Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.die Philologie als die charakteristische für unser Zeitalter. Wir sind mehr für Gr-nzboten. M,Z
die Philologie als die charakteristische für unser Zeitalter. Wir sind mehr für Gr-nzboten. M,Z
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94462"/> <p xml:id="ID_28" prev="#ID_27"> die Philologie als die charakteristische für unser Zeitalter. Wir sind mehr für<lb/> das Zersetzen und Analhsiren geeignet', als für das Schaffen. Durch die<lb/> Philologie'kommt nicht allein Methode in diesen Zersetznngsproceß, sondern anch<lb/> eine gewisse Wärme für den Gegenstand, die nahe mit der Freude am Schaffen<lb/> verwandt ist. Die vorzüglichste Thätigkeit der Philologen, die Herstellung der<lb/> echten Texte, ist bei dem hochgesteigerten Scharfsinn, der sich in dieser Wissenschaft<lb/> entwickelt hat, so geeignet, alle geistige Thätigkeit auf diesen einen Punkt zu con-<lb/> centriren, daß wenigstens eine relative Freiheit und Selbstständigkeit daraus, hervor<lb/> geht. — Wir haben-von einer kundigen Feder eine Darstellung von der Gesammt-<lb/> thätigleit eines der ausgezeichnetsten Philologen gebracht, Lobeck; die Charakteristik<lb/> eines nicht minder bedeutenden Gelehrten, den ein viel zu früher Tod der Nation<lb/> entrissen hat, Lachmann, ist leider durch öfteres Verzögern in Vergessenheit gerathen;<lb/> jetzt ist sie unnöthig geworden, da einer seiner Schüler, MartinLerz, in einem größern<lb/> Werk die Aufgabe gelöst hat. Obgleich noch immer Manches hinzuzufügen wäre.<lb/> Trotz der ungeheuren. Fortschritte, welche die Wissenschaft durch Landmanns Werke<lb/> gemacht hat, und die nur durch seine eiserne Energie, alle geistige Kraft auf ein<lb/> bestimmtes Ziel zu concentriren, und durch seinen, von einem wunderbaren Ge¬<lb/> dächtniß unterstützten Scharfsinn möglich waren, würde man doch irren, wenn man<lb/> seinen Einfluß auf diese Werke beschränken wollte. Er übte einen sehr bedeu¬<lb/> tenden persönlichen Einfluß, auf die hervorragendsten Männer seiner Wissenschaft<lb/> aus, und viele derselben hatten bei ihren Forschungen vorzugsweise Lachmann als<lb/> ideales Publicum vor Augen. So spröde und abstoßend er gegen die Mittel¬<lb/> mäßigkeit war, so warm und treu hing sein Herz an den Freunden, in denen er<lb/> die verwandte männliche Energie, die gleiche Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit<lb/> des' Strebens ehrte und pflegte. — An unseren politischen und belletristischen Grö¬<lb/> ßen können wir uns nicht sehr erbauen; aber eine Nation, die gleichzeitig Männer<lb/> wie Lobeck, Lachmann, Grimm, Humboldt hervorgebracht hat, darf an sich selber<lb/> nicht verzagen; >an ihrem männlichen Ernst, an der aufopfernden Hingebung ihres<lb/> großen und reichen Lebens für die Sache der Wissenschaft kann sie sich ein schönes<lb/> Bild der Kraft machen, die sie selber zu entwickeln fähig ist, wenn es ihr einmal<lb/> gelingt, sich zusammenzuraffen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gr-nzboten. M,Z</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
die Philologie als die charakteristische für unser Zeitalter. Wir sind mehr für
das Zersetzen und Analhsiren geeignet', als für das Schaffen. Durch die
Philologie'kommt nicht allein Methode in diesen Zersetznngsproceß, sondern anch
eine gewisse Wärme für den Gegenstand, die nahe mit der Freude am Schaffen
verwandt ist. Die vorzüglichste Thätigkeit der Philologen, die Herstellung der
echten Texte, ist bei dem hochgesteigerten Scharfsinn, der sich in dieser Wissenschaft
entwickelt hat, so geeignet, alle geistige Thätigkeit auf diesen einen Punkt zu con-
centriren, daß wenigstens eine relative Freiheit und Selbstständigkeit daraus, hervor
geht. — Wir haben-von einer kundigen Feder eine Darstellung von der Gesammt-
thätigleit eines der ausgezeichnetsten Philologen gebracht, Lobeck; die Charakteristik
eines nicht minder bedeutenden Gelehrten, den ein viel zu früher Tod der Nation
entrissen hat, Lachmann, ist leider durch öfteres Verzögern in Vergessenheit gerathen;
jetzt ist sie unnöthig geworden, da einer seiner Schüler, MartinLerz, in einem größern
Werk die Aufgabe gelöst hat. Obgleich noch immer Manches hinzuzufügen wäre.
Trotz der ungeheuren. Fortschritte, welche die Wissenschaft durch Landmanns Werke
gemacht hat, und die nur durch seine eiserne Energie, alle geistige Kraft auf ein
bestimmtes Ziel zu concentriren, und durch seinen, von einem wunderbaren Ge¬
dächtniß unterstützten Scharfsinn möglich waren, würde man doch irren, wenn man
seinen Einfluß auf diese Werke beschränken wollte. Er übte einen sehr bedeu¬
tenden persönlichen Einfluß, auf die hervorragendsten Männer seiner Wissenschaft
aus, und viele derselben hatten bei ihren Forschungen vorzugsweise Lachmann als
ideales Publicum vor Augen. So spröde und abstoßend er gegen die Mittel¬
mäßigkeit war, so warm und treu hing sein Herz an den Freunden, in denen er
die verwandte männliche Energie, die gleiche Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit
des' Strebens ehrte und pflegte. — An unseren politischen und belletristischen Grö¬
ßen können wir uns nicht sehr erbauen; aber eine Nation, die gleichzeitig Männer
wie Lobeck, Lachmann, Grimm, Humboldt hervorgebracht hat, darf an sich selber
nicht verzagen; >an ihrem männlichen Ernst, an der aufopfernden Hingebung ihres
großen und reichen Lebens für die Sache der Wissenschaft kann sie sich ein schönes
Bild der Kraft machen, die sie selber zu entwickeln fähig ist, wenn es ihr einmal
gelingt, sich zusammenzuraffen.
Gr-nzboten. M,Z
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