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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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lis geredt wird, entstand das heutige Englische. Ich
darf Ihnen nicht sagen, daß während der barbarischen
Jahrhunderte diese Sprache wenigstens eben so roh
und ungebildet war, als die, von denen ich Ihnen ge-
redet habe. Die Wiederauflebung der Wissenschaf-
ten hatte bey allen Nationen dieselben Wirkungen.
Europa der dicken Unwissenheit müde, mit der es so viele
Jahrhunderte bedeckt gewesen war, wollte sich itzt auf-
klären. Auch England, das immer eifersüchtig auf
Frankreich war, wollte selbst gute Schriftsteller her-
vorbringen. Und da man, um zu schreiben, eine
Sprache haben muß, in der sich schreiben läßt, so fieng
man mit der Verbesserung der Sprache an. Um die-
selbe zu beschleunigen, nahm man aus dem Lateinischen,
Französischen und Italiänischen alle Worte an, die
man nöthig zu haben glaubte. Die englische Nation
hatte auch wirklich berühmte Schriftsteller, die aber
nicht im Stande waren, die scharfen Töne ihrer Spra-
che, welche die Ohren der Fremden so sehr beleidigen,
sanft zu machen. Alle andre Sprachen verliehren,
wenn man sie übersetzt; die englische allein gewinnt
dabey. Ich erinnere mich hiebey einer Antwort, die
ich einmal einen Gelehrten, auf die Frage geben hörte:
Welcher Sprache sich die Schlange bedient habe, als
sie unsre erste Mutter verführte? Der englischen, ant-
wortete jener, denn die Schlange zischt. Nehmen
Sie diesen Einfall nach seinem Werthe.

Nachdem

lis geredt wird, entſtand das heutige Engliſche. Ich
darf Ihnen nicht ſagen, daß waͤhrend der barbariſchen
Jahrhunderte dieſe Sprache wenigſtens eben ſo roh
und ungebildet war, als die, von denen ich Ihnen ge-
redet habe. Die Wiederauflebung der Wiſſenſchaf-
ten hatte bey allen Nationen dieſelben Wirkungen.
Europa der dicken Unwiſſenheit muͤde, mit der es ſo viele
Jahrhunderte bedeckt geweſen war, wollte ſich itzt auf-
klaͤren. Auch England, das immer eiferſuͤchtig auf
Frankreich war, wollte ſelbſt gute Schriftſteller her-
vorbringen. Und da man, um zu ſchreiben, eine
Sprache haben muß, in der ſich ſchreiben laͤßt, ſo fieng
man mit der Verbeſſerung der Sprache an. Um die-
ſelbe zu beſchleunigen, nahm man aus dem Lateiniſchen,
Franzoͤſiſchen und Italiaͤniſchen alle Worte an, die
man noͤthig zu haben glaubte. Die engliſche Nation
hatte auch wirklich beruͤhmte Schriftſteller, die aber
nicht im Stande waren, die ſcharfen Toͤne ihrer Spra-
che, welche die Ohren der Fremden ſo ſehr beleidigen,
ſanft zu machen. Alle andre Sprachen verliehren,
wenn man ſie uͤberſetzt; die engliſche allein gewinnt
dabey. Ich erinnere mich hiebey einer Antwort, die
ich einmal einen Gelehrten, auf die Frage geben hoͤrte:
Welcher Sprache ſich die Schlange bedient habe, als
ſie unſre erſte Mutter verfuͤhrte? Der engliſchen, ant-
wortete jener, denn die Schlange ziſcht. Nehmen
Sie dieſen Einfall nach ſeinem Werthe.

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[26/0032] lis geredt wird, entſtand das heutige Engliſche. Ich darf Ihnen nicht ſagen, daß waͤhrend der barbariſchen Jahrhunderte dieſe Sprache wenigſtens eben ſo roh und ungebildet war, als die, von denen ich Ihnen ge- redet habe. Die Wiederauflebung der Wiſſenſchaf- ten hatte bey allen Nationen dieſelben Wirkungen. Europa der dicken Unwiſſenheit muͤde, mit der es ſo viele Jahrhunderte bedeckt geweſen war, wollte ſich itzt auf- klaͤren. Auch England, das immer eiferſuͤchtig auf Frankreich war, wollte ſelbſt gute Schriftſteller her- vorbringen. Und da man, um zu ſchreiben, eine Sprache haben muß, in der ſich ſchreiben laͤßt, ſo fieng man mit der Verbeſſerung der Sprache an. Um die- ſelbe zu beſchleunigen, nahm man aus dem Lateiniſchen, Franzoͤſiſchen und Italiaͤniſchen alle Worte an, die man noͤthig zu haben glaubte. Die engliſche Nation hatte auch wirklich beruͤhmte Schriftſteller, die aber nicht im Stande waren, die ſcharfen Toͤne ihrer Spra- che, welche die Ohren der Fremden ſo ſehr beleidigen, ſanft zu machen. Alle andre Sprachen verliehren, wenn man ſie uͤberſetzt; die engliſche allein gewinnt dabey. Ich erinnere mich hiebey einer Antwort, die ich einmal einen Gelehrten, auf die Frage geben hoͤrte: Welcher Sprache ſich die Schlange bedient habe, als ſie unſre erſte Mutter verfuͤhrte? Der engliſchen, ant- wortete jener, denn die Schlange ziſcht. Nehmen Sie dieſen Einfall nach ſeinem Werthe. Nachdem

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/32>, abgerufen am 28.03.2024.