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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Vespasiano (S. 625) als einen Mann, welcher auch in3. Abschnitt.
seiner äußern Umgebung nichts duldete was die antike
Stimmung stören konnte. Die schöne Gestalt in langem
Gewande, mit der freundlichen Rede, in dem Hause voll
herrlicher Alterthümer, machte den eigenthümlichsten Ein-
druck; er war über die Maßen reinlich in allen Dingen,
zumal beim Essen; da standen vor ihm auf dem weißesten
Linnen antike Gefäße und krystallene Becher1). Die Art,
wie er einen vergnügungssüchtigen jungen Florentiner für
seine Interessen gewinnt2), ist gar zu anmuthig, um sie
hier nicht zu erzählen.

Piero de' Pazzi, Sohn eines vornehmen Kaufmanns
und zu demselben Stande bestimmt, schön von Ansehen und
sehr den Freuden der Welt ergeben, dachte an nichts we-
niger als an die Wissenschaft. Eines Tages, als er am
Palazzo del Podesta3) vorbeiging, rief ihn Niccoli zu sich
heran, und er kam auf den Wink des hochangesehenen
Mannes, obwohl er noch nie mit demselben gesprochen hatte.
Niccoli fragte ihn: wer sein Vater sei? -- er antwortete:
Messer Andrea de' Pazzi; -- Jener fragte weiter: was
sein Geschäft sei? -- Piero erwiederte wie wohl junge
Leute thun: ich lasse mir es wohl sein, attendo a
darmi buon tempo
. -- Niccoli sagte: als Sohn eines
solchen Vaters und mit solcher Gestalt begabt, solltest du
dich schämen, die lateinische Wissenschaft nicht zu kennen,
die für dich eine so große Zierde wäre; wenn du sie nicht
erlernst, so wirst du nichts gelten, und sobald die Blüthe
der Jugend vorüber ist, ein Mensch ohne alle Bedeutung
(virtu) sein. Als Piero dieses hörte, erkannte er sogleich,

1) Die folgenden Worte Vespasiano's sind unübersetzbar: a vederlo in
tavola cosi antico come era, era una gentilezza
.
2) Ebenda, p. 485.
3) Laut Vespas. p. 271 war hier ein gelehrtes Stelldichein, wo auch
disputirt wurde.
14*

Vespaſiano (S. 625) als einen Mann, welcher auch in3. Abſchnitt.
ſeiner äußern Umgebung nichts duldete was die antike
Stimmung ſtören konnte. Die ſchöne Geſtalt in langem
Gewande, mit der freundlichen Rede, in dem Hauſe voll
herrlicher Alterthümer, machte den eigenthümlichſten Ein-
druck; er war über die Maßen reinlich in allen Dingen,
zumal beim Eſſen; da ſtanden vor ihm auf dem weißeſten
Linnen antike Gefäße und kryſtallene Becher1). Die Art,
wie er einen vergnügungsſüchtigen jungen Florentiner für
ſeine Intereſſen gewinnt2), iſt gar zu anmuthig, um ſie
hier nicht zu erzählen.

Piero de' Pazzi, Sohn eines vornehmen Kaufmanns
und zu demſelben Stande beſtimmt, ſchön von Anſehen und
ſehr den Freuden der Welt ergeben, dachte an nichts we-
niger als an die Wiſſenſchaft. Eines Tages, als er am
Palazzo del Podeſta3) vorbeiging, rief ihn Niccoli zu ſich
heran, und er kam auf den Wink des hochangeſehenen
Mannes, obwohl er noch nie mit demſelben geſprochen hatte.
Niccoli fragte ihn: wer ſein Vater ſei? — er antwortete:
Meſſer Andrea de' Pazzi; — Jener fragte weiter: was
ſein Geſchäft ſei? — Piero erwiederte wie wohl junge
Leute thun: ich laſſe mir es wohl ſein, attendo a
darmi buon tempo
. — Niccoli ſagte: als Sohn eines
ſolchen Vaters und mit ſolcher Geſtalt begabt, ſollteſt du
dich ſchämen, die lateiniſche Wiſſenſchaft nicht zu kennen,
die für dich eine ſo große Zierde wäre; wenn du ſie nicht
erlernſt, ſo wirſt du nichts gelten, und ſobald die Blüthe
der Jugend vorüber iſt, ein Menſch ohne alle Bedeutung
(virtù) ſein. Als Piero dieſes hörte, erkannte er ſogleich,

1) Die folgenden Worte Vespaſiano's ſind unüberſetzbar: a vederlo in
tavola così antico come era, era una gentilezza
.
2) Ebenda, p. 485.
3) Laut Vespas. p. 271 war hier ein gelehrtes Stelldichein, wo auch
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[211/0221] Vespaſiano (S. 625) als einen Mann, welcher auch in ſeiner äußern Umgebung nichts duldete was die antike Stimmung ſtören konnte. Die ſchöne Geſtalt in langem Gewande, mit der freundlichen Rede, in dem Hauſe voll herrlicher Alterthümer, machte den eigenthümlichſten Ein- druck; er war über die Maßen reinlich in allen Dingen, zumal beim Eſſen; da ſtanden vor ihm auf dem weißeſten Linnen antike Gefäße und kryſtallene Becher 1). Die Art, wie er einen vergnügungsſüchtigen jungen Florentiner für ſeine Intereſſen gewinnt 2), iſt gar zu anmuthig, um ſie hier nicht zu erzählen. 3. Abſchnitt. Piero de' Pazzi, Sohn eines vornehmen Kaufmanns und zu demſelben Stande beſtimmt, ſchön von Anſehen und ſehr den Freuden der Welt ergeben, dachte an nichts we- niger als an die Wiſſenſchaft. Eines Tages, als er am Palazzo del Podeſta 3) vorbeiging, rief ihn Niccoli zu ſich heran, und er kam auf den Wink des hochangeſehenen Mannes, obwohl er noch nie mit demſelben geſprochen hatte. Niccoli fragte ihn: wer ſein Vater ſei? — er antwortete: Meſſer Andrea de' Pazzi; — Jener fragte weiter: was ſein Geſchäft ſei? — Piero erwiederte wie wohl junge Leute thun: ich laſſe mir es wohl ſein, attendo a darmi buon tempo. — Niccoli ſagte: als Sohn eines ſolchen Vaters und mit ſolcher Geſtalt begabt, ſollteſt du dich ſchämen, die lateiniſche Wiſſenſchaft nicht zu kennen, die für dich eine ſo große Zierde wäre; wenn du ſie nicht erlernſt, ſo wirſt du nichts gelten, und ſobald die Blüthe der Jugend vorüber iſt, ein Menſch ohne alle Bedeutung (virtù) ſein. Als Piero dieſes hörte, erkannte er ſogleich, 1) Die folgenden Worte Vespaſiano's ſind unüberſetzbar: a vederlo in tavola così antico come era, era una gentilezza. 2) Ebenda, p. 485. 3) Laut Vespas. p. 271 war hier ein gelehrtes Stelldichein, wo auch disputirt wurde. 14*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/221>, abgerufen am 23.11.2024.