den Enkeln bei deren Großältern zu großen und
lustigen Gesellschaften zusammenfinden. Die gleichen materiellen Genüsse, welche
der Bergmann sich zu Hanse allenfalls verschaffen kann, im Wirthshause zu suchen,
gestattet seine Kasse nicht, und so sieht man denn freilich sein „Altes" oft genng
mit freundlichem Gesicht um die Ecke herumkommen, um für ihn „Schink
zu laugen".

Schon lange hat man daran gedacht, die Thätigkeit der Bergbewohner ans
allerlei Nebenbeschäftigungen zu lenken, da er des Tages nur 8 Stunden beim
Bergbau beschäftigt ist, wovon einige in die Nachtzeit fallen, und da als ältere
Nebenbeschäftigungen nur das Vogelsteller-(„Vngclstallen") und etwas grobe Holz-
schnitzerei im Gange sind. Das wichtigste ist in dieser Beziehung, daß die Ar¬
beiter ans dem sächsischen Voigtlande verschwunden sind, welche sich hier in jedem
Sommer einstellten um Heu zu machen, und daß die jungen Bergleute vou Claus-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0027" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94468"/>
            <p xml:id="ID_38" prev="#ID_37"> Mariengroschen abgezahlt, denn niemals bezahlt der Bergmann eine Rechnung<lb/>
thalcrweise, sondern jeder Wochenlohn wird in unzählige kleine Theile getheilt,<lb/>
mit denen nicht allein die laufenden Ausgaben möglichst bestritten, sondern auch<lb/>
die Gläubiger bedacht werdeu. Nicht der kleinste Theil des Lohnes wird für den<lb/>
Schnaps, &#x201E;Schink" genannt, ausgesetzt, der bei dem Souuabeudschmause eine<lb/>
bedeutende Rolle spielt. Vor einigen Jahren gründete man in Se. Andreasberg<lb/>
einen Mäßigkeitsverein, und die Bergleute.gelobten, keinen Schnaps mehr zu<lb/>
trinken. Aber es zeigte sich bald, daß sie ihn mit Löffeln aßen. Damals ent¬<lb/>
stand auch ein langes, haarsträubendes Lobgedicht auf den Brantwein, wonach<lb/>
man glauben sollte, daß man es hier mit einer gänzlich ruinirten Bevölkerung zu<lb/>
thun habe, was &#x2014; Dank sei es der kernigen Natur des Harzers &#x2014; denn doch<lb/>
nicht der Fall ist. Gegen das Ende hin fordert der Dichter die Harzer anf,<lb/>
dem Erfinder des Brantweins ein Denkmal zu errichten und spricht:</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_2" type="poem">
                <l> &#x201E;Zieht eure Gläser aus der Tasche,<lb/>
Gleichviel ob länglich oder kraus,<lb/>
Legt sie zusammen, Fiasch' an Flasche,<lb/>
Und baut ein Monument daraus.<lb/>
Ach kämen sie herangeflogen<lb/>
Die Buttel alle, groß und klein<lb/>
So würde dieser Ehrenbogen '<lb/>
Weit höher als der Blocksberg sein."</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <p xml:id="ID_39"> Die größte Tugend des Bergmanns ist uoch immer seine Häuslichkeit, wenn¬<lb/>
gleich man leider nicht ohne Grund klagen mag, daß sie anfängt sich zu verrin¬<lb/>
gern. Der echte Bergmann von altem Schrot geht höchstens am Sonntag<lb/>
Nachmittag, wenn sein Schnaps zu früh alle wird, einmal zu seinem Kamerade»<lb/>
um mit diesem zu trinken, wie denn anch, namentlich eben am Sonnabend Abend,<lb/>
sich die verwandten Familien zum Schmause vereinigen, und besonders die ver-<lb/>
heiratheten Kinder sich mit den Enkeln bei deren Großältern zu großen und<lb/>
lustigen Gesellschaften zusammenfinden. Die gleichen materiellen Genüsse, welche<lb/>
der Bergmann sich zu Hanse allenfalls verschaffen kann, im Wirthshause zu suchen,<lb/>
gestattet seine Kasse nicht, und so sieht man denn freilich sein &#x201E;Altes" oft genng<lb/>
mit freundlichem Gesicht um die Ecke herumkommen, um für ihn &#x201E;Schink<lb/>
