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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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litairrevolte in Sevilla aus. Ein ganzes Bataillon nebst einer Abtheilung Kavallerie
empörten sich daselbst unter Anführung eines gewissen Major Portal. Da der
größere Theil der Besatzung treu blieb, gelang es dem Generalcapitain Shelly,
nach heftigem Gefecht die Aufständischen aus der Stadt zu werfen, welche bald
darauf über die portugiesische Grenze flüchteten. Die Nachricht hievon gelangte
mit begleitenden Umständen nach Madrid, welche Narvaez zu einem Entschluß der
außerordentlichsten Art bsstimmten, den er mit der ihn charakterisirenden, schnellen
Entschlossenheit ins Werk setzte. Die Schwester Portal's stand in einem sehr be¬
kannten, vertrauten Verhältniß zu dem englischen Gesandten. Welche den Letztern
gravirende Beweisstücke die spanische Regierung in die Hand bekam, ist nicht be¬
kannt geworden. Man scheint ein Geheimniß hierüber beobachtet zu haben, um
den Bruch mit England durch' einen vielleicht noch weit über Bulwer hinaus¬
greifenden Skandal nicht zu tief und unheilbat zu machen. Doch ist es nicht
anzunehmen, daß das spanische Cabinet nur auf vage Verdachtsgründe hin ge¬
handelt habe. Am 1ö. Mai, unmittelbar nach dem Eintreffen der Nachrichten
ans Sevilla, erhielt Sir Henry Bulwer seine Pässe mit der Einladung, Madrid
und Spanien innerhalb 48 Stunden zu verlassen. Die Ausweisung war in die
Form eines dringenden, wohlwollenden Rathes gekleidet, welcher die Besorgnis)
ausdrückte, daß unter den obwaltenden Umständen das Ministerium nicht im Stande
sein dürfte, die Sicherheit der Person des Vertreters Englands zu garantiren.
Diese der folgenschweren Maßregel gegebene Einkleidung ist weder angemessen,
noch streng völkerrechtlich zu nennen, obwol sie eine sehr starke Andeutung
enthält, welchen Verdacht das Madrider Cabinet !gegen Bulwer hegte. Die
Maßregel selbst verdient als ein Act bewundernswerther Energie das allerhöchste
Lob. Es war der stolze Protest einer lange mißachteten Nation gegen die über¬
müthigen Eingriffe des Auslandes, und Narvaez hat sich mit ihm ein unvergäng¬
liches Denkmal in den Herzen seiner Landsleute gesetzt.

Die spanische Negierung sendete sofort den Grafen Mirasol nach London,
um dem Cabinet von Se. James die nöthigen Aufklärungen über dies Ereigniß
zu geben. Seine Mission erfüllte ihren Zweck nicht, den diplomatischen Bruch
zwischen beiden Mächten zu verhindern. Palmerston nahm sich seines Gesandten
an, und dem spanischen Minister in London, Herrn Jsturiz, blieb nichts übrig,
als gleichfalls seine Pässe zu nehmen. Hiebei hatte es jedoch sein Bewenden.
Das britische Parlament, in dessen beiden Häusern diese Frage scharf discutirt
wurde, stellte sich, wo es auf die Nationalehre ankam, aus Seite des Ministers;
ersichtlich aber war es, daß derselbe keine Unterstützung finden würde, falls er
den Conflict zu einem Kriege mit Spanien treiben wollte. Allerdings hatte Eng--
land direct von einem Kampf mit Spanien nichts zu befürchten, aber auch wenig
Ehre dabei zu gewinnen; und bei dem bereits tief erschütterten Weltfrieden wären
die Folgen eines solchen Bruches unberechenbar gewesen.




litairrevolte in Sevilla aus. Ein ganzes Bataillon nebst einer Abtheilung Kavallerie
empörten sich daselbst unter Anführung eines gewissen Major Portal. Da der
größere Theil der Besatzung treu blieb, gelang es dem Generalcapitain Shelly,
nach heftigem Gefecht die Aufständischen aus der Stadt zu werfen, welche bald
darauf über die portugiesische Grenze flüchteten. Die Nachricht hievon gelangte
mit begleitenden Umständen nach Madrid, welche Narvaez zu einem Entschluß der
außerordentlichsten Art bsstimmten, den er mit der ihn charakterisirenden, schnellen
Entschlossenheit ins Werk setzte. Die Schwester Portal's stand in einem sehr be¬
kannten, vertrauten Verhältniß zu dem englischen Gesandten. Welche den Letztern
gravirende Beweisstücke die spanische Regierung in die Hand bekam, ist nicht be¬
kannt geworden. Man scheint ein Geheimniß hierüber beobachtet zu haben, um
den Bruch mit England durch' einen vielleicht noch weit über Bulwer hinaus¬
greifenden Skandal nicht zu tief und unheilbat zu machen. Doch ist es nicht
anzunehmen, daß das spanische Cabinet nur auf vage Verdachtsgründe hin ge¬
handelt habe. Am 1ö. Mai, unmittelbar nach dem Eintreffen der Nachrichten
ans Sevilla, erhielt Sir Henry Bulwer seine Pässe mit der Einladung, Madrid
und Spanien innerhalb 48 Stunden zu verlassen. Die Ausweisung war in die
Form eines dringenden, wohlwollenden Rathes gekleidet, welcher die Besorgnis)
ausdrückte, daß unter den obwaltenden Umständen das Ministerium nicht im Stande
sein dürfte, die Sicherheit der Person des Vertreters Englands zu garantiren.
Diese der folgenschweren Maßregel gegebene Einkleidung ist weder angemessen,
noch streng völkerrechtlich zu nennen, obwol sie eine sehr starke Andeutung
enthält, welchen Verdacht das Madrider Cabinet !gegen Bulwer hegte. Die
Maßregel selbst verdient als ein Act bewundernswerther Energie das allerhöchste
Lob. Es war der stolze Protest einer lange mißachteten Nation gegen die über¬
müthigen Eingriffe des Auslandes, und Narvaez hat sich mit ihm ein unvergäng¬
liches Denkmal in den Herzen seiner Landsleute gesetzt.

Die spanische Negierung sendete sofort den Grafen Mirasol nach London,
um dem Cabinet von Se. James die nöthigen Aufklärungen über dies Ereigniß
zu geben. Seine Mission erfüllte ihren Zweck nicht, den diplomatischen Bruch
zwischen beiden Mächten zu verhindern. Palmerston nahm sich seines Gesandten
an, und dem spanischen Minister in London, Herrn Jsturiz, blieb nichts übrig,
als gleichfalls seine Pässe zu nehmen. Hiebei hatte es jedoch sein Bewenden.
Das britische Parlament, in dessen beiden Häusern diese Frage scharf discutirt
wurde, stellte sich, wo es auf die Nationalehre ankam, aus Seite des Ministers;
ersichtlich aber war es, daß derselbe keine Unterstützung finden würde, falls er
den Conflict zu einem Kriege mit Spanien treiben wollte. Allerdings hatte Eng--
land direct von einem Kampf mit Spanien nichts zu befürchten, aber auch wenig
Ehre dabei zu gewinnen; und bei dem bereits tief erschütterten Weltfrieden wären
die Folgen eines solchen Bruches unberechenbar gewesen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/230>, abgerufen am 21.12.2024.