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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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die bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er nun
seinerseits von den heraufbeschworenen Geistern strenge Worte,
drohende Strafreden und die Ermahnung, auf den Pfad der
Tugend zurückzukehren. Er rief mit banger Stimme nach seinen
Freunden; er bat inständig, den Zauber zu lösen und ihn von
seiner Todesangst zu befreien. Nach einigem Zögern trat
Bischofswerder in das Cabinet und führte den zum Tode Er-
schöpften nach seinem Wagen. Er verlangte zur Lichtenau zurück-
gebracht zu werden, ein Wunsch, dem nicht nachgegeben wurde.
So kehrte er noch während derselben Nacht nach Potsdam zurück.

Das war, wie schon angedeutet, muthmaßlich Anfang der
90er Jahre. Bestimmte Zeitangaben fehlen.

Von jenem Abend an stand das Belvedere 50 Jahre
lang leer. Es war, als wäre es an dieser Stelle nur aus der
Erde gewachsen, um als Roccoco-Schaubühne für eine Geister-
komödie, hinterher aber um als Wahrzeichen dafür zu dienen,
daß das alles einstens wirklich war.

Durch ein halbes Jahrhundert hin waren alle diese Plätze
verfehmt. Marmorpalais, Belvedere, Marquardt, das Ekkardt-
steinsche Haus, auch andre noch, man mied sie, man nannte sie
kaum. Erst Friedrich Wilhelm IV., innerlich freier, machte
einen Versuch, den Bann der 90er Jahre zu durchbrechen. Das
Marmorpalais sah wieder Gondeln an seiner Treppe; die
Miniatur-Büste der Lichtenau, ein Chef d'oeuvre, wurde an
altem Platze aufgestellt; was einst Abneigung erweckt hatte,
weckte nur noch Interesse. Auch das Belvedere schien wieder
zu Ehren kommen zu sollen. Von seinem Balkone aus sah der
heitere König, dessen eigene sittliche Integrität ihm die Milde
(auch nach dieser Seite hin) zum Bedürfniß machte, in Däm-
merstunden, beim Theegeplauder, das Spreethal hinunter, freute
sich der Segelkähne, die kamen und gingen, der langen Züge,
die rasselnd, dampfend, vorübersausten, der dunklen Flächen des
Grunewaldes hier, der Jungfernhaide dort, endlich des rothen
Spandauer Thurms, der die Zickzack-Festungswerke drüben am
westlichen Horizont hoch überragte.

die bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er nun
ſeinerſeits von den heraufbeſchworenen Geiſtern ſtrenge Worte,
drohende Strafreden und die Ermahnung, auf den Pfad der
Tugend zurückzukehren. Er rief mit banger Stimme nach ſeinen
Freunden; er bat inſtändig, den Zauber zu löſen und ihn von
ſeiner Todesangſt zu befreien. Nach einigem Zögern trat
Biſchofswerder in das Cabinet und führte den zum Tode Er-
ſchöpften nach ſeinem Wagen. Er verlangte zur Lichtenau zurück-
gebracht zu werden, ein Wunſch, dem nicht nachgegeben wurde.
So kehrte er noch während derſelben Nacht nach Potsdam zurück.

Das war, wie ſchon angedeutet, muthmaßlich Anfang der
90er Jahre. Beſtimmte Zeitangaben fehlen.

Von jenem Abend an ſtand das Belvedère 50 Jahre
lang leer. Es war, als wäre es an dieſer Stelle nur aus der
Erde gewachſen, um als Roccoco-Schaubühne für eine Geiſter-
komödie, hinterher aber um als Wahrzeichen dafür zu dienen,
daß das alles einſtens wirklich war.

Durch ein halbes Jahrhundert hin waren alle dieſe Plätze
verfehmt. Marmorpalais, Belvedère, Marquardt, das Ekkardt-
ſteinſche Haus, auch andre noch, man mied ſie, man nannte ſie
kaum. Erſt Friedrich Wilhelm IV., innerlich freier, machte
einen Verſuch, den Bann der 90er Jahre zu durchbrechen. Das
Marmorpalais ſah wieder Gondeln an ſeiner Treppe; die
Miniatur-Büſte der Lichtenau, ein Chef d’oeuvre, wurde an
altem Platze aufgeſtellt; was einſt Abneigung erweckt hatte,
weckte nur noch Intereſſe. Auch das Belvedère ſchien wieder
zu Ehren kommen zu ſollen. Von ſeinem Balkone aus ſah der
heitere König, deſſen eigene ſittliche Integrität ihm die Milde
(auch nach dieſer Seite hin) zum Bedürfniß machte, in Däm-
merſtunden, beim Theegeplauder, das Spreethal hinunter, freute
ſich der Segelkähne, die kamen und gingen, der langen Züge,
die raſſelnd, dampfend, vorüberſauſten, der dunklen Flächen des
Grunewaldes hier, der Jungfernhaide dort, endlich des rothen
Spandauer Thurms, der die Zickzack-Feſtungswerke drüben am
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[142/0160] die bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er nun ſeinerſeits von den heraufbeſchworenen Geiſtern ſtrenge Worte, drohende Strafreden und die Ermahnung, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Er rief mit banger Stimme nach ſeinen Freunden; er bat inſtändig, den Zauber zu löſen und ihn von ſeiner Todesangſt zu befreien. Nach einigem Zögern trat Biſchofswerder in das Cabinet und führte den zum Tode Er- ſchöpften nach ſeinem Wagen. Er verlangte zur Lichtenau zurück- gebracht zu werden, ein Wunſch, dem nicht nachgegeben wurde. So kehrte er noch während derſelben Nacht nach Potsdam zurück. Das war, wie ſchon angedeutet, muthmaßlich Anfang der 90er Jahre. Beſtimmte Zeitangaben fehlen. Von jenem Abend an ſtand das Belvedère 50 Jahre lang leer. Es war, als wäre es an dieſer Stelle nur aus der Erde gewachſen, um als Roccoco-Schaubühne für eine Geiſter- komödie, hinterher aber um als Wahrzeichen dafür zu dienen, daß das alles einſtens wirklich war. Durch ein halbes Jahrhundert hin waren alle dieſe Plätze verfehmt. Marmorpalais, Belvedère, Marquardt, das Ekkardt- ſteinſche Haus, auch andre noch, man mied ſie, man nannte ſie kaum. Erſt Friedrich Wilhelm IV., innerlich freier, machte einen Verſuch, den Bann der 90er Jahre zu durchbrechen. Das Marmorpalais ſah wieder Gondeln an ſeiner Treppe; die Miniatur-Büſte der Lichtenau, ein Chef d’oeuvre, wurde an altem Platze aufgeſtellt; was einſt Abneigung erweckt hatte, weckte nur noch Intereſſe. Auch das Belvedère ſchien wieder zu Ehren kommen zu ſollen. Von ſeinem Balkone aus ſah der heitere König, deſſen eigene ſittliche Integrität ihm die Milde (auch nach dieſer Seite hin) zum Bedürfniß machte, in Däm- merſtunden, beim Theegeplauder, das Spreethal hinunter, freute ſich der Segelkähne, die kamen und gingen, der langen Züge, die raſſelnd, dampfend, vorüberſauſten, der dunklen Flächen des Grunewaldes hier, der Jungfernhaide dort, endlich des rothen Spandauer Thurms, der die Zickzack-Feſtungswerke drüben am weſtlichen Horizont hoch überragte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/160>, abgerufen am 29.11.2024.