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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Vorrede.

In allen Verhandlungen über die Errichtung des Institutes waren Mechanik und
Chemie als die Hauptfächer des technischen Unterrichtes anerkannt und angeordnet
worden. Da nun bei dem Gegenstande der höhern Mathematik nebst der höhern Analysis
auch die höhere Mechanik und Astronomie vorgetragen wurde, so bemühte sich mein Vater
in seinem 2ten für ein grösseres Publikum über Mechanik gehaltenem Collegium seine Vorträge
so einzurichten, dass selbst diejenigen Fortschritte, welche mit Hülfe der höhern Analysis
gemacht wurden, den hierortigen Schülern des Institutes, bei denen nur Kenntniss der
Elementarmathematik vorausgesetzt werden konnte, überzeugend vorgetragen, und diese
Schüler überhaupt dahin geführt werden, um alle Arbeiten, die durch was immer für Kräfte
der Menschen und Thiere, des Wassers, Windes, der Wasserdämpfe etc. bewirkt werden,
gehörig zu würdigen und im Stande zu seyn, für jede mechanische Unternehmung bestimmts
Anschläge machen zu können. Diese Vorlesungen der Mechanik wurden seit 24 Jahren von
mehr als 2000 Zuhörern besucht und da über die Dienste, welche viele derselben zur
Emporbringung unserer Landesindustrie und im Baufache leisteten, sich bereits die
öffentliche Stimme ausgesprochen hat, auch später andere technische Institute im Inn- und
Auslande errichtet wurden, so dürfte hierin der beste Beweis liegen, dass nicht nur die
Wünsche des Publikums befriedigt, sondern auch die Regierungen veranlasst wurden, für
die Beförderung technischer Studien kräftig einzuwirken.

Obgleich nun in neuern Zeiten sehr viele vortreffliche Schriften über technische
Gegenstände erschienen sind, so mangelt es dennoch für das Fach der Mechanik an
solchen Grundsätzen, welche für ihren Erfolg vollkommene Bürgschaft leisten, und
wodurch diejenigen Kosten vermieden werden, über deren Aufwand man die Unter-
nehmer grösserer Indu[s]trial-Anstalten noch immer häufig klagen hört. Die Ursache
hievon liegt wohl grösstentheils darin, dass sehr viele Individuen nicht die Gelegenheit
haben, technische Institute zu besuchen, und dass der grösste Theil der bisher
erschienenen mechanischen Schriften bloss die allgemeine Theorie dieser Wissenschaft
enthält, ohne sich auf die besondern Fälle der praktischen Anwendung hinreichend
auszudehnen, und ausserdem die Kenntniss der höhern Analysis voraussetzt, welche
nur dem kleinsten Theile jener Personen bekannt ist, die gerade mit mechanischen
Gewerben zu thun haben; endlich kommen in solchen Schriften die wenigsten
Beispiele in der Art vor, wie sie derjenige wünschen muss, der sich mit solchen
Unternehmungen beschäftigt.

Aus diesen Gründen war es schon längst ein gefühltes Bedürfniss, die Vorträge
meines Vaters über Mechanik, welche immer mehr und mehr Ausdehnung erhielten,
durch den Druck bekannt zu machen, um sowohl das Studium dieser Wissenschaft

Vorrede.

In allen Verhandlungen über die Errichtung des Institutes waren Mechanik und
Chemie als die Hauptfächer des technischen Unterrichtes anerkannt und angeordnet
worden. Da nun bei dem Gegenstande der höhern Mathematik nebst der höhern Analysis
auch die höhere Mechanik und Astronomie vorgetragen wurde, so bemühte sich mein Vater
in seinem 2ten für ein grösseres Publikum über Mechanik gehaltenem Collegium seine Vorträge
so einzurichten, dass selbst diejenigen Fortschritte, welche mit Hülfe der höhern Analysis
gemacht wurden, den hierortigen Schülern des Institutes, bei denen nur Kenntniss der
Elementarmathematik vorausgesetzt werden konnte, überzeugend vorgetragen, und diese
Schüler überhaupt dahin geführt werden, um alle Arbeiten, die durch was immer für Kräfte
der Menschen und Thiere, des Wassers, Windes, der Wasserdämpfe etc. bewirkt werden,
gehörig zu würdigen und im Stande zu seyn, für jede mechanische Unternehmung bestimmts
Anschläge machen zu können. Diese Vorlesungen der Mechanik wurden seit 24 Jahren von
mehr als 2000 Zuhörern besucht und da über die Dienste, welche viele derselben zur
Emporbringung unserer Landesindustrie und im Baufache leisteten, sich bereits die
öffentliche Stimme ausgesprochen hat, auch später andere technische Institute im Inn- und
Auslande errichtet wurden, so dürfte hierin der beste Beweis liegen, dass nicht nur die
Wünsche des Publikums befriedigt, sondern auch die Regierungen veranlasst wurden, für
die Beförderung technischer Studien kräftig einzuwirken.

