Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.eine Rezension einiger ihrer eben ausgestellten Aquarellbilder enthielt, wurde beiseite geschoben, und nur der Brief erregte allgemeine Freude. "Von Leo!" riefen die Schwestern und reichten den Brief der Mutter. Diese gab ihn aber an Therese zurück und sagte: "Lies du, Therese. Ein so guter Junge. Aber ich kriege immer einen Schreck. Jmmer will er was. Und nun ist eben erst Weihnachten gewesen und Neujahr und die Miete ..." "Ach, Mutter, du ängstigst dich immer gleich so. Man sieht doch, daß du keine Soldatentochter bist." "Nein, bin ich nicht. Und ist auch recht gut so. Wer sollte sonst das bißchen zusammenhalten?" "Wir." "Ach, ihr! ... Aber nun lies, Therese. Mir schlägt ordentlich das Herz." "... Liebe Mama! Weihnachten war es nichts. Urlaub hätte mir das Regiment vielleicht gegeben, aber das Reisegeld. Sie reden immer so viel jetzt von billigen Fahrpreisen, aber ich finde sie viel zu hoch, ganz unnatürlich hoch. Und da Wendelin auch sagte, ,'s geht nich, Leo,' so ging es nicht und ich habe unten bei Schlächtermeister Funke, meinem Wirte, wie ihr wißt, die Weihnachtsbescherung mit angesehen. Alles war sehr gerührt, auch Funke. Man sollte es nicht für möglich halten. Denn gerade eine Rezension einiger ihrer eben ausgestellten Aquarellbilder enthielt, wurde beiseite geschoben, und nur der Brief erregte allgemeine Freude. „Von Leo!“ riefen die Schwestern und reichten den Brief der Mutter. Diese gab ihn aber an Therese zurück und sagte: „Lies du, Therese. Ein so guter Junge. Aber ich kriege immer einen Schreck. Jmmer will er was. Und nun ist eben erst Weihnachten gewesen und Neujahr und die Miete …“ „Ach, Mutter, du ängstigst dich immer gleich so. Man sieht doch, daß du keine Soldatentochter bist.“ „Nein, bin ich nicht. Und ist auch recht gut so. Wer sollte sonst das bißchen zusammenhalten?“ „Wir.“ „Ach, ihr! … Aber nun lies, Therese. Mir schlägt ordentlich das Herz.“ „… Liebe Mama! Weihnachten war es nichts. Urlaub hätte mir das Regiment vielleicht gegeben, aber das Reisegeld. Sie reden immer so viel jetzt von billigen Fahrpreisen, aber ich finde sie viel zu hoch, ganz unnatürlich hoch. Und da Wendelin auch sagte, ‚’s geht nich, Leo,‘ so ging es nicht und ich habe unten bei Schlächtermeister Funke, meinem Wirte, wie ihr wißt, die Weihnachtsbescherung mit angesehen. Alles war sehr gerührt, auch Funke. Man sollte es nicht für möglich halten. Denn gerade <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0026" n="19"/> eine Rezension einiger ihrer eben ausgestellten Aquarellbilder enthielt, wurde beiseite geschoben, und nur der Brief erregte allgemeine Freude. „Von Leo!“ riefen die Schwestern und reichten den Brief der Mutter. Diese gab ihn aber an Therese zurück und sagte: „Lies du, Therese. Ein so guter Junge. Aber ich kriege immer einen Schreck. Jmmer will er was. Und nun ist eben erst Weihnachten gewesen und Neujahr und die Miete …“</p><lb/> <p>„Ach, Mutter, du ängstigst dich immer gleich so. Man sieht doch, daß du keine Soldatentochter bist.“</p><lb/> <p>„Nein, bin ich nicht. Und ist auch recht gut so. Wer sollte sonst das bißchen zusammenhalten?“</p><lb/> <p>„Wir.“</p><lb/> <p>„Ach, ihr! … Aber nun lies, Therese. Mir schlägt ordentlich das Herz.“</p><lb/> <p>„… Liebe Mama! Weihnachten war es nichts. Urlaub hätte mir das Regiment vielleicht gegeben, aber das Reisegeld. Sie reden immer so viel jetzt von billigen Fahrpreisen, aber ich finde sie viel zu hoch, ganz unnatürlich hoch. Und da Wendelin auch sagte, ‚’s geht nich, Leo,‘ so ging es nicht und ich habe unten bei Schlächtermeister Funke, meinem Wirte, wie ihr wißt, die Weihnachtsbescherung mit angesehen. Alles war sehr gerührt, auch Funke. Man sollte es nicht für möglich halten. Denn gerade<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0026]
eine Rezension einiger ihrer eben ausgestellten Aquarellbilder enthielt, wurde beiseite geschoben, und nur der Brief erregte allgemeine Freude. „Von Leo!“ riefen die Schwestern und reichten den Brief der Mutter. Diese gab ihn aber an Therese zurück und sagte: „Lies du, Therese. Ein so guter Junge. Aber ich kriege immer einen Schreck. Jmmer will er was. Und nun ist eben erst Weihnachten gewesen und Neujahr und die Miete …“
„Ach, Mutter, du ängstigst dich immer gleich so. Man sieht doch, daß du keine Soldatentochter bist.“
„Nein, bin ich nicht. Und ist auch recht gut so. Wer sollte sonst das bißchen zusammenhalten?“
„Wir.“
„Ach, ihr! … Aber nun lies, Therese. Mir schlägt ordentlich das Herz.“
„… Liebe Mama! Weihnachten war es nichts. Urlaub hätte mir das Regiment vielleicht gegeben, aber das Reisegeld. Sie reden immer so viel jetzt von billigen Fahrpreisen, aber ich finde sie viel zu hoch, ganz unnatürlich hoch. Und da Wendelin auch sagte, ‚’s geht nich, Leo,‘ so ging es nicht und ich habe unten bei Schlächtermeister Funke, meinem Wirte, wie ihr wißt, die Weihnachtsbescherung mit angesehen. Alles war sehr gerührt, auch Funke. Man sollte es nicht für möglich halten. Denn gerade
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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