es Eingangs zu zeichnen suchte, durch eine Reihenfolge kleiner Züge zu vervollständigen. Ich gebe die Mittheilungen, wie sie mir zuge- gangen sind, ohne weitere Zuthat meinerseits, als die einer über- sichtlichen Gruppirung.
Den Pfarracker hatte er verpachtet, weil er nicht "verbauern" wollte. Aber wenn er auch seine Ehre und seine Aufgabe darin setzte, nicht selbst ein Bauer zu werden, so liebte er doch die Land- leute sehr und sprach gern und eingehend mit ihnen. Die Land- wirthschaft, als ein Großes und Ganzes, hatte er bei Seit' gethan, aber sein Garten war seine tägliche Freude. Er hätte ohne diese tägliche Berührung mit dem Leben der Natur nicht sein können.
Der Garten lag unmittelbar hinter dem Hause, rechts von der Kirchhofsmauer (über die die Grabkreuze hinwegragten), links von Nachbarsgärten eingefaßt; nach hinten zu blickte der Garten in's Feld. Schneeball- und Hollunder-Bosquets empfingen den Be- sucher, der aus der geräumigen Küche, mit ihren blank gescheuerten Kesseln, in den unmittelbar dahinter gelegenen Garten eintrat. Die eigentliche Sehenswürdigkeit des Gartens war ein alter Birnbaum (der noch jetzt existirt und der schon damals als der größte und reichste in den Brandenburgischen Marken galt); sein Schmuck und seine Schönheit aber waren die vier Lauben, die, die eine immer schöner als die andere, an der Peripherie des Gartens standen. Drei davon, die dem Hause zunächst lagen, waren Fliederlauben, in denen, je nach der Tageszeit und dem Stand der Sonne, die Besuche empfangen und der Kaffee getrunken wurde; die vierte aber, die mehr eine hohe, kreisrunde Blühdornhecke, als eine eigentliche Laube war, erhob sich auf einer kleinen Anhöhe am äußersten Ende des Gartens und führte den Namen "Sieh dich um." In diese Hecke waren kleine Fensteröffnungen hineingeschnit- ten, die nun, je nachdem man den Stand nahm, die reizendsten Blicke auf Kirchhof, Gärten oder blühende Felder gestatteten. Rothe und weiße Rosen faßten überall die Steige ein; die eine der Lauben aber, die sich an die Kirchhofsmauer lehnte, führte deutungsreich den Namen "Henrietten's Ruh."
es Eingangs zu zeichnen ſuchte, durch eine Reihenfolge kleiner Züge zu vervollſtändigen. Ich gebe die Mittheilungen, wie ſie mir zuge- gangen ſind, ohne weitere Zuthat meinerſeits, als die einer über- ſichtlichen Gruppirung.
Den Pfarracker hatte er verpachtet, weil er nicht „verbauern“ wollte. Aber wenn er auch ſeine Ehre und ſeine Aufgabe darin ſetzte, nicht ſelbſt ein Bauer zu werden, ſo liebte er doch die Land- leute ſehr und ſprach gern und eingehend mit ihnen. Die Land- wirthſchaft, als ein Großes und Ganzes, hatte er bei Seit’ gethan, aber ſein Garten war ſeine tägliche Freude. Er hätte ohne dieſe tägliche Berührung mit dem Leben der Natur nicht ſein können.
