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Bunge, Gustav von: Der Vegetarianismus. Berlin, 1885.

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Ebenso wenig aber ist diese Lehre widerlegt worden.
Ein skeptischer Beurtheiler muss die Möglichkeit
zugeben, dass Milch und Eier dem Menschen zuträg-
licher seien als Fleisch1).

Fassen wir alles Gesagte zusammen, so müssen
wir bekennen: a priori lässt sich die Frage
nicht entscheiden; soweit ist die Wissen-
schaft noch nicht. Die Frage a posteriori

wimmelt. Ebensowenig darf ans der Schädlich keil des faulen
Fleisches auf die Schädlichkeit der Fleischirahrung überhaupt
geschlossen werden. In der Zersetzung begriffene Pflanzen-
nnhrung ist gleichfalls schädlich und erzeugt that-sächlich
Krankheiten. Die in der Vegetarianerliteratur immer wieder-
kohrende Behauptung, das Kreatin des Fleisches sei ein Gift,
ist völlig aus der Luft gegriffen. Unser Körper enthalt auch
bei rein vegetabilischer Nahrung in jedem Augenblicke circa
100 Gnu. Kreatin. Diese Menge wird durch eine reichliche
Fleischmahlzeit nur um einige Decigramine vermehrt. Dass
dieser Zuwachs irgend welche nachtheilige Folgen habe. ist.
eine völlig grundlose Annahme. Direete Versuche sprechen
ausserdem dagegen. (Vergl. meine Abhandlung: "Ueber die
physiologische Wirkung der Fleischbrühe und der Kalisalze."
Pflüger's Archiv, 1871. Bd. IV., S. 235.) -- Auf die Lehren
der Vegetarianer von der Entstehung der Krankheiten durch
Fleischgenuss und von der Heilung der Krankheiten durch
Fleischentziehung werde ich nicht eingehen. Auf diesem
dunklen Gebiete ist natürlich dem wüstesten Dogmatismen
Thür und Thor geöffnet.
1) Milch und Eier enthalten keine Albuminoide (icim-
gebende Substanzen). Der reiche Gehalt an Albuminoiden,
welche Producte der regressiven Stoffmetamorphose sind,
unterscheidet die Nahrung des Fleischfressers von der des
Pflanzenfressers und des Säuglings.


Ebenso wenig aber ist diese Lehre widerlegt worden.
Ein skeptischer Beurtheiler muss die Möglichkeit
zugeben, dass Milch und Eier dem Menschen zuträg-
licher seien als Fleisch1).

Fassen wir alles Gesagte zusammen, so müssen
wir bekennen: a priori lässt sich die Frage
nicht entscheiden; soweit ist die Wissen-
schaft noch nicht. Die Frage a posteriori

wimmelt. Ebensowenig darf ans der Schädlich keil des faulen
Fleisches auf die Schädlichkeit der Fleischirahrung überhaupt
geschlossen werden. In der Zersetzung begriffene Pflanzen-
nnhrung ist gleichfalls schädlich und erzeugt that-sächlich
Krankheiten. Die in der Vegetarianerliteratur immer wieder-
kohrende Behauptung, das Kreatin des Fleisches sei ein Gift,
ist völlig aus der Luft gegriffen. Unser Körper enthalt auch
bei rein vegetabilischer Nahrung in jedem Augenblicke circa
100 Gnu. Kreatin. Diese Menge wird durch eine reichliche
Fleischmahlzeit nur um einige Decigramine vermehrt. Dass
dieser Zuwachs irgend welche nachtheilige Folgen habe. ist.
eine völlig grundlose Annahme. Direete Versuche sprechen
ausserdem dagegen. (Vergl. meine Abhandlung: „Ueber die
physiologische Wirkung der Fleischbrühe und der Kalisalze.“
Pflüger’s Archiv, 1871. Bd. IV., S. 235.) — Auf die Lehren
der Vegetarianer von der Entstehung der Krankheiten durch
Fleischgenuss und von der Heilung der Krankheiten durch
Fleischentziehung werde ich nicht eingehen. Auf diesem
dunklen Gebiete ist natürlich dem wüstesten Dogmatismen
Thür und Thor geöffnet.
1) Milch und Eier enthalten keine Albuminoide (icim-
gebende Substanzen). Der reiche Gehalt an Albuminoiden,
welche Producte der regressiven Stoffmetamorphose sind,
unterscheidet die Nahrung des Fleischfressers von der des
Pflanzenfressers und des Säuglings.
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[24/0025] Ebenso wenig aber ist diese Lehre widerlegt worden. Ein skeptischer Beurtheiler muss die Möglichkeit zugeben, dass Milch und Eier dem Menschen zuträg- licher seien als Fleisch 1). Fassen wir alles Gesagte zusammen, so müssen wir bekennen: a priori lässt sich die Frage nicht entscheiden; soweit ist die Wissen- schaft noch nicht. Die Frage a posteriori 1) 1) Milch und Eier enthalten keine Albuminoide (icim- gebende Substanzen). Der reiche Gehalt an Albuminoiden, welche Producte der regressiven Stoffmetamorphose sind, unterscheidet die Nahrung des Fleischfressers von der des Pflanzenfressers und des Säuglings. 1) wimmelt. Ebensowenig darf ans der Schädlich keil des faulen Fleisches auf die Schädlichkeit der Fleischirahrung überhaupt geschlossen werden. In der Zersetzung begriffene Pflanzen- nnhrung ist gleichfalls schädlich und erzeugt that-sächlich Krankheiten. Die in der Vegetarianerliteratur immer wieder- kohrende Behauptung, das Kreatin des Fleisches sei ein Gift, ist völlig aus der Luft gegriffen. Unser Körper enthalt auch bei rein vegetabilischer Nahrung in jedem Augenblicke circa 100 Gnu. Kreatin. Diese Menge wird durch eine reichliche Fleischmahlzeit nur um einige Decigramine vermehrt. Dass dieser Zuwachs irgend welche nachtheilige Folgen habe. ist. eine völlig grundlose Annahme. Direete Versuche sprechen ausserdem dagegen. (Vergl. meine Abhandlung: „Ueber die physiologische Wirkung der Fleischbrühe und der Kalisalze.“ Pflüger’s Archiv, 1871. Bd. IV., S. 235.) — Auf die Lehren der Vegetarianer von der Entstehung der Krankheiten durch Fleischgenuss und von der Heilung der Krankheiten durch Fleischentziehung werde ich nicht eingehen. Auf diesem dunklen Gebiete ist natürlich dem wüstesten Dogmatismen Thür und Thor geöffnet.

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Zitationshilfe: Bunge, Gustav von: Der Vegetarianismus. Berlin, 1885, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bunge_vegetarianismus_1885/25>, abgerufen am 25.04.2024.