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Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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Einvernehmen erzielen liesse. Nun aber kommt ein Punkt,
in welchem er abweicht, und in welchem ich ihm Recht
gebe. Er hebt nämlich hervor, dass ausser den genannten
doch auch noch andere störende Kräfte im Leben der
Sprache vorhanden sein könnten. Das hat nun zwar Brug-
mann gelegentlich auch hervorgehoben, sogar in übertrei-
bender Fassung, wenn er in Curtius' Studien 9, 373 be-
hauptet, dass es der hemmenden und ablenkenden Kräfte
im Sprachleben tausendfache gebe, aber ich und andere
haben bei der systematischen Formulirung diesen Gesichts-
punkt nicht hinreichend gewürdigt. Ob freilich solche
Kräfte schon gefunden sind, das ist eine andere Frage.
Durch das, was Curtius im zweiten Capitel beibringt, schei-
nen sie mir nicht nachgewiesen.1)

Wir kommen nunmehr, wenn wir sämmtliche Ent-
lehnungen ausgeschieden, sämmtliche Wirkungen hemmen-
der Kräfte, die sich vielleicht nicht alle unter den Begriff
der Association bringen lassen, aufgehoben, endlich das
Schwanken eines etwaigen Uebergangsstadiums beseitigt den-
ken, zu demjenigen Zustand des Gesprochenen, in welchem
der gesetzmässige Lautwandel herrscht, und es ist nun noch
in der Kürze zu erörtern, was uns zu dieser Annahme ge-
setzmässigen Lautwandels treibt. Es sind das -- wenn ich
hier von der philosophischen Seite der Sache absehen darf --
wesentlich die folgenden Erwägungen:

Erstens: Dass Gesetze in der Sprache herrschen, wird
allgemein anerkannt.Wir haben uns bemüht, Alles das,
was den gesetzmässigen Verlauf hindert, zu erkennen, und
dürfen nunmehr hoffen, die Masse gefunden zu haben, wo
die Gesetzmässigkeit ihren Sitz hat.

1) Die von Curtius S. 51 Anm. angeführte Arbeit de Saussure's
habe ich noch nicht einsehen können.

Einvernehmen erzielen liesse. Nun aber kommt ein Punkt,
in welchem er abweicht, und in welchem ich ihm Recht
gebe. Er hebt nämlich hervor, dass ausser den genannten
doch auch noch andere störende Kräfte im Leben der
Sprache vorhanden sein könnten. Das hat nun zwar Brug-
mann gelegentlich auch hervorgehoben, sogar in übertrei-
bender Fassung, wenn er in Curtius' Studien 9, 373 be-
hauptet, dass es der hemmenden und ablenkenden Kräfte
im Sprachleben tausendfache gebe, aber ich und andere
haben bei der systematischen Formulirung diesen Gesichts-
punkt nicht hinreichend gewürdigt. Ob freilich solche
Kräfte schon gefunden sind, das ist eine andere Frage.
Durch das, was Curtius im zweiten Capitel beibringt, schei-
nen sie mir nicht nachgewiesen.1)

Wir kommen nunmehr, wenn wir sämmtliche Ent-
lehnungen ausgeschieden, sämmtliche Wirkungen hemmen-
der Kräfte, die sich vielleicht nicht alle unter den Begriff
der Association bringen lassen, aufgehoben, endlich das
Schwanken eines etwaigen Uebergangsstadiums beseitigt den-
ken, zu demjenigen Zustand des Gesprochenen, in welchem
der gesetzmässige Lautwandel herrscht, und es ist nun noch
in der Kürze zu erörtern, was uns zu dieser Annahme ge-
setzmässigen Lautwandels treibt. Es sind das — wenn ich
hier von der philosophischen Seite der Sache absehen darf —
wesentlich die folgenden Erwägungen:

Erstens: Dass Gesetze in der Sprache herrschen, wird
allgemein anerkannt.Wir haben uns bemüht, Alles das,
was den gesetzmässigen Verlauf hindert, zu erkennen, und
dürfen nunmehr hoffen, die Masse gefunden zu haben, wo
die Gesetzmässigkeit ihren Sitz hat.

1) Die von Curtius S. 51 Anm. angeführte Arbeit de Saussure's
habe ich noch nicht einsehen können.
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[16/0021] Einvernehmen erzielen liesse. Nun aber kommt ein Punkt, in welchem er abweicht, und in welchem ich ihm Recht gebe. Er hebt nämlich hervor, dass ausser den genannten doch auch noch andere störende Kräfte im Leben der Sprache vorhanden sein könnten. Das hat nun zwar Brug- mann gelegentlich auch hervorgehoben, sogar in übertrei- bender Fassung, wenn er in Curtius' Studien 9, 373 be- hauptet, dass es der hemmenden und ablenkenden Kräfte im Sprachleben tausendfache gebe, aber ich und andere haben bei der systematischen Formulirung diesen Gesichts- punkt nicht hinreichend gewürdigt. Ob freilich solche Kräfte schon gefunden sind, das ist eine andere Frage. Durch das, was Curtius im zweiten Capitel beibringt, schei- nen sie mir nicht nachgewiesen. 1) Wir kommen nunmehr, wenn wir sämmtliche Ent- lehnungen ausgeschieden, sämmtliche Wirkungen hemmen- der Kräfte, die sich vielleicht nicht alle unter den Begriff der Association bringen lassen, aufgehoben, endlich das Schwanken eines etwaigen Uebergangsstadiums beseitigt den- ken, zu demjenigen Zustand des Gesprochenen, in welchem der gesetzmässige Lautwandel herrscht, und es ist nun noch in der Kürze zu erörtern, was uns zu dieser Annahme ge- setzmässigen Lautwandels treibt. Es sind das — wenn ich hier von der philosophischen Seite der Sache absehen darf — wesentlich die folgenden Erwägungen: Erstens: Dass Gesetze in der Sprache herrschen, wird allgemein anerkannt.Wir haben uns bemüht, Alles das, was den gesetzmässigen Verlauf hindert, zu erkennen, und dürfen nunmehr hoffen, die Masse gefunden zu haben, wo die Gesetzmässigkeit ihren Sitz hat. 1) Die von Curtius S. 51 Anm. angeführte Arbeit de Saussure's habe ich noch nicht einsehen können.

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Zitationshilfe: Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885/21>, abgerufen am 18.04.2024.