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[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].

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Hirnschleiffer.
auff den Rucken gebunden vnd die lincke ledig
vnnd loß war. Disen Jüngling verfolgte die
zeit/ vnnd zohe jhm täglich einen faden nach
dem andern auß dem schlayr/ der jhm sein
Angesicht bedeckte.

Durch dises Jünglings nackenheit wirt
der Jugent vnuerstandt repraesentiert, dann
sie schemen sich nit/ vnd ob schon jhre vntha-
ten offenbar werden/ so werden sie doch nit
schamrot. Durch die bedeckung der Augen
wirdt bedeut/ daß die junge Leut jhre Augen
vor allen dingen versperren/ vnnd nach nie-
mandts sagen oder straffen etwas fragen/
noch auch niemande vnderworffen sein wöllen.
Derwegen tappen sie als blinde/ an den wen-
den vmb/ strauchlen vnnd fallen offtermals
schendtlich.

Der Jugent ist die rechte Handt gebun-
den vnnd die lincke frey/ dann niemaln thun
vnnd verrichten sie etwas guts/ sonder all jhr
thun vnd lassen beschicht mit vnbedachtsam-
keit vnnd vnbesonnenheit. Disen Jüngling
verfolget die zeit/ dieselbe zeucht jhm den fa-
den auß dem fürhang oder schlayr/ dann täg-
lich nimbt sein leben ab/ vnd je mehr die Fäden

auß

Hirnſchleiffer.
auff den Rucken gebunden vnd die lincke ledig
vnnd loß war. Diſen Juͤngling verfolgte die
zeit/ vnnd zohe jhm taͤglich einen faden nach
dem andern auß dem ſchlayr/ der jhm ſein
Angeſicht bedeckte.

Durch diſes Juͤnglings nackenheit wirt
der Jugent vnuerſtandt repræſentiert, dañ
ſie ſchemen ſich nit/ vnd ob ſchon jhre vntha-
ten offenbar werden/ ſo werden ſie doch nit
ſchamrot. Durch die bedeckung der Augen
wirdt bedeut/ daß die junge Leut jhre Augen
vor allen dingen verſperꝛen/ vnnd nach nie-
mandts ſagen oder ſtraffen etwas fragen/
noch auch niemande vnderworffen ſein woͤllẽ.
Derwegen tappen ſie als blinde/ an den wen-
den vmb/ ſtrauchlen vnnd fallen offtermals
ſchendtlich.

Der Jugent iſt die rechte Handt gebun-
den vnnd die lincke frey/ dann niemaln thun
vnnd verꝛichten ſie etwas guts/ ſonder all jhr
thun vnd laſſen beſchicht mit vnbedachtſam-
keit vnnd vnbeſonnenheit. Diſen Juͤngling
verfolget die zeit/ dieſelbe zeucht jhm den fa-
den auß dem fuͤrhang oder ſchlayr/ dann taͤg-
lich nimbt ſein leben ab/ vnd je mehr die Faͤden

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[380[379]/0395] Hirnſchleiffer. auff den Rucken gebunden vnd die lincke ledig vnnd loß war. Diſen Juͤngling verfolgte die zeit/ vnnd zohe jhm taͤglich einen faden nach dem andern auß dem ſchlayr/ der jhm ſein Angeſicht bedeckte. Durch diſes Juͤnglings nackenheit wirt der Jugent vnuerſtandt repræſentiert, dañ ſie ſchemen ſich nit/ vnd ob ſchon jhre vntha- ten offenbar werden/ ſo werden ſie doch nit ſchamrot. Durch die bedeckung der Augen wirdt bedeut/ daß die junge Leut jhre Augen vor allen dingen verſperꝛen/ vnnd nach nie- mandts ſagen oder ſtraffen etwas fragen/ noch auch niemande vnderworffen ſein woͤllẽ. Derwegen tappen ſie als blinde/ an den wen- den vmb/ ſtrauchlen vnnd fallen offtermals ſchendtlich. Der Jugent iſt die rechte Handt gebun- den vnnd die lincke frey/ dann niemaln thun vnnd verꝛichten ſie etwas guts/ ſonder all jhr thun vnd laſſen beſchicht mit vnbedachtſam- keit vnnd vnbeſonnenheit. Diſen Juͤngling verfolget die zeit/ dieſelbe zeucht jhm den fa- den auß dem fuͤrhang oder ſchlayr/ dann taͤg- lich nimbt ſein leben ab/ vnd je mehr die Faͤden auß

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Zitationshilfe: [Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618], S. 380[379]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/395>, abgerufen am 23.11.2024.