zu laugen".</p><lb/>
            <p xml:id="ID_40" next="#ID_41"> Schon lange hat man daran gedacht, die Thätigkeit der Bergbewohner ans<lb/>
allerlei Nebenbeschäftigungen zu lenken, da er des Tages nur 8 Stunden beim<lb/>
Bergbau beschäftigt ist, wovon einige in die Nachtzeit fallen, und da als ältere<lb/>
Nebenbeschäftigungen nur das Vogelsteller-(&#x201E;Vngclstallen") und etwas grobe Holz-<lb/>
schnitzerei im Gange sind. Das wichtigste ist in dieser Beziehung, daß die Ar¬<lb/>
beiter ans dem sächsischen Voigtlande verschwunden sind, welche sich hier in jedem<lb/>
Sommer einstellten um Heu zu machen, und daß die jungen Bergleute vou Claus-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0027] Mariengroschen abgezahlt, denn niemals bezahlt der Bergmann eine Rechnung thalcrweise, sondern jeder Wochenlohn wird in unzählige kleine Theile getheilt, mit denen nicht allein die laufenden Ausgaben möglichst bestritten, sondern auch die Gläubiger bedacht werdeu. Nicht der kleinste Theil des Lohnes wird für den Schnaps, „Schink" genannt, ausgesetzt, der bei dem Souuabeudschmause eine bedeutende Rolle spielt. Vor einigen Jahren gründete man in Se. Andreasberg einen Mäßigkeitsverein, und die Bergleute.gelobten, keinen Schnaps mehr zu trinken. Aber es zeigte sich bald, daß sie ihn mit Löffeln aßen. Damals ent¬ stand auch ein langes, haarsträubendes Lobgedicht auf den Brantwein, wonach man glauben sollte, daß man es hier mit einer gänzlich ruinirten Bevölkerung zu thun habe, was — Dank sei es der kernigen Natur des Harzers — denn doch nicht der Fall ist. Gegen das Ende hin fordert der Dichter die Harzer anf, dem Erfinder des Brantweins ein Denkmal zu errichten und spricht: „Zieht eure Gläser aus der Tasche, Gleichviel ob länglich oder kraus, Legt sie zusammen, Fiasch' an Flasche, Und baut ein Monument daraus. Ach kämen sie herangeflogen Die Buttel alle, groß und klein So würde dieser Ehrenbogen ' Weit höher als der Blocksberg sein." Die größte Tugend des Bergmanns ist uoch immer seine Häuslichkeit, wenn¬ gleich man leider nicht ohne Grund klagen mag, daß sie anfängt sich zu verrin¬ gern. Der echte Bergmann von altem Schrot geht höchstens am Sonntag Nachmittag, wenn sein Schnaps zu früh alle wird, einmal zu seinem Kamerade» um mit diesem zu trinken, wie denn anch, namentlich eben am Sonnabend Abend, sich die verwandten Familien zum Schmause vereinigen, und besonders die ver- heiratheten Kinder sich mit den Enkeln bei deren Großältern zu großen und lustigen Gesellschaften zusammenfinden. Die gleichen materiellen Genüsse, welche der Bergmann sich zu Hanse allenfalls verschaffen kann, im Wirthshause zu suchen, gestattet seine Kasse nicht, und so sieht man denn freilich sein „Altes" oft genng mit freundlichem Gesicht um die Ecke herumkommen, um für ihn „Schink zu laugen". Schon lange hat man daran gedacht, die Thätigkeit der Bergbewohner ans allerlei Nebenbeschäftigungen zu lenken, da er des Tages nur 8 Stunden beim Bergbau beschäftigt ist, wovon einige in die Nachtzeit fallen, und da als ältere Nebenbeschäftigungen nur das Vogelsteller-(„Vngclstallen") und etwas grobe Holz- schnitzerei im Gange sind. Das wichtigste ist in dieser Beziehung, daß die Ar¬ beiter ans dem sächsischen Voigtlande verschwunden sind, welche sich hier in jedem Sommer einstellten um Heu zu machen, und daß die jungen Bergleute vou Claus-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/27
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/27>, abgerufen am 21.12.2024.