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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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kleinen Landes befolgte er die Politik, seinen auswärts ge-1. Abschnitt.
wonnenen Sold im Lande zu verzehren und dasselbe mög-
lichst wenig zu besteuern. Von ihm und seinen beiden
Nachfolgern Guidobaldo und Francesco Maria heißt es:
"sie errichteten Gebäude, beförderten den Anbau des Landes,
lebten an Ort und Stelle und besoldeten eine Menge Leute;
das Volk liebte sie". 1) Aber nicht nur der Staat war ein
wohl berechnetes und organisirtes Kunstwerk, sondern auch
der Hof, und zwar in jedem Sinne. Federigo unterhieltDer vollkom-
mene Hof.

500 Köpfe; die Hofchargen waren so vollständig wie kaum
an den Höfen der größten Monarchen, aber es wurde nichts
vergeudet, Alles hatte seinen Zweck und seine genaue Con-
trole. Hier wurde nicht gespielt, gelästert und geprahlt,
denn der Hof mußte zugleich eine militärische Erziehungs-
anstalt für die Söhne anderer großer Herrn darstellen,
deren Bildung eine Ehrensache für den Herzog war. Der
Palast, den er sich baute, war nicht der prächtigste, aber
classisch durch die Vollkommenheit seiner Anlage; dort sam-
melte er seinen größten Schatz, die berühmte Bibliothek.
Da er sich in einem Lande wo Jeder von ihm Vortheil
oder Verdienst zog und Niemand bettelte, vollkommen sicher
fühlte, so ging er beständig unbewaffnet und fast unbegleitet;
keiner konnte ihm das nachmachen, daß er in offenen Gär-
ten wandelte, in offenem Sale sein frugales Mahl hielt,
während aus Livius (zur Fastenzeit aus Andachtsschriften)
vorgelesen wurde. An demselben Nachmittag hörte er eine
Vorlesung aus dem Gebiet des Alterthums und ging dann
in das Kloster der Clarissen um mit der Oberin am Sprach-
gitter von heiligen Dingen zu reden. Abends leitete er
gerne die Leibesübungen der jungen Leute seines Hofes auf
der Wiese bei S. Francesco mit der herrlichen Aussicht,
und sah genau zu, daß sie sich bei den Fang- und Lauf-

1) Franc. Vettori, im Archiv. stor. Append. Tom. VI, p. 321. --
Ueber Federigo insbesondere: Vespasiano Fiorent. p. 132. s.

kleinen Landes befolgte er die Politik, ſeinen auswärts ge-1. Abſchnitt.
wonnenen Sold im Lande zu verzehren und daſſelbe mög-
lichſt wenig zu beſteuern. Von ihm und ſeinen beiden
Nachfolgern Guidobaldo und Francesco Maria heißt es:
„ſie errichteten Gebäude, beförderten den Anbau des Landes,
lebten an Ort und Stelle und beſoldeten eine Menge Leute;
das Volk liebte ſie“. 1) Aber nicht nur der Staat war ein
wohl berechnetes und organiſirtes Kunſtwerk, ſondern auch
der Hof, und zwar in jedem Sinne. Federigo unterhieltDer vollkom-
mene Hof.

500 Köpfe; die Hofchargen waren ſo vollſtändig wie kaum
an den Höfen der größten Monarchen, aber es wurde nichts
vergeudet, Alles hatte ſeinen Zweck und ſeine genaue Con-
trole. Hier wurde nicht geſpielt, geläſtert und geprahlt,
denn der Hof mußte zugleich eine militäriſche Erziehungs-
anſtalt für die Söhne anderer großer Herrn darſtellen,
deren Bildung eine Ehrenſache für den Herzog war. Der
Palaſt, den er ſich baute, war nicht der prächtigſte, aber
claſſiſch durch die Vollkommenheit ſeiner Anlage; dort ſam-
melte er ſeinen größten Schatz, die berühmte Bibliothek.
Da er ſich in einem Lande wo Jeder von ihm Vortheil
oder Verdienſt zog und Niemand bettelte, vollkommen ſicher
fühlte, ſo ging er beſtändig unbewaffnet und faſt unbegleitet;
keiner konnte ihm das nachmachen, daß er in offenen Gär-
ten wandelte, in offenem Sale ſein frugales Mahl hielt,
während aus Livius (zur Faſtenzeit aus Andachtsſchriften)
vorgeleſen wurde. An demſelben Nachmittag hörte er eine
Vorleſung aus dem Gebiet des Alterthums und ging dann
in das Kloſter der Clariſſen um mit der Oberin am Sprach-
gitter von heiligen Dingen zu reden. Abends leitete er
gerne die Leibesübungen der jungen Leute ſeines Hofes auf
der Wieſe bei S. Francesco mit der herrlichen Ausſicht,
und ſah genau zu, daß ſie ſich bei den Fang- und Lauf-

1) Franc. Vettori, im Archiv. stor. Append. Tom. VI, p. 321. —
Ueber Federigo insbeſondere: Vespasiano Fiorent. p. 132. s.
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[45/0055] kleinen Landes befolgte er die Politik, ſeinen auswärts ge- wonnenen Sold im Lande zu verzehren und daſſelbe mög- lichſt wenig zu beſteuern. Von ihm und ſeinen beiden Nachfolgern Guidobaldo und Francesco Maria heißt es: „ſie errichteten Gebäude, beförderten den Anbau des Landes, lebten an Ort und Stelle und beſoldeten eine Menge Leute; das Volk liebte ſie“. 1) Aber nicht nur der Staat war ein wohl berechnetes und organiſirtes Kunſtwerk, ſondern auch der Hof, und zwar in jedem Sinne. Federigo unterhielt 500 Köpfe; die Hofchargen waren ſo vollſtändig wie kaum an den Höfen der größten Monarchen, aber es wurde nichts vergeudet, Alles hatte ſeinen Zweck und ſeine genaue Con- trole. Hier wurde nicht geſpielt, geläſtert und geprahlt, denn der Hof mußte zugleich eine militäriſche Erziehungs- anſtalt für die Söhne anderer großer Herrn darſtellen, deren Bildung eine Ehrenſache für den Herzog war. Der Palaſt, den er ſich baute, war nicht der prächtigſte, aber claſſiſch durch die Vollkommenheit ſeiner Anlage; dort ſam- melte er ſeinen größten Schatz, die berühmte Bibliothek. Da er ſich in einem Lande wo Jeder von ihm Vortheil oder Verdienſt zog und Niemand bettelte, vollkommen ſicher fühlte, ſo ging er beſtändig unbewaffnet und faſt unbegleitet; keiner konnte ihm das nachmachen, daß er in offenen Gär- ten wandelte, in offenem Sale ſein frugales Mahl hielt, während aus Livius (zur Faſtenzeit aus Andachtsſchriften) vorgeleſen wurde. An demſelben Nachmittag hörte er eine Vorleſung aus dem Gebiet des Alterthums und ging dann in das Kloſter der Clariſſen um mit der Oberin am Sprach- gitter von heiligen Dingen zu reden. Abends leitete er gerne die Leibesübungen der jungen Leute ſeines Hofes auf der Wieſe bei S. Francesco mit der herrlichen Ausſicht, und ſah genau zu, daß ſie ſich bei den Fang- und Lauf- 1. Abſchnitt. Der vollkom- mene Hof. 1) Franc. Vettori, im Archiv. stor. Append. Tom. VI, p. 321. — Ueber Federigo insbeſondere: Vespasiano Fiorent. p. 132. s.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/55>, abgerufen am 30.11.2024.