1. Abschnitt.Gemahlin Isabella von Este sind, so locker es bisweilen hergehen mochte, ein würdevolles und einiges Ehepaar ge- blieben und haben bedeutende und glückliche Söhne erzogen in einer Zeit, da ihr kleiner, aber hochwichtiger Staat oft in der größten Gefahr schwebte. Daß Francesco als Fürst und als Condottiere eine besonders gerade und redliche Politik hätte befolgen sollen, das würde damals weder der Kaiser, noch die Könige von Frankreich, noch Venedig ver- langt oder gar erwartet haben, allein er fühlte sich wenig- stens seit der Schlacht am Taro (1495), soweit es die Waffenehre betraf, als italienischen Patrioten und theilte diese Gesinnung auch seiner Gemahlin mit. Sie empfindet fortan jede Aeußerung heldenmüthiger Treue, wie z. B. die Vertheidigung von Faenza gegen Cesare Borgia als eine Ehrenrettung Italiens. Unser Urtheil über sie braucht sich nicht auf die Künstler und Schriftsteller zu stützen, welche der schönen Fürstin ihr Mäcenat reichlich vergalten; ihre eigenen Briefe schildern uns die unerschütterlich ruhige, im Beobachten schalkhafte und liebenswürdige Frau hinlänglich. Bembo, Bandello, Ariosto und Bernardo Tasso sandten ihre Arbeiten an diesen Hof, obschon derselbe klein und macht- los und die Kasse oft sehr leer war; einen feinern ge- selligen Kreis als diesen gab es eben seit der Auflösung des alten urbinatischen Hofes (1508) doch nirgends mehr, und auch der ferraresische war wohl hier im Wesentlichen übertroffen, nämlich in der Freiheit der Bewegung. Specielle Kennerin war Isabella in der Kunst, und das Verzeichniß ihrer kleinen, höchst ausgesuchten Sammlung wird kein Kunstfreund ohne Bewegung lesen.
Federigo von Urbino.Urbino besaß in dem großen Federigo (1444--1482), mochte er nun ein echter Montefeltro sein oder nicht, einen der vortrefflichsten Repräsentanten des Fürstenthums. Als Condottiere hatte er die politische Moralität der Condottieren, woran sie nur zur Hälfte Schuld sind; als Fürst seines
1. Abſchnitt.Gemahlin Iſabella von Eſte ſind, ſo locker es bisweilen hergehen mochte, ein würdevolles und einiges Ehepaar ge- blieben und haben bedeutende und glückliche Söhne erzogen in einer Zeit, da ihr kleiner, aber hochwichtiger Staat oft in der größten Gefahr ſchwebte. Daß Francesco als Fürſt und als Condottiere eine beſonders gerade und redliche Politik hätte befolgen ſollen, das würde damals weder der Kaiſer, noch die Könige von Frankreich, noch Venedig ver- langt oder gar erwartet haben, allein er fühlte ſich wenig- ſtens ſeit der Schlacht am Taro (1495), ſoweit es die Waffenehre betraf, als italieniſchen Patrioten und theilte dieſe Geſinnung auch ſeiner Gemahlin mit. Sie empfindet fortan jede Aeußerung heldenmüthiger Treue, wie z. B. die Vertheidigung von Faenza gegen Ceſare Borgia als eine Ehrenrettung Italiens. Unſer Urtheil über ſie braucht ſich nicht auf die Künſtler und Schriftſteller zu ſtützen, welche der ſchönen Fürſtin ihr Mäcenat reichlich vergalten; ihre eigenen Briefe ſchildern uns die unerſchütterlich ruhige, im Beobachten ſchalkhafte und liebenswürdige Frau hinlänglich. Bembo, Bandello, Arioſto und Bernardo Taſſo ſandten ihre Arbeiten an dieſen Hof, obſchon derſelbe klein und macht- los und die Kaſſe oft ſehr leer war; einen feinern ge- ſelligen Kreis als dieſen gab es eben ſeit der Auflöſung des alten urbinatiſchen Hofes (1508) doch nirgends mehr, und auch der ferrareſiſche war wohl hier im Weſentlichen übertroffen, nämlich in der Freiheit der Bewegung. Specielle Kennerin war Iſabella in der Kunſt, und das Verzeichniß ihrer kleinen, höchſt ausgeſuchten Sammlung wird kein Kunſtfreund ohne Bewegung leſen.
Federigo von Urbino.Urbino beſaß in dem großen Federigo (1444—1482), mochte er nun ein echter Montefeltro ſein oder nicht, einen der vortrefflichſten Repräſentanten des Fürſtenthums. Als Condottiere hatte er die politiſche Moralität der Condottieren, woran ſie nur zur Hälfte Schuld ſind; als Fürſt ſeines
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Gemahlin Iſabella von Eſte ſind, ſo locker es bisweilen
hergehen mochte, ein würdevolles und einiges Ehepaar ge-
blieben und haben bedeutende und glückliche Söhne erzogen
in einer Zeit, da ihr kleiner, aber hochwichtiger Staat oft
in der größten Gefahr ſchwebte. Daß Francesco als Fürſt
und als Condottiere eine beſonders gerade und redliche
Politik hätte befolgen ſollen, das würde damals weder der
Kaiſer, noch die Könige von Frankreich, noch Venedig ver-
langt oder gar erwartet haben, allein er fühlte ſich wenig-
ſtens ſeit der Schlacht am Taro (1495), ſoweit es die
Waffenehre betraf, als italieniſchen Patrioten und theilte
dieſe Geſinnung auch ſeiner Gemahlin mit. Sie empfindet
fortan jede Aeußerung heldenmüthiger Treue, wie z. B. die
Vertheidigung von Faenza gegen Ceſare Borgia als eine
Ehrenrettung Italiens. Unſer Urtheil über ſie braucht ſich
nicht auf die Künſtler und Schriftſteller zu ſtützen, welche
der ſchönen Fürſtin ihr Mäcenat reichlich vergalten; ihre
eigenen Briefe ſchildern uns die unerſchütterlich ruhige, im
Beobachten ſchalkhafte und liebenswürdige Frau hinlänglich.
Bembo, Bandello, Arioſto und Bernardo Taſſo ſandten ihre
Arbeiten an dieſen Hof, obſchon derſelbe klein und macht-
los und die Kaſſe oft ſehr leer war; einen feinern ge-
ſelligen Kreis als dieſen gab es eben ſeit der Auflöſung
des alten urbinatiſchen Hofes (1508) doch nirgends mehr,
und auch der ferrareſiſche war wohl hier im Weſentlichen
übertroffen, nämlich in der Freiheit der Bewegung. Specielle
Kennerin war Iſabella in der Kunſt, und das Verzeichniß
ihrer kleinen, höchſt ausgeſuchten Sammlung wird kein
Kunſtfreund ohne Bewegung leſen.
1. Abſchnitt.
Urbino beſaß in dem großen Federigo (1444—1482),
mochte er nun ein echter Montefeltro ſein oder nicht, einen
der vortrefflichſten Repräſentanten des Fürſtenthums. Als
Condottiere hatte er die politiſche Moralität der Condottieren,
woran ſie nur zur Hälfte Schuld ſind; als Fürſt ſeines
Federigo von
Urbino.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/54>, abgerufen am 30.11.2024.
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