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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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auf den Sperrketten, die nicht minder als jene kicher¬
ten und lärmten.

Endlich wandte er sein ganz in Freude ge¬
tauchtes Gesicht zu einer der Kleinen nieder und
fragte nach einem Hause und einem Namen, die
er hier in der Adalbertstraße zu suchen gekommen.
Die kleine Münchnerin verstand nicht sogleich, denn
er kam aus dem Norden, war erst am vorigen Abend
in der schönen Isarstadt angekommen, und das Kind
lachte verlegen, statt zu antworten. Ein größeres
Mädchen trat dienstfertig herzu und gab ihm die ge¬
wünschte Auskunft.

"Die Frau Brückner wohnt da, aber 's wird
Alles besetzt sein; sie hat sieben Zimmerherren, lauter
Maler und Studenten."

"Du weißt ja gut Bescheid," sagte er lächelnd,
"ist sonst kein Zimmer in der Nähe zu vermiethen?"

"Es gibt schon, wenn der Herr mitgehen will,"
sagte die Kleine geschmeichelt.

Sie führte ihn in ein Haus, das bescheiden und
schmucklos mit seinen kleinen karrirten Scheiben
zwischen den neuen hohen erkerreichen Gebäuden stand.
Unten war eine geringe Wirthschaft.

"Ueber eine Stiege, da wohnt meine Bas', die
hat Platz."

Eine muntere Bürgersfrau begrüßte die Ankömm¬

auf den Sperrketten, die nicht minder als jene kicher¬
ten und lärmten.

Endlich wandte er ſein ganz in Freude ge¬
tauchtes Geſicht zu einer der Kleinen nieder und
fragte nach einem Hauſe und einem Namen, die
er hier in der Adalbertſtraße zu ſuchen gekommen.
Die kleine Münchnerin verſtand nicht ſogleich, denn
er kam aus dem Norden, war erſt am vorigen Abend
in der ſchönen Iſarſtadt angekommen, und das Kind
lachte verlegen, ſtatt zu antworten. Ein größeres
Mädchen trat dienſtfertig herzu und gab ihm die ge¬
wünſchte Auskunft.

„Die Frau Brückner wohnt da, aber 's wird
Alles beſetzt ſein; ſie hat ſieben Zimmerherren, lauter
Maler und Studenten.“

„Du weißt ja gut Beſcheid,“ ſagte er lächelnd,
„iſt ſonſt kein Zimmer in der Nähe zu vermiethen?“

„Es gibt ſchon, wenn der Herr mitgehen will,“
ſagte die Kleine geſchmeichelt.

Sie führte ihn in ein Haus, das beſcheiden und
ſchmucklos mit ſeinen kleinen karrirten Scheiben
zwiſchen den neuen hohen erkerreichen Gebäuden ſtand.
Unten war eine geringe Wirthſchaft.

„Ueber eine Stiege, da wohnt meine Baſ', die
hat Platz.“

Eine muntere Bürgersfrau begrüßte die Ankömm¬

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[2/0018] auf den Sperrketten, die nicht minder als jene kicher¬ ten und lärmten. Endlich wandte er ſein ganz in Freude ge¬ tauchtes Geſicht zu einer der Kleinen nieder und fragte nach einem Hauſe und einem Namen, die er hier in der Adalbertſtraße zu ſuchen gekommen. Die kleine Münchnerin verſtand nicht ſogleich, denn er kam aus dem Norden, war erſt am vorigen Abend in der ſchönen Iſarſtadt angekommen, und das Kind lachte verlegen, ſtatt zu antworten. Ein größeres Mädchen trat dienſtfertig herzu und gab ihm die ge¬ wünſchte Auskunft. „Die Frau Brückner wohnt da, aber 's wird Alles beſetzt ſein; ſie hat ſieben Zimmerherren, lauter Maler und Studenten.“ „Du weißt ja gut Beſcheid,“ ſagte er lächelnd, „iſt ſonſt kein Zimmer in der Nähe zu vermiethen?“ „Es gibt ſchon, wenn der Herr mitgehen will,“ ſagte die Kleine geſchmeichelt. Sie führte ihn in ein Haus, das beſcheiden und ſchmucklos mit ſeinen kleinen karrirten Scheiben zwiſchen den neuen hohen erkerreichen Gebäuden ſtand. Unten war eine geringe Wirthſchaft. „Ueber eine Stiege, da wohnt meine Baſ', die hat Platz.“ Eine muntere Bürgersfrau begrüßte die Ankömm¬

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/18>, abgerufen am 28.03.2024.