Obgleich nun in neuern Zeiten sehr viele vortreffliche Schriften über technische
Gegenstände erschienen sind, so mangelt es dennoch für das Fach der Mechanik an
solchen Grundsätzen, welche für ihren Erfolg vollkommene Bürgschaft leisten, und
wodurch diejenigen Kosten vermieden werden, über deren Aufwand man die Unter-
nehmer grösserer Indu[s]trial-Anstalten noch immer häufig klagen hört. Die Ursache
hievon liegt wohl grösstentheils darin, dass sehr viele Individuen nicht die Gelegenheit
haben, technische Institute zu besuchen, und dass der grösste Theil der bisher
erschienenen mechanischen Schriften bloss die allgemeine Theorie dieser Wissenschaft
enthält, ohne sich auf die besondern Fälle der praktischen Anwendung hinreichend
auszudehnen, und ausserdem die Kenntniss der höhern Analysis voraussetzt, welche
nur dem kleinsten Theile jener Personen bekannt ist, die gerade mit mechanischen
Gewerben zu thun haben; endlich kommen in solchen Schriften die wenigsten
Beispiele in der Art vor, wie sie derjenige wünschen muss, der sich mit solchen
Unternehmungen beschäftigt.

Aus diesen Gründen war es schon längst ein gefühltes Bedürfniss, die Vorträge
meines Vaters über Mechanik, welche immer mehr und mehr Ausdehnung erhielten,
durch den Druck bekannt zu machen, um sowohl das Studium dieser Wissenschaft

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[VI/0012] Vorrede. In allen Verhandlungen über die Errichtung des Institutes waren Mechanik und Chemie als die Hauptfächer des technischen Unterrichtes anerkannt und angeordnet worden. Da nun bei dem Gegenstande der höhern Mathematik nebst der höhern Analysis auch die höhere Mechanik und Astronomie vorgetragen wurde, so bemühte sich mein Vater in seinem 2ten für ein grösseres Publikum über Mechanik gehaltenem Collegium seine Vorträge so einzurichten, dass selbst diejenigen Fortschritte, welche mit Hülfe der höhern Analysis gemacht wurden, den hierortigen Schülern des Institutes, bei denen nur Kenntniss der Elementarmathematik vorausgesetzt werden konnte, überzeugend vorgetragen, und diese Schüler überhaupt dahin geführt werden, um alle Arbeiten, die durch was immer für Kräfte der Menschen und Thiere, des Wassers, Windes, der Wasserdämpfe etc. bewirkt werden, gehörig zu würdigen und im Stande zu seyn, für jede mechanische Unternehmung bestimmts Anschläge machen zu können. Diese Vorlesungen der Mechanik wurden seit 24 Jahren von mehr als 2000 Zuhörern besucht und da über die Dienste, welche viele derselben zur Emporbringung unserer Landesindustrie und im Baufache leisteten, sich bereits die öffentliche Stimme ausgesprochen hat, auch später andere technische Institute im Inn- und Auslande errichtet wurden, so dürfte hierin der beste Beweis liegen, dass nicht nur die Wünsche des Publikums befriedigt, sondern auch die Regierungen veranlasst wurden, für die Beförderung technischer Studien kräftig einzuwirken. Obgleich nun in neuern Zeiten sehr viele vortreffliche Schriften über technische Gegenstände erschienen sind, so mangelt es dennoch für das Fach der Mechanik an solchen Grundsätzen, welche für ihren Erfolg vollkommene Bürgschaft leisten, und wodurch diejenigen Kosten vermieden werden, über deren Aufwand man die Unter- nehmer grösserer Industrial-Anstalten noch immer häufig klagen hört. Die Ursache hievon liegt wohl grösstentheils darin, dass sehr viele Individuen nicht die Gelegenheit haben, technische Institute zu besuchen, und dass der grösste Theil der bisher erschienenen mechanischen Schriften bloss die allgemeine Theorie dieser Wissenschaft enthält, ohne sich auf die besondern Fälle der praktischen Anwendung hinreichend auszudehnen, und ausserdem die Kenntniss der höhern Analysis voraussetzt, welche nur dem kleinsten Theile jener Personen bekannt ist, die gerade mit mechanischen Gewerben zu thun haben; endlich kommen in solchen Schriften die wenigsten Beispiele in der Art vor, wie sie derjenige wünschen muss, der sich mit solchen Unternehmungen beschäftigt. Aus diesen Gründen war es schon längst ein gefühltes Bedürfniss, die Vorträge meines Vaters über Mechanik, welche immer mehr und mehr Ausdehnung erhielten, durch den Druck bekannt zu machen, um sowohl das Studium dieser Wissenschaft

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/12>, abgerufen am 29.03.2024.