[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Die Stellung der Fremden. und vor Eingriffen der Provinzial-Behörden sichern möchten,-- zugleich auch den directen Verkehr mit letzteren anzubahnen. Von diesen wurden alle solche Versuche als Eingriffe in ihre Rechte angesehen, der Erfolg derselben von vorn herein mit allen Mitteln hintertrieben. So unumschränkt durch das weite Reich der Wille des Himmelssohnes gilt, -- welcher jeden Augenblick frei verfügen kann über Leben und Eigenthum des höchsten Wür- denträgers wie des geringsten Tagelöhners, -- so ist doch China in gewissem Sinne als ein Staaten-Bund unter gemeinsamem Ober- haupte anzusehen. Die Statthalter sind thatsächlich unumschränkte Herren in den Provinzen und werden von Pe-kin aus erst dann zur Rechenschaft gezogen, wenn ihre Verwaltung zu Aufständen ge- führt hat, welche sie nicht selbst bezwingen können. Sie sind für den fremden Handel in gleichem Maasse verantwortlich, wie für alle anderen Vorgänge in ihrem Gebiete. So lange die Ausländer nicht "rebellirten", so lange ihre "Auflehnung" von den Statthaltern unterdrückt werden konnte, mochte die Central-Regierung niemals eingreifen; sie blieb häufig selbst dann indifferent, wenn die Frem- den durch gewaltsames Auftreten sich eigenmächtig zu ihrem Rechte verhalfen und von den Statthaltern wichtige Zugeständnisse er- zwangen. Im sittlichen Bewusstsein der Chinesen ist jede Aufleh- nung gegen Unrecht und Willkür gerechtfertigt. Die Conflicte der Fremden in Kan-ton hatten keine andere Bedeutung, als die Auf- lehnung der eigenen Unterthanen gegen die Behörden; -- denn das Bewusstsein, dass der Himmelssohn der alleinberechtigte Herrscher der Welt sei, war noch bis in die neueste Zeit so stark bei den Chinesen, dass es ihnen garnicht einfiel, die Fremden anders anzusehen, als für Unterthanen ihres Kaisers. So konnten diese in der späteren Zeit zu Kan-ton Gewalt üben, welche in jedem anderen Lande zum Kriege geführt haben müsste. Fand man in Pe-kin ihre Forderungen gerecht oder fühlte man sich zu schwach zum Wider- stande, so wurde, -- ganz wie bei Auflehnungen der eigenen Unterthanen, -- der Statthalter abberufen, getadelt, vielleicht degradirt. Man schickte einen anderen hin, mit dem Auftrage, die rebellischen Barbaren zu zähmen, zu zügeln; aber an einen Krieg dachte man eben so wenig, als den Fremden bestimmte Rechte zu gewähren, welche ja den absoluten Willen des Himmelssohnes beschränkt hätten. In diesem einen Punkte liegt die grosse, im früheren Verkehr mit China verkannte Schwierigkeit. So viele Ge- Die Stellung der Fremden. und vor Eingriffen der Provinzial-Behörden sichern möchten,— zugleich auch den directen Verkehr mit letzteren anzubahnen. Von diesen wurden alle solche Versuche als Eingriffe in ihre Rechte angesehen, der Erfolg derselben von vorn herein mit allen Mitteln hintertrieben. So unumschränkt durch das weite Reich der Wille des Himmelssohnes gilt, — welcher jeden Augenblick frei verfügen kann über Leben und Eigenthum des höchsten Wür- denträgers wie des geringsten Tagelöhners, — so ist doch China in gewissem Sinne als ein Staaten-Bund unter gemeinsamem Ober- haupte anzusehen. Die Statthalter sind thatsächlich unumschränkte Herren in den Provinzen und werden von Pe-kiṅ aus erst dann zur Rechenschaft gezogen, wenn ihre Verwaltung zu Aufständen ge- führt hat, welche sie nicht selbst bezwingen können. Sie sind für den fremden Handel in gleichem Maasse verantwortlich, wie für alle anderen Vorgänge in ihrem Gebiete. So lange die Ausländer nicht »rebellirten«, so lange ihre »Auflehnung« von den Statthaltern unterdrückt werden konnte, mochte die Central-Regierung niemals eingreifen; sie blieb häufig selbst dann indifferent, wenn die Frem- den durch gewaltsames Auftreten sich eigenmächtig zu ihrem Rechte verhalfen und von den Statthaltern