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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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scheerung angesehen, und fürwahr, es muß ein Zauber
aus dem lichterglänzenden Tannenbaum strahlen, ein
Zauber, der eine heilige Familienfreude weckt. Die
zäheste alte Jungfer wird zur Mutter, während sie
die Christlichter brennen sieht, und die Würze der
Nadeln mit der des Wachsstocks, der Früchte und
Süßigkeiten gemischt, dies unvergleichliche Weihnachts¬
gedüft ihr in die Nase steigt.

Und wie feierlich spielte und sang nun Herr
Ludwig am Clavier: "Vom Himmel hoch da komm'
ich her!" und wie künstlerisch hatte er seinen Lichter¬
baum aufgeputzt, wie geheimnißvoll die Bescheerung
vertheilt, wie lieblich das Christkindchen in der Moos¬
krippe gebettet! Eine muntere Schaar aus dem Schul-
und Forsthause war als Festgenossenschaft eingezogen,
und -- wißt Ihr's noch? -- wie die kleine Hardine
wett mit ihr Ringelrund um den Weihnachtstisch
tanzte, wie sie spielte, lachte und ihrem Meister nach
"o Tannenbaum, o Tannenbaum" zwitscherte, so frisch
und fröhlich, wie der Anderen keins? Als sie aber
spät Abends an der großen Hardine Hand über die
im Mondlicht glitzernde Schneedecke, durch das todten¬
stille Dorf, in das todtenstille Schloß zurückkehrte, da
erzählte sie ihr Wort für Wort die Geschichte vom

ſcheerung angeſehen, und fürwahr, es muß ein Zauber
aus dem lichterglänzenden Tannenbaum ſtrahlen, ein
Zauber, der eine heilige Familienfreude weckt. Die
zäheſte alte Jungfer wird zur Mutter, während ſie
die Chriſtlichter brennen ſieht, und die Würze der
Nadeln mit der des Wachsſtocks, der Früchte und
Süßigkeiten gemiſcht, dies unvergleichliche Weihnachts¬
gedüft ihr in die Naſe ſteigt.

Und wie feierlich ſpielte und ſang nun Herr
Ludwig am Clavier: „Vom Himmel hoch da komm'
ich her!“ und wie künſtleriſch hatte er ſeinen Lichter¬
baum aufgeputzt, wie geheimnißvoll die Beſcheerung
vertheilt, wie lieblich das Chriſtkindchen in der Moos¬
krippe gebettet! Eine muntere Schaar aus dem Schul-
und Forſthauſe war als Feſtgenoſſenſchaft eingezogen,
und — wißt Ihr’s noch? — wie die kleine Hardine
wett mit ihr Ringelrund um den Weihnachtstiſch
tanzte, wie ſie ſpielte, lachte und ihrem Meiſter nach
„o Tannenbaum, o Tannenbaum“ zwitſcherte, ſo friſch
und fröhlich, wie der Anderen keins? Als ſie aber
ſpät Abends an der großen Hardine Hand über die
im Mondlicht glitzernde Schneedecke, durch das todten¬
ſtille Dorf, in das todtenſtille Schloß zurückkehrte, da
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[251/0255] ſcheerung angeſehen, und fürwahr, es muß ein Zauber aus dem lichterglänzenden Tannenbaum ſtrahlen, ein Zauber, der eine heilige Familienfreude weckt. Die zäheſte alte Jungfer wird zur Mutter, während ſie die Chriſtlichter brennen ſieht, und die Würze der Nadeln mit der des Wachsſtocks, der Früchte und Süßigkeiten gemiſcht, dies unvergleichliche Weihnachts¬ gedüft ihr in die Naſe ſteigt. Und wie feierlich ſpielte und ſang nun Herr Ludwig am Clavier: „Vom Himmel hoch da komm' ich her!“ und wie künſtleriſch hatte er ſeinen Lichter¬ baum aufgeputzt, wie geheimnißvoll die Beſcheerung vertheilt, wie lieblich das Chriſtkindchen in der Moos¬ krippe gebettet! Eine muntere Schaar aus dem Schul- und Forſthauſe war als Feſtgenoſſenſchaft eingezogen, und — wißt Ihr’s noch? — wie die kleine Hardine wett mit ihr Ringelrund um den Weihnachtstiſch tanzte, wie ſie ſpielte, lachte und ihrem Meiſter nach „o Tannenbaum, o Tannenbaum“ zwitſcherte, ſo friſch und fröhlich, wie der Anderen keins? Als ſie aber ſpät Abends an der großen Hardine Hand über die im Mondlicht glitzernde Schneedecke, durch das todten¬ ſtille Dorf, in das todtenſtille Schloß zurückkehrte, da erzählte ſie ihr Wort für Wort die Geſchichte vom

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/255>, abgerufen am 29.03.2024.