Der Garten lag unmittelbar hinter dem Hauſe, rechts von der Kirchhofsmauer (über die die Grabkreuze hinwegragten), links von Nachbarsgärten eingefaßt; nach hinten zu blickte der Garten in’s Feld. Schneeball- und Hollunder-Bosquets empfingen den Be- ſucher, der aus der geräumigen Küche, mit ihren blank geſcheuerten Keſſeln, in den unmittelbar dahinter gelegenen Garten eintrat. Die eigentliche Sehenswürdigkeit des Gartens war ein alter Birnbaum (der noch jetzt exiſtirt und der ſchon damals als der größte und reichſte in den Brandenburgiſchen Marken galt); ſein Schmuck und ſeine Schönheit aber waren die vier Lauben, die, die eine immer ſchöner als die andere, an der Peripherie des Gartens ſtanden. Drei davon, die dem Hauſe zunächſt lagen, waren Fliederlauben, in denen, je nach der Tageszeit und dem Stand der Sonne, die Beſuche empfangen und der Kaffee getrunken wurde; die vierte aber, die mehr eine hohe, kreisrunde Blühdornhecke, als eine eigentliche Laube war, erhob ſich auf einer kleinen Anhöhe am äußerſten Ende des Gartens und führte den Namen „Sieh dich um.“ In dieſe Hecke waren kleine Fenſteröffnungen hineingeſchnit- ten, die nun, je nachdem man den Stand nahm, die reizendſten Blicke auf Kirchhof, Gärten oder blühende Felder geſtatteten. Rothe und weiße Roſen faßten überall die Steige ein; die eine der Lauben aber, die ſich an die Kirchhofsmauer lehnte, führte deutungsreich den Namen „Henrietten’s Ruh.“
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es Eingangs zu zeichnen ſuchte, durch eine Reihenfolge kleiner Züge
zu vervollſtändigen. Ich gebe die Mittheilungen, wie ſie mir zuge-
gangen ſind, ohne weitere Zuthat meinerſeits, als die einer über-
ſichtlichen Gruppirung.
Den Pfarracker hatte er verpachtet, weil er nicht „verbauern“
wollte. Aber wenn er auch ſeine Ehre und ſeine Aufgabe darin
ſetzte, nicht ſelbſt ein Bauer zu werden, ſo liebte er doch die Land-
leute ſehr und ſprach gern und eingehend mit ihnen. Die Land-
wirthſchaft, als ein Großes und Ganzes, hatte er bei Seit’ gethan,
aber ſein Garten war ſeine tägliche Freude. Er hätte ohne dieſe
tägliche Berührung mit dem Leben der Natur nicht ſein können.
Der Garten lag unmittelbar hinter dem Hauſe, rechts von der
Kirchhofsmauer (über die die Grabkreuze hinwegragten), links von
Nachbarsgärten eingefaßt; nach hinten zu blickte der Garten in’s
Feld. Schneeball- und Hollunder-Bosquets empfingen den Be-
ſucher, der aus der geräumigen Küche, mit ihren blank geſcheuerten
Keſſeln, in den unmittelbar dahinter gelegenen Garten eintrat. Die
eigentliche Sehenswürdigkeit des Gartens war ein alter Birnbaum
(der noch jetzt exiſtirt und der ſchon damals als der größte und
reichſte in den Brandenburgiſchen Marken galt); ſein Schmuck und
ſeine Schönheit aber waren die vier Lauben, die, die eine immer
ſchöner als die andere, an der Peripherie des Gartens ſtanden.
Drei davon, die dem Hauſe zunächſt lagen, waren Fliederlauben,
in denen, je nach der Tageszeit und dem Stand der Sonne, die
Beſuche empfangen und der Kaffee getrunken wurde; die vierte
aber, die mehr eine hohe, kreisrunde Blühdornhecke, als eine
eigentliche Laube war, erhob ſich auf einer kleinen Anhöhe am
äußerſten Ende des Gartens und führte den Namen „Sieh dich
um.“ In dieſe Hecke waren kleine Fenſteröffnungen hineingeſchnit-
ten, die nun, je nachdem man den Stand nahm, die reizendſten
Blicke auf Kirchhof, Gärten oder blühende Felder geſtatteten.
Rothe und weiße Roſen faßten überall die Steige ein; die eine
der Lauben aber, die ſich an die Kirchhofsmauer lehnte, führte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/303>, abgerufen am 23.11.2024.
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