Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

innern, daß er Franzose sei. Ehrlicher Narr! ....
Aber er weiß, daß er ein Narr ist. Er sagt: Keinen
habe die Restauration, die ihm so viel zu verdanken,
mehr gehaßt als ihn, und er würde unter einer neuen
Restauration kein besseres Schicksal haben. Wer
kann solchen verführerischen Lockungen der Tugend
wiederstehen? Auch denke ich seit einiger Zeit daran,
ein Schuft zu werden. Es ist mir wahrhaftig nicht
um den baaren Vortheil zu thun, sondern nur um
meine Gemüthsruhe. Einem Schuft geht es immer
nach Wunsche, und er lebt in Frieden mit der Welt.
Das bischen Ehrlichkeit, daß sich ihm in heißen Ta¬
gen zuweilen auf die Nase setzt, belästigt ihn nicht
mehr als eine Mücke. Er schüttelt sich und ist sie
los. Ja, ich will ein Schuft werden. Was halten
Sie von meinem Plane?

Paganini's fünftes Conzert hat 24,000 Fran¬
ken eingetragen. Er hat folgenden Vertrag mit der
Theaterdirektion abgeschlossen. Er spielte Mittwoch
und Sonntag. Mittwoch bekommt er drei Viertheile
der Einnahme, und Sonntag die ganze, und gibt der
Direktion 3000 Franken ab. So läßt sich berechnen,
daß ihm die fünf Conzerte bis jetzt 90,000 Franken
eingetragen haben. Von der Taglioni habe ich Ih¬

innern, daß er Franzoſe ſei. Ehrlicher Narr! ....
Aber er weiß, daß er ein Narr iſt. Er ſagt: Keinen
habe die Reſtauration, die ihm ſo viel zu verdanken,
mehr gehaßt als ihn, und er würde unter einer neuen
Reſtauration kein beſſeres Schickſal haben. Wer
kann ſolchen verführeriſchen Lockungen der Tugend
wiederſtehen? Auch denke ich ſeit einiger Zeit daran,
ein Schuft zu werden. Es iſt mir wahrhaftig nicht
um den baaren Vortheil zu thun, ſondern nur um
meine Gemüthsruhe. Einem Schuft geht es immer
nach Wunſche, und er lebt in Frieden mit der Welt.
Das bischen Ehrlichkeit, daß ſich ihm in heißen Ta¬
gen zuweilen auf die Naſe ſetzt, beläſtigt ihn nicht
mehr als eine Mücke. Er ſchüttelt ſich und iſt ſie
los. Ja, ich will ein Schuft werden. Was halten
Sie von meinem Plane?

Paganini's fünftes Conzert hat 24,000 Fran¬
ken eingetragen. Er hat folgenden Vertrag mit der
Theaterdirektion abgeſchloſſen. Er ſpielte Mittwoch
und Sonntag. Mittwoch bekommt er drei Viertheile
der Einnahme, und Sonntag die ganze, und gibt der
Direktion 3000 Franken ab. So läßt ſich berechnen,
daß ihm die fünf Conzerte bis jetzt 90,000 Franken
eingetragen haben. Von der Taglioni habe ich Ih¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0219" n="205"/>
innern, daß er Franzo&#x017F;e &#x017F;ei. Ehrlicher Narr! ....<lb/>
Aber er weiß, daß er ein Narr i&#x017F;t. Er &#x017F;agt: Keinen<lb/>
habe die Re&#x017F;tauration, die ihm &#x017F;o viel zu verdanken,<lb/>
mehr gehaßt als ihn, und er würde unter einer neuen<lb/>
Re&#x017F;tauration kein be&#x017F;&#x017F;eres Schick&#x017F;al haben. Wer<lb/>
kann &#x017F;olchen verführeri&#x017F;chen Lockungen der Tugend<lb/>
wieder&#x017F;tehen? Auch denke ich &#x017F;eit einiger Zeit daran,<lb/>
ein Schuft zu werden. Es i&#x017F;t mir wahrhaftig nicht<lb/>
um den baaren Vortheil zu thun, &#x017F;ondern nur um<lb/>
meine Gemüthsruhe. Einem Schuft geht es immer<lb/>
nach Wun&#x017F;che, und er lebt in Frieden mit der Welt.<lb/>
Das bischen Ehrlichkeit, daß &#x017F;ich ihm in heißen Ta¬<lb/>
gen zuweilen auf die Na&#x017F;e &#x017F;etzt, belä&#x017F;tigt ihn nicht<lb/>
mehr als eine Mücke. Er &#x017F;chüttelt &#x017F;ich und i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
los. Ja, ich will ein Schuft werden. Was halten<lb/>
Sie von meinem Plane?</p><lb/>
          <p>Paganini's fünftes Conzert hat 24,000 Fran¬<lb/>
ken eingetragen. Er hat folgenden Vertrag mit der<lb/>
Theaterdirektion abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Er &#x017F;pielte Mittwoch<lb/>
und Sonntag. Mittwoch bekommt er drei Viertheile<lb/>
der Einnahme, und Sonntag die ganze, und gibt der<lb/>
Direktion 3000 Franken ab. So läßt &#x017F;ich berechnen,<lb/>
daß ihm die fünf Conzerte bis jetzt 90,000 Franken<lb/>
eingetragen haben. Von der Taglioni habe ich Ih¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0219] innern, daß er Franzoſe ſei. Ehrlicher Narr! .... Aber er weiß, daß er ein Narr iſt. Er ſagt: Keinen habe die Reſtauration, die ihm ſo viel zu verdanken, mehr gehaßt als ihn, und er würde unter einer neuen Reſtauration kein beſſeres Schickſal haben. Wer kann ſolchen verführeriſchen Lockungen der Tugend wiederſtehen? Auch denke ich ſeit einiger Zeit daran, ein Schuft zu werden. Es iſt mir wahrhaftig nicht um den baaren Vortheil zu thun, ſondern nur um meine Gemüthsruhe. Einem Schuft geht es immer nach Wunſche, und er lebt in Frieden mit der Welt. Das bischen Ehrlichkeit, daß ſich ihm in heißen Ta¬ gen zuweilen auf die Naſe ſetzt, beläſtigt ihn nicht mehr als eine Mücke. Er ſchüttelt ſich und iſt ſie los. Ja, ich will ein Schuft werden. Was halten Sie von meinem Plane? Paganini's fünftes Conzert hat 24,000 Fran¬ ken eingetragen. Er hat folgenden Vertrag mit der Theaterdirektion abgeſchloſſen. Er ſpielte Mittwoch und Sonntag. Mittwoch bekommt er drei Viertheile der Einnahme, und Sonntag die ganze, und gibt der Direktion 3000 Franken ab. So läßt ſich berechnen, daß ihm die fünf Conzerte bis jetzt 90,000 Franken eingetragen haben. Von der Taglioni habe ich Ih¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/219
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/219>, abgerufen am 29.11.2024.