Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
der Fähigkeiten.

Diese Gabe, viele Dinge nicht zu sehen und
nicht zu hören, um von einer recht gerührt zu
werden, die Aufmerksamkeit mit einem Worte, ist
sowohl die Ursache als der Beweis starker Em-
pfindungen. Die Ursache, weil, wo mehr Kraft
angewendet wird, die Wirkung größer seyn muß;
der Beweis, weil die Seele von jeder Sache um
so viel mehr an sich gezogen wird, je größer die
Thätigkeit ist, in die sie die Seele sezt. Ist die
Seele nur zu leichten und gleichsam nur berüh-
renden Eindrücken fähig; so werden sie niemals
über die Zerstreuungen die Oberhand behalten;
die Kraft der Seele wird unter alles gleich ausge-
theilt, und durch diese Theilung verzehrt. Hef-
tige Wirkungen hingegen werden die Aufmerksam-
keit, auch ohne ihren Willen, auf die Gegenstän-
de festhalten, die sie erregen.

3. Ein drittes, aber mehr zweydeutiges
Kennzeichen ist schon immer bey dieser Untersu-
chung gebraucht worden; die Lebhaftigkeit meyne
ich, und die Geschäftigkeit des Geistes. Die
Wahrheit, die zum Grunde liegt, ist diese: Je

B
der Faͤhigkeiten.

Dieſe Gabe, viele Dinge nicht zu ſehen und
nicht zu hoͤren, um von einer recht geruͤhrt zu
werden, die Aufmerkſamkeit mit einem Worte, iſt
ſowohl die Urſache als der Beweis ſtarker Em-
pfindungen. Die Urſache, weil, wo mehr Kraft
angewendet wird, die Wirkung groͤßer ſeyn muß;
der Beweis, weil die Seele von jeder Sache um
ſo viel mehr an ſich gezogen wird, je groͤßer die
Thaͤtigkeit iſt, in die ſie die Seele ſezt. Iſt die
Seele nur zu leichten und gleichſam nur beruͤh-
renden Eindruͤcken faͤhig; ſo werden ſie niemals
uͤber die Zerſtreuungen die Oberhand behalten;
die Kraft der Seele wird unter alles gleich ausge-
theilt, und durch dieſe Theilung verzehrt. Hef-
tige Wirkungen hingegen werden die Aufmerkſam-
keit, auch ohne ihren Willen, auf die Gegenſtaͤn-
de feſthalten, die ſie erregen.

3. Ein drittes, aber mehr zweydeutiges
Kennzeichen iſt ſchon immer bey dieſer Unterſu-
chung gebraucht worden; die Lebhaftigkeit meyne
ich, und die Geſchaͤftigkeit des Geiſtes. Die
Wahrheit, die zum Grunde liegt, iſt dieſe: Je

B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023" n="17"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der Fa&#x0364;higkeiten.</hi> </fw><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Gabe, viele Dinge nicht zu &#x017F;ehen und<lb/>
nicht zu ho&#x0364;ren, um von einer recht geru&#x0364;hrt zu<lb/>
werden, die Aufmerk&#x017F;amkeit mit einem Worte, i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;owohl die Ur&#x017F;ache als der Beweis &#x017F;tarker Em-<lb/>
pfindungen. Die Ur&#x017F;ache, weil, wo mehr Kraft<lb/>
angewendet wird, die Wirkung gro&#x0364;ßer &#x017F;eyn muß;<lb/>
der Beweis, weil die Seele von jeder Sache um<lb/>
&#x017F;o viel mehr an &#x017F;ich gezogen wird, je gro&#x0364;ßer die<lb/>
Tha&#x0364;tigkeit i&#x017F;t, in die &#x017F;ie die Seele &#x017F;ezt. I&#x017F;t die<lb/>
Seele nur zu leichten und gleich&#x017F;am nur beru&#x0364;h-<lb/>
renden Eindru&#x0364;cken fa&#x0364;hig; &#x017F;o werden &#x017F;ie niemals<lb/>
u&#x0364;ber die Zer&#x017F;treuungen die Oberhand behalten;<lb/>
die Kraft der Seele wird unter alles gleich ausge-<lb/>
theilt, und durch die&#x017F;e Theilung verzehrt. Hef-<lb/>
tige Wirkungen hingegen werden die Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
keit, auch ohne ihren Willen, auf die Gegen&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de fe&#x017F;thalten, die &#x017F;ie erregen.</p><lb/>
        <p>3. Ein drittes, aber mehr zweydeutiges<lb/>
Kennzeichen i&#x017F;t &#x017F;chon immer bey die&#x017F;er Unter&#x017F;u-<lb/>
chung gebraucht worden; die Lebhaftigkeit meyne<lb/>
ich, und die Ge&#x017F;cha&#x0364;ftigkeit des Gei&#x017F;tes. Die<lb/>
Wahrheit, die zum Grunde liegt, i&#x017F;t die&#x017F;e: Je<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0023] der Faͤhigkeiten. Dieſe Gabe, viele Dinge nicht zu ſehen und nicht zu hoͤren, um von einer recht geruͤhrt zu werden, die Aufmerkſamkeit mit einem Worte, iſt ſowohl die Urſache als der Beweis ſtarker Em- pfindungen. Die Urſache, weil, wo mehr Kraft angewendet wird, die Wirkung groͤßer ſeyn muß; der Beweis, weil die Seele von jeder Sache um ſo viel mehr an ſich gezogen wird, je groͤßer die Thaͤtigkeit iſt, in die ſie die Seele ſezt. Iſt die Seele nur zu leichten und gleichſam nur beruͤh- renden Eindruͤcken faͤhig; ſo werden ſie niemals uͤber die Zerſtreuungen die Oberhand behalten; die Kraft der Seele wird unter alles gleich ausge- theilt, und durch dieſe Theilung verzehrt. Hef- tige Wirkungen hingegen werden die Aufmerkſam- keit, auch ohne ihren Willen, auf die Gegenſtaͤn- de feſthalten, die ſie erregen. 3. Ein drittes, aber mehr zweydeutiges Kennzeichen iſt ſchon immer bey dieſer Unterſu- chung gebraucht worden; die Lebhaftigkeit meyne ich, und die Geſchaͤftigkeit des Geiſtes. Die Wahrheit, die zum Grunde liegt, iſt dieſe: Je B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/23
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/23>, abgerufen am 23.11.2024.