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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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Von dem Zustande der Poesie
Den Polster hat gefüllt, darauf die erste Nacht
An ihre Seiten zart Adonis ward gebracht!
Wie wolt ich mich in Eil so lieblich riechend geben,
Und rund um den Altar mit süsser Kraft umschweben,
Um den Altar, der ziert ihrs Antlitz Tempel klar
Mehr als die andere, doch kundbar Schönheit, Schar.
Vielleicht würd mich dann auch Fortun so günstig führen,
Daß ich könt ungefehr den Purpur-Bogen rühren,
Welchen Cupido längst für seinen hat begehrt,
Wofehrn nicht Daphnes Reu und Phöbi Treu gewehrt.
Ach wie bin ich umsonst! Jezt alles thut erkalten,
Des Winters Boreas kein Blümlein kan erhalten,
Keiner Viol Geruch und keiner Nasen schon
Mein Wunsch erfüllen mag, dann ach ich muß darvon.

Wer Caspar Kirchnern nicht kennt, müßte
Opitzen nicht kennen, der seiner an so vielen Oertern
gedencket, und doch nirgend mit einem feinern Lo-
be, als in dem Gedichte, das er auf seine Ver-
mählung aufgesetzet, wo er folgende Zeilen von ihm
geschrieben:

Wo ist nun die Natur, wo sind die grossen Sinnen,
Mit derer Hoheit ihr zuvor erschöpffen können
Den Grund der Wissenschaft? Wo ist der Weisheit Zier,
Mit der ihr, hoher Geist, giengt vielen andern für?
Wo ist der Circkel dann, mit welchem ihr der Sternen,
Und Himmels Eigenschafft gepfleget zu erlernen?

Von diesem ist nun folgendes Gedichte:

ALs Jupiter die Welt hat gäntzlich ausgemachet,
Und auf dem Erden-Kreiß schon alles grünt und lachet,
Wand er sich dreymal um, und schauet hin und her,
Ob in dem grossen Hauß irgend ein Mangel wär.
Es fehlet noch ein Ding: Er ließ ein Thier furkommen,
Das nun fast überall die Welt hat eingenommen,
Ein artiges Gespenst, darnach ein jeder rennt,
Welches in unserm Land ein Jungfrau wird genennt.
Ein
Von dem Zuſtande der Poeſie
Den Polſter hat gefuͤllt, darauf die erſte Nacht
An ihre Seiten zart Adonis ward gebracht!
Wie wolt ich mich in Eil ſo lieblich riechend geben,
Und rund um den Altar mit ſuͤſſer Kraft umſchweben,
Um den Altar, der ziert ihrs Antlitz Tempel klar
Mehr als die andere, doch kundbar Schoͤnheit, Schar.
Vielleicht wuͤrd mich dann auch Fortun ſo guͤnſtig fuͤhren,
Daß ich koͤnt ungefehr den Purpur-Bogen ruͤhren,
Welchen Cupido laͤngſt fuͤr ſeinen hat begehrt,
Wofehrn nicht Daphnes Reu und Phoͤbi Treu gewehrt.
Ach wie bin ich umſonſt! Jezt alles thut erkalten,
Des Winters Boreas kein Bluͤmlein kan erhalten,
Keiner Viol Geruch und keiner Naſen ſchon
Mein Wunſch erfuͤllen mag, dann ach ich muß darvon.

Wer Caſpar Kirchnern nicht kennt, muͤßte
Opitzen nicht kennen, der ſeiner an ſo vielen Oertern
gedencket, und doch nirgend mit einem feinern Lo-
be, als in dem Gedichte, das er auf ſeine Ver-
maͤhlung aufgeſetzet, wo er folgende Zeilen von ihm
geſchrieben:

Wo iſt nun die Natur, wo ſind die groſſen Sinnen,
Mit derer Hoheit ihr zuvor erſchoͤpffen koͤnnen
Den Grund der Wiſſenſchaft? Wo iſt der Weisheit Zier,
Mit der ihr, hoher Geiſt, giengt vielen andern fuͤr?
Wo iſt der Circkel dann, mit welchem ihr der Sternen,
Und Himmels Eigenſchafft gepfleget zu erlernen?

Von dieſem iſt nun folgendes Gedichte:

ALs Jupiter die Welt hat gaͤntzlich ausgemachet,
Und auf dem Erden-Kreiß ſchon alles gruͤnt und lachet,
Wand er ſich dreymal um, und ſchauet hin und her,
Ob in dem groſſen Hauß irgend ein Mangel waͤr.
Es fehlet noch ein Ding: Er ließ ein Thier furkommen,
Das nun faſt uͤberall die Welt hat eingenommen,
Ein artiges Geſpenſt, darnach ein jeder rennt,
Welches in unſerm Land ein Jungfrau wird genennt.
Ein
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[32/0032] Von dem Zuſtande der Poeſie Den Polſter hat gefuͤllt, darauf die erſte Nacht An ihre Seiten zart Adonis ward gebracht! Wie wolt ich mich in Eil ſo lieblich riechend geben, Und rund um den Altar mit ſuͤſſer Kraft umſchweben, Um den Altar, der ziert ihrs Antlitz Tempel klar Mehr als die andere, doch kundbar Schoͤnheit, Schar. Vielleicht wuͤrd mich dann auch Fortun ſo guͤnſtig fuͤhren, Daß ich koͤnt ungefehr den Purpur-Bogen ruͤhren, Welchen Cupido laͤngſt fuͤr ſeinen hat begehrt, Wofehrn nicht Daphnes Reu und Phoͤbi Treu gewehrt. Ach wie bin ich umſonſt! Jezt alles thut erkalten, Des Winters Boreas kein Bluͤmlein kan erhalten, Keiner Viol Geruch und keiner Naſen ſchon Mein Wunſch erfuͤllen mag, dann ach ich muß darvon. Wer Caſpar Kirchnern nicht kennt, muͤßte Opitzen nicht kennen, der ſeiner an ſo vielen Oertern gedencket, und doch nirgend mit einem feinern Lo- be, als in dem Gedichte, das er auf ſeine Ver- maͤhlung aufgeſetzet, wo er folgende Zeilen von ihm geſchrieben: Wo iſt nun die Natur, wo ſind die groſſen Sinnen, Mit derer Hoheit ihr zuvor erſchoͤpffen koͤnnen Den Grund der Wiſſenſchaft? Wo iſt der Weisheit Zier, Mit der ihr, hoher Geiſt, giengt vielen andern fuͤr? Wo iſt der Circkel dann, mit welchem ihr der Sternen, Und Himmels Eigenſchafft gepfleget zu erlernen? Von dieſem iſt nun folgendes Gedichte: ALs Jupiter die Welt hat gaͤntzlich ausgemachet, Und auf dem Erden-Kreiß ſchon alles gruͤnt und lachet, Wand er ſich dreymal um, und ſchauet hin und her, Ob in dem groſſen Hauß irgend ein Mangel waͤr. Es fehlet noch ein Ding: Er ließ ein Thier furkommen, Das nun faſt uͤberall die Welt hat eingenommen, Ein artiges Geſpenſt, darnach ein jeder rennt, Welches in unſerm Land ein Jungfrau wird genennt. Ein

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/32>, abgerufen am 23.11.2024.