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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Und ich denke, die Trennung soll nicht lange dauern.
Ich weiß auch schon, wo ich miete ..."

"Nun?"

"Das bleibt mein Geheimnis. Ich will auch
ein Geheimnis haben. Damit will ich Dich dann
überraschen."

In diesem Augenblick trat Friedrich ein, um
die Postsachen abzugeben. Das meiste war Dienst¬
liches und Zeitungen. "Ah, da ist auch ein Brief
für Dich," sagte Innstetten. "Und wenn ich nicht
irre, die Handschrift der Mama."

Effi nahm den Brief. "Ja, von der Mama.
Aber das ist ja nicht der Friesacker Poststempel;
sieh nur, das heißt ja deutlich Berlin."

"Freilich," lachte Innstetten "Du thust, als
ob es ein Wunder wäre. Die Mama wird in
Berlin sein und hat ihrem Liebling von ihrem Hotel
aus einen Brief geschrieben."

"Ja," sagte Effi, "so wird es sein. Aber ich
ängstige mich doch beinah und kann keinen rechten
Trost darin finden, daß Hulda Niemeyer immer
sagte: wenn man sich ängstigt, ist es besser, als wenn
man hofft. Was meinst Du dazu?"

"Für eine Pastorstochter nicht ganz auf der
Höhe. Aber nun lies den Brief. Hier ist ein
Papiermesser."

Effi Brieſt
Und ich denke, die Trennung ſoll nicht lange dauern.
Ich weiß auch ſchon, wo ich miete …“

„Nun?“

„Das bleibt mein Geheimnis. Ich will auch
ein Geheimnis haben. Damit will ich Dich dann
überraſchen.“

In dieſem Augenblick trat Friedrich ein, um
die Poſtſachen abzugeben. Das meiſte war Dienſt¬
liches und Zeitungen. „Ah, da iſt auch ein Brief
für Dich,“ ſagte Innſtetten. „Und wenn ich nicht
irre, die Handſchrift der Mama.“

Effi nahm den Brief. „Ja, von der Mama.
Aber das iſt ja nicht der Frieſacker Poſtſtempel;
ſieh nur, das heißt ja deutlich Berlin.“

„Freilich,“ lachte Innſtetten „Du thuſt, als
ob es ein Wunder wäre. Die Mama wird in
Berlin ſein und hat ihrem Liebling von ihrem Hotel
aus einen Brief geſchrieben.“

„Ja,“ ſagte Effi, „ſo wird es ſein. Aber ich
ängſtige mich doch beinah und kann keinen rechten
Troſt darin finden, daß Hulda Niemeyer immer
ſagte: wenn man ſich ängſtigt, iſt es beſſer, als wenn
man hofft. Was meinſt Du dazu?“

„Für eine Paſtorstochter nicht ganz auf der
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[322/0331] Effi Brieſt Und ich denke, die Trennung ſoll nicht lange dauern. Ich weiß auch ſchon, wo ich miete …“ „Nun?“ „Das bleibt mein Geheimnis. Ich will auch ein Geheimnis haben. Damit will ich Dich dann überraſchen.“ In dieſem Augenblick trat Friedrich ein, um die Poſtſachen abzugeben. Das meiſte war Dienſt¬ liches und Zeitungen. „Ah, da iſt auch ein Brief für Dich,“ ſagte Innſtetten. „Und wenn ich nicht irre, die Handſchrift der Mama.“ Effi nahm den Brief. „Ja, von der Mama. Aber das iſt ja nicht der Frieſacker Poſtſtempel; ſieh nur, das heißt ja deutlich Berlin.“ „Freilich,“ lachte Innſtetten „Du thuſt, als ob es ein Wunder wäre. Die Mama wird in Berlin ſein und hat ihrem Liebling von ihrem Hotel aus einen Brief geſchrieben.“ „Ja,“ ſagte Effi, „ſo wird es ſein. Aber ich ängſtige mich doch beinah und kann keinen rechten Troſt darin finden, daß Hulda Niemeyer immer ſagte: wenn man ſich ängſtigt, iſt es beſſer, als wenn man hofft. Was meinſt Du dazu?“ „Für eine Paſtorstochter nicht ganz auf der Höhe. Aber nun lies den Brief. Hier iſt ein Papiermeſſer.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/331>, abgerufen am 29.11.2024.