Köpfen nicht aufreden. Hier ist nicht zu helfen. Der Himmel hat es so gefügt, wir müssen uns drin fin¬ den. Der mindeste Widerstand, irgend ein unruhiges Benehmen von Ihrer Seite könnte die schrecklichsten Folgen haben. Denken Sie an Ihre Frauen, Ihre Kinder, denken Sie an Wien! Wie ungnädig hat Seine Majestät der Kaiser Napoleon das trotzige Benehmen der Bürger aufgenommen. Er ist nun einmal der Sieger. Er wird ein großmüthiger Sie¬ ger sein, wenn Sie der Vernunft Gehör schenken. Sein Sie freundlich, sein Sie sehr freundlich gegen ihn. Ueberwinden Sie sich; wenn er einzieht, rufen Sie Vive l'Empereur! Ich weiß, es wird Ihnen schwer werden, aber der Mensch kann sich überwinden, meine Herren, der Mensch kann viel, wenn die Noth ihn zwingt. Recht friedlich, recht besonnen. Illu¬ miniren Sie! Das wird ihn überraschen, sein Herz wird sich aufschließen. Liebe Mitbürger, hören Sie auf den Rath eines Mannes, der's mit Ihnen wohl meint, es ist nicht für mich. Bedenken, erwägen Sie, ich wiederhole es nochmals, wie schrecklich sein Zorn auf Wien fiel. Sie sind keine Wiener, Sie sind Berliner, und das Beispiel wird Sie lehren, daß eine männliche, ruhige Hingebung im Unglück es allein ist, die den Patrioten ehrt."
In den Akten der Zeit wird man freilich diese Rede nicht aufgeschrieben finden. Aber man findet mehr -- ein gedrucktes Aktenstück. An allen Straßen¬ ecken stand -- an einem spätern Tage -- folgendes
Köpfen nicht aufreden. Hier iſt nicht zu helfen. Der Himmel hat es ſo gefügt, wir müſſen uns drin fin¬ den. Der mindeſte Widerſtand, irgend ein unruhiges Benehmen von Ihrer Seite könnte die ſchrecklichſten Folgen haben. Denken Sie an Ihre Frauen, Ihre Kinder, denken Sie an Wien! Wie ungnädig hat Seine Majeſtät der Kaiſer Napoleon das trotzige Benehmen der Bürger aufgenommen. Er iſt nun einmal der Sieger. Er wird ein großmüthiger Sie¬ ger ſein, wenn Sie der Vernunft Gehör ſchenken. Sein Sie freundlich, ſein Sie ſehr freundlich gegen ihn. Ueberwinden Sie ſich; wenn er einzieht, rufen Sie Vive l'Empereur! Ich weiß, es wird Ihnen ſchwer werden, aber der Menſch kann ſich überwinden, meine Herren, der Menſch kann viel, wenn die Noth ihn zwingt. Recht friedlich, recht beſonnen. Illu¬ miniren Sie! Das wird ihn überraſchen, ſein Herz wird ſich aufſchließen. Liebe Mitbürger, hören Sie auf den Rath eines Mannes, der's mit Ihnen wohl meint, es iſt nicht für mich. Bedenken, erwägen Sie, ich wiederhole es nochmals, wie ſchrecklich ſein Zorn auf Wien fiel. Sie ſind keine Wiener, Sie ſind Berliner, und das Beiſpiel wird Sie lehren, daß eine männliche, ruhige Hingebung im Unglück es allein iſt, die den Patrioten ehrt.“
In den Akten der Zeit wird man freilich dieſe Rede nicht aufgeſchrieben finden. Aber man findet mehr — ein gedrucktes Aktenſtück. An allen Straßen¬ ecken ſtand — an einem ſpätern Tage — folgendes
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Köpfen nicht aufreden. Hier iſt nicht zu helfen. Der
Himmel hat es ſo gefügt, wir müſſen uns drin fin¬
den. Der mindeſte Widerſtand, irgend ein unruhiges
Benehmen von Ihrer Seite könnte die ſchrecklichſten
Folgen haben. Denken Sie an Ihre Frauen, Ihre
Kinder, denken Sie an Wien! Wie ungnädig hat
Seine Majeſtät der Kaiſer Napoleon das trotzige
Benehmen der Bürger aufgenommen. Er iſt nun
einmal der Sieger. Er wird ein großmüthiger Sie¬
ger ſein, wenn Sie der Vernunft Gehör ſchenken.
Sein Sie freundlich, ſein Sie ſehr freundlich gegen
ihn. Ueberwinden Sie ſich; wenn er einzieht, rufen
Sie Vive l'Empereur! Ich weiß, es wird Ihnen
ſchwer werden, aber der Menſch kann ſich überwinden,
meine Herren, der Menſch kann viel, wenn die Noth
ihn zwingt. Recht friedlich, recht beſonnen. Illu¬
miniren Sie! Das wird ihn überraſchen, ſein Herz
wird ſich aufſchließen. Liebe Mitbürger, hören Sie
auf den Rath eines Mannes, der's mit Ihnen wohl
meint, es iſt nicht für mich. Bedenken, erwägen Sie,
ich wiederhole es nochmals, wie ſchrecklich ſein Zorn
auf Wien fiel. Sie ſind keine Wiener, Sie ſind
Berliner, und das Beiſpiel wird Sie lehren, daß eine
männliche, ruhige Hingebung im Unglück es allein
iſt, die den Patrioten ehrt.“
In den Akten der Zeit wird man freilich dieſe
Rede nicht aufgeſchrieben finden. Aber man findet
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ecken ſtand — an einem ſpätern Tage — folgendes
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/361>, abgerufen am 23.11.2024.
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