wichtige Zugeständnisse er- zwangen. Im sittlichen Bewusstsein der Chinesen ist jede Aufleh- nung gegen Unrecht und Willkür gerechtfertigt. Die Conflicte der Fremden in Kan-ton hatten keine andere Bedeutung, als die Auf- lehnung der eigenen Unterthanen gegen die Behörden; — denn das Bewusstsein, dass der Himmelssohn der alleinberechtigte Herrscher der Welt sei, war noch bis in die neueste Zeit so stark bei den Chinesen, dass es ihnen garnicht einfiel, die Fremden anders anzusehen, als für Unterthanen ihres Kaisers. So konnten diese in der späteren Zeit zu Kan-ton Gewalt üben, welche in jedem anderen Lande zum Kriege geführt haben müsste. Fand man in Pe-kiṅ ihre Forderungen gerecht oder fühlte man sich zu schwach zum Wider- stande, so wurde, — ganz wie bei Auflehnungen der eigenen Unterthanen, — der Statthalter abberufen, getadelt, vielleicht degradirt. Man schickte einen anderen hin, mit dem Auftrage, die rebellischen Barbaren zu zähmen, zu zügeln; aber an einen Krieg dachte man eben so wenig, als den Fremden bestimmte Rechte zu gewähren, welche ja den absoluten Willen des Himmelssohnes beschränkt hätten. In diesem einen Punkte liegt die grosse, im früheren Verkehr mit China verkannte Schwierigkeit. 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Die Stellung der Fremden.
und vor Eingriffen der Provinzial-Behörden sichern möchten,
— zugleich auch den directen Verkehr mit letzteren anzubahnen.
Von diesen wurden alle solche Versuche als Eingriffe in ihre
Rechte angesehen, der Erfolg derselben von vorn herein mit allen
Mitteln hintertrieben. So unumschränkt durch das weite Reich
der Wille des Himmelssohnes gilt, — welcher jeden Augenblick
frei verfügen kann über Leben und Eigenthum des höchsten Wür-
denträgers wie des geringsten Tagelöhners, — so ist doch China in
gewissem Sinne als ein Staaten-Bund unter gemeinsamem Ober-
haupte anzusehen. Die Statthalter sind thatsächlich unumschränkte
Herren in den Provinzen und werden von Pe-kiṅ aus erst dann zur
Rechenschaft gezogen, wenn ihre Verwaltung zu Aufständen ge-
führt hat, welche sie nicht selbst bezwingen können. Sie sind für
den fremden Handel in gleichem Maasse verantwortlich, wie für
alle anderen Vorgänge in ihrem Gebiete. So lange die Ausländer
nicht »rebellirten«, so lange ihre »Auflehnung« von den Statthaltern
unterdrückt werden konnte, mochte die Central-Regierung niemals
eingreifen; sie blieb häufig selbst dann indifferent, wenn die Frem-
den durch gewaltsames Auftreten sich eigenmächtig zu ihrem Rechte
verhalfen und von den Statthaltern wichtige Zugeständnisse er-
zwangen. Im sittlichen Bewusstsein der Chinesen ist jede Aufleh-
nung gegen Unrecht und Willkür gerechtfertigt. Die Conflicte der
Fremden in Kan-ton hatten keine andere Bedeutung, als die Auf-
lehnung der eigenen Unterthanen gegen die Behörden; — denn
das Bewusstsein, dass der Himmelssohn der alleinberechtigte
Herrscher der Welt sei, war noch bis in die neueste Zeit so stark
bei den Chinesen, dass es ihnen garnicht einfiel, die Fremden anders
anzusehen, als für Unterthanen ihres Kaisers. So konnten diese in
der späteren Zeit zu Kan-ton Gewalt üben, welche in jedem anderen
Lande zum Kriege geführt haben müsste. Fand man in Pe-kiṅ ihre
Forderungen gerecht oder fühlte man sich zu schwach zum Wider-
stande, so wurde, — ganz wie bei Auflehnungen der eigenen
Unterthanen, — der Statthalter abberufen, getadelt, vielleicht
degradirt. Man schickte einen anderen hin, mit dem Auftrage, die
rebellischen Barbaren zu zähmen, zu zügeln; aber an einen Krieg
dachte man eben so wenig, als den Fremden bestimmte Rechte zu
gewähren, welche ja den absoluten Willen des Himmelssohnes
beschränkt hätten. In diesem einen Punkte liegt die grosse, im
früheren Verkehr mit China verkannte Schwierigkeit. So viele Ge-
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