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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.daß es die Wahrheit sei, und entgegnete: er würde sich
gerne dafür bemühen, wenn er einen Lehrer fände; --
Niccoli sagte: dafür lasse du mich sorgen. Und in der
That schaffte er ihm einen gelehrten Mann für das Latei-
nische und für das Griechische, Namens Pontano, welchen
Piero wie einen Hausgenossen hielt und mit 100 Gold-
gulden im Jahr besoldete. Statt der bisherigen Ueppigkeit
studirte er nun Tag und Nacht und wurde ein Freund
aller Gebildeten und ein großgesinnter Staatsmann. Die
ganze Aeneide und viele Reden des Livius lernte er aus-
wendig, meist auf dem Wege zwischen Florenz und seinem
Landhause zu Trebbio.

G. Mannetti.In anderm, höherm Sinne vertritt Giannozzo Man-
netti1) das Alterthum. Frühreif, fast als Kind, hatte er
schon eine Kaufmannslehrzeit durchgemacht und war Buch-
führer eines Bankiers; nach einiger Zeit aber erschien ihm
dieses Thun eitel und vergänglich, und er sehnte sich nach
der Wissenschaft, durch welche allein der Mensch sich der
Unsterblichkeit versichern könne; er zuerst vom florentinischen
Adel vergrub sich nun in den Büchern und wurde, wie
schon erwähnt, einer der größten Gelehrten seiner Zeit.
Als ihn aber der Staat als Geschäftsträger, Steuerbeamten
und Statthalter (in Pescia und Pistoja) verwandte, ver-
sah er seine Aemter so, als wäre in ihm ein hohes Ideal
erwacht, das gemeinsame Resultat seiner humanistischen
Studien und seiner Religiosität. Er exequirte die gehässig-
sten Steuern, die der Staat beschlossen hatte, und nahm
für seine Mühe keine Besoldung an; als Provinzialvorsteher
wies er alle Geschenke zurück, sorgte für Kornzufuhr,
schlichtete rastlos Processe und that überhaupt Alles für die
Bändigung der Leidenschaften durch Güte. Die Pistojesen
haben nie herausfinden können, welcher von ihren beiden
Parteien er sich mehr zuneige; wie zum Symbol des ge-

1) S. dessen Vita bei Murat. XX. Col. 532, s.

3. Abſchnitt.daß es die Wahrheit ſei, und entgegnete: er würde ſich
gerne dafür bemühen, wenn er einen Lehrer fände; —
Niccoli ſagte: dafür laſſe du mich ſorgen. Und in der
That ſchaffte er ihm einen gelehrten Mann für das Latei-
niſche und für das Griechiſche, Namens Pontano, welchen
Piero wie einen Hausgenoſſen hielt und mit 100 Gold-
gulden im Jahr beſoldete. Statt der bisherigen Ueppigkeit
ſtudirte er nun Tag und Nacht und wurde ein Freund
aller Gebildeten und ein großgeſinnter Staatsmann. Die
ganze Aeneide und viele Reden des Livius lernte er aus-
wendig, meiſt auf dem Wege zwiſchen Florenz und ſeinem
Landhauſe zu Trebbio.

G. Mannetti.In anderm, höherm Sinne vertritt Giannozzo Man-
netti1) das Alterthum. Frühreif, faſt als Kind, hatte er
ſchon eine Kaufmannslehrzeit durchgemacht und war Buch-
führer eines Bankiers; nach einiger Zeit aber erſchien ihm
dieſes Thun eitel und vergänglich, und er ſehnte ſich nach
der Wiſſenſchaft, durch welche allein der Menſch ſich der
Unſterblichkeit verſichern könne; er zuerſt vom florentiniſchen
Adel vergrub ſich nun in den Büchern und wurde, wie
ſchon erwähnt, einer der größten Gelehrten ſeiner Zeit.
Als ihn aber der Staat als Geſchäftsträger, Steuerbeamten
und Statthalter (in Pescia und Piſtoja) verwandte, ver-
ſah er ſeine Aemter ſo, als wäre in ihm ein hohes Ideal
erwacht, das gemeinſame Reſultat ſeiner humaniſtiſchen
Studien und ſeiner Religioſität. Er exequirte die gehäſſig-
ſten Steuern, die der Staat beſchloſſen hatte, und nahm
für ſeine Mühe keine Beſoldung an; als Provinzialvorſteher
wies er alle Geſchenke zurück, ſorgte für Kornzufuhr,
ſchlichtete raſtlos Proceſſe und that überhaupt Alles für die
Bändigung der Leidenſchaften durch Güte. Die Piſtojeſen
haben nie herausfinden können, welcher von ihren beiden
Parteien er ſich mehr zuneige; wie zum Symbol des ge-

1) S. deſſen Vita bei Murat. XX. Col. 532, s.
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[212/0222] daß es die Wahrheit ſei, und entgegnete: er würde ſich gerne dafür bemühen, wenn er einen Lehrer fände; — Niccoli ſagte: dafür laſſe du mich ſorgen. Und in der That ſchaffte er ihm einen gelehrten Mann für das Latei- niſche und für das Griechiſche, Namens Pontano, welchen Piero wie einen Hausgenoſſen hielt und mit 100 Gold- gulden im Jahr beſoldete. Statt der bisherigen Ueppigkeit ſtudirte er nun Tag und Nacht und wurde ein Freund aller Gebildeten und ein großgeſinnter Staatsmann. Die ganze Aeneide und viele Reden des Livius lernte er aus- wendig, meiſt auf dem Wege zwiſchen Florenz und ſeinem Landhauſe zu Trebbio. 3. Abſchnitt. In anderm, höherm Sinne vertritt Giannozzo Man- netti 1) das Alterthum. Frühreif, faſt als Kind, hatte er ſchon eine Kaufmannslehrzeit durchgemacht und war Buch- führer eines Bankiers; nach einiger Zeit aber erſchien ihm dieſes Thun eitel und vergänglich, und er ſehnte ſich nach der Wiſſenſchaft, durch welche allein der Menſch ſich der Unſterblichkeit verſichern könne; er zuerſt vom florentiniſchen Adel vergrub ſich nun in den Büchern und wurde, wie ſchon erwähnt, einer der größten Gelehrten ſeiner Zeit. Als ihn aber der Staat als Geſchäftsträger, Steuerbeamten und Statthalter (in Pescia und Piſtoja) verwandte, ver- ſah er ſeine Aemter ſo, als wäre in ihm ein hohes Ideal erwacht, das gemeinſame Reſultat ſeiner humaniſtiſchen Studien und ſeiner Religioſität. Er exequirte die gehäſſig- ſten Steuern, die der Staat beſchloſſen hatte, und nahm für ſeine Mühe keine Beſoldung an; als Provinzialvorſteher wies er alle Geſchenke zurück, ſorgte für Kornzufuhr, ſchlichtete raſtlos Proceſſe und that überhaupt Alles für die Bändigung der Leidenſchaften durch Güte. Die Piſtojeſen haben nie herausfinden können, welcher von ihren beiden Parteien er ſich mehr zuneige; wie zum Symbol des ge- G. Mannetti. 1) S. deſſen Vita bei Murat. XX. Col. 532, s.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/222>, abgerufen am 29.03.2024.