Am andern Morgen nahmen beide gemein¬ schaftlich ihr etwas verspätetes Frühstück. Innstetten hatte seine Mißstimmung und Schlimmeres über¬ wunden, und Effi lebte so ganz dem Gefühl ihrer Befreiung, daß sie nicht bloß die Fähigkeit einer ge¬ wissen erkünstelten guten Laune, sondern fast auch ihre frühere Unbefangenheit wieder gewonnen hatte. Sie war noch in Kessin, und doch war ihr schon zu Mute, als läge es weit hinter ihr.
"Ich habe mir's überlegt, Effi," sagte Inn¬ stetten, "Du hast nicht so ganz unrecht mit allem, was Du gegen unser Haus hier gesagt hast. Für Kapitän Thomsen war es gerade gut genug, aber nicht für eine junge verwöhnte Frau; alles alt¬ modisch, kein Platz. Da sollst Du's in Berlin besser haben, auch einen Saal, aber einen andern als hier, und auf Flur und Treppe hohe bunte Glasfenster, Kaiser Wilhelm mit Szepter und Krone oder auch
Zweiundzwanzigſtes Kapitel.
Am andern Morgen nahmen beide gemein¬ ſchaftlich ihr etwas verſpätetes Frühſtück. Innſtetten hatte ſeine Mißſtimmung und Schlimmeres über¬ wunden, und Effi lebte ſo ganz dem Gefühl ihrer Befreiung, daß ſie nicht bloß die Fähigkeit einer ge¬ wiſſen erkünſtelten guten Laune, ſondern faſt auch ihre frühere Unbefangenheit wieder gewonnen hatte. Sie war noch in Keſſin, und doch war ihr ſchon zu Mute, als läge es weit hinter ihr.
„Ich habe mir's überlegt, Effi,“ ſagte Inn¬ ſtetten, „Du haſt nicht ſo ganz unrecht mit allem, was Du gegen unſer Haus hier geſagt haſt. Für Kapitän Thomſen war es gerade gut genug, aber nicht für eine junge verwöhnte Frau; alles alt¬ modiſch, kein Platz. Da ſollſt Du's in Berlin beſſer haben, auch einen Saal, aber einen andern als hier, und auf Flur und Treppe hohe bunte Glasfenſter, Kaiſer Wilhelm mit Szepter und Krone oder auch
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Zweiundzwanzigſtes Kapitel.
Am andern Morgen nahmen beide gemein¬
ſchaftlich ihr etwas verſpätetes Frühſtück. Innſtetten
hatte ſeine Mißſtimmung und Schlimmeres über¬
wunden, und Effi lebte ſo ganz dem Gefühl ihrer
Befreiung, daß ſie nicht bloß die Fähigkeit einer ge¬
wiſſen erkünſtelten guten Laune, ſondern faſt auch
ihre frühere Unbefangenheit wieder gewonnen hatte.
Sie war noch in Keſſin, und doch war ihr ſchon
zu Mute, als läge es weit hinter ihr.
„Ich habe mir's überlegt, Effi,“ ſagte Inn¬
ſtetten, „Du haſt nicht ſo ganz unrecht mit allem,
was Du gegen unſer Haus hier geſagt haſt. Für
Kapitän Thomſen war es gerade gut genug, aber
nicht für eine junge verwöhnte Frau; alles alt¬
modiſch, kein Platz. Da ſollſt Du's in Berlin beſſer
haben, auch einen Saal, aber einen andern als hier,
und auf Flur und Treppe hohe bunte Glasfenſter,
Kaiſer Wilhelm mit Szepter und Krone oder auch
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. [320]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/329>, abgerufen am 29.11.2024.
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