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Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917.

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tige Konzessionen oder auch durch entgegengesetzte
Massnahmen zu ersetzen, die ihnen geeignet erscheinen
könnten, mindestens bis auf weiteres die Situation für den
Moment zu retten. Jedenfalls hätten sie keine so leichte
Möglichkeit gehabt, den, durch eine Wand sich vorbeu-
gender und schmeichelnder Diener von der Volksseele iso-
lierten, Zaren durch unzuverlässige Beteuerungen über die
angeblich zuverlässige Stimmung der Volksseele hinweg-
zutäuschen.

Es erhellt aus Obigem, dass jede wie immer gear-
tete politische Partei, wenn sie nur staatserhaltender Na-
tur ist, sowohl als jede wie immer geartete Regierung,
wenn sie nur den wirklichen Wunsch hat, in objek-
tiver Höhe über den Leidenschaften der Parteien zu
stehen, den Frevel der Selbsttäuschung an sich selbst be-
geht, falls sie beim "Wahlrechte" ins Parlament nicht
darauf achtet, dass die diversen, in der Volksseele tat-
sächlich
vorhandenen, nennenswerten politischen
Stimmungen in möglichst wahrheitsgetreuen
Proportionen
im Parlamente tatsächlich erscheinen,
dort das wirklich immune Wort führen und ge-
legentlich der Abstimmungen zahlenmässig gemessen wer-
den könnten. Jede andere, auf parteipolitischen Tenden-
zen oder Sonderinteressen beruhende Wahlrechtspolitik
ist, gleichviel bei welcher Regierungsform oder Staats-
verfassung es auch sei, eine eo ipso mit Verderben
schwangere Vogelstrausspolitik der unverantwortlichen
Selbsttäuschung. Der spezielle Gesichtswinkel, unter wel-
chem wir oben die ganze Angelegenheit betrachten, und
welcher die innere Frage der Verteilung der
Macht
eigentlich ganz ignoriert, lässt nämlich das
Wahlrecht ins Parlament nicht ganz als ein Recht des
Wählers, die ihm gebührende Portion des politischen Ein-
flusses durchzusetzen, erscheinen. Unser Gesichtswinkel

tige Konzessionen oder auch durch entgegengesetzte
Massnahmen zu ersetzen, die ihnen geeignet erscheinen
könnten, mindestens bis auf weiteres die Situation für den
Moment zu retten. Jedenfalls hätten sie keine so leichte
Möglichkeit gehabt, den, durch eine Wand sich vorbeu-
gender und schmeichelnder Diener von der Volksseele iso-
lierten, Zaren durch unzuverlässige Beteuerungen über die
angeblich zuverlässige Stimmung der Volksseele hinweg-
zutäuschen.

Es erhellt aus Obigem, dass jede wie immer gear-
tete politische Partei, wenn sie nur staatserhaltender Na-
tur ist, sowohl als jede wie immer geartete Regierung,
wenn sie nur den wirklichen Wunsch hat, in objek-
tiver Höhe über den Leidenschaften der Parteien zu
stehen, den Frevel der Selbsttäuschung an sich selbst be-
geht, falls sie beim „Wahlrechte“ ins Parlament nicht
darauf achtet, dass die diversen, in der Volksseele tat-
sächlich
vorhandenen, nennenswerten politischen
Stimmungen in möglichst wahrheitsgetreuen
Proportionen
im Parlamente tatsächlich erscheinen,
dort das wirklich immune Wort führen und ge-
legentlich der Abstimmungen zahlenmässig gemessen wer-
den könnten. Jede andere, auf parteipolitischen Tenden-
zen oder Sonderinteressen beruhende Wahlrechtspolitik
ist, gleichviel bei welcher Regierungsform oder Staats-
verfassung es auch sei, eine eo ipso mit Verderben
schwangere Vogelstrausspolitik der unverantwortlichen
Selbsttäuschung. Der spezielle Gesichtswinkel, unter wel-
chem wir oben die ganze Angelegenheit betrachten, und
welcher die innere Frage der Verteilung der
Macht
eigentlich ganz ignoriert, lässt nämlich das
Wahlrecht ins Parlament nicht ganz als ein Recht des
Wählers, die ihm gebührende Portion des politischen Ein-
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[7/0009] tige Konzessionen oder auch durch entgegengesetzte Massnahmen zu ersetzen, die ihnen geeignet erscheinen könnten, mindestens bis auf weiteres die Situation für den Moment zu retten. Jedenfalls hätten sie keine so leichte Möglichkeit gehabt, den, durch eine Wand sich vorbeu- gender und schmeichelnder Diener von der Volksseele iso- lierten, Zaren durch unzuverlässige Beteuerungen über die angeblich zuverlässige Stimmung der Volksseele hinweg- zutäuschen. Es erhellt aus Obigem, dass jede wie immer gear- tete politische Partei, wenn sie nur staatserhaltender Na- tur ist, sowohl als jede wie immer geartete Regierung, wenn sie nur den wirklichen Wunsch hat, in objek- tiver Höhe über den Leidenschaften der Parteien zu stehen, den Frevel der Selbsttäuschung an sich selbst be- geht, falls sie beim „Wahlrechte“ ins Parlament nicht darauf achtet, dass die diversen, in der Volksseele tat- sächlich vorhandenen, nennenswerten politischen Stimmungen in möglichst wahrheitsgetreuen Proportionen im Parlamente tatsächlich erscheinen, dort das wirklich immune Wort führen und ge- legentlich der Abstimmungen zahlenmässig gemessen wer- den könnten. Jede andere, auf parteipolitischen Tenden- zen oder Sonderinteressen beruhende Wahlrechtspolitik ist, gleichviel bei welcher Regierungsform oder Staats- verfassung es auch sei, eine eo ipso mit Verderben schwangere Vogelstrausspolitik der unverantwortlichen Selbsttäuschung. Der spezielle Gesichtswinkel, unter wel- chem wir oben die ganze Angelegenheit betrachten, und welcher die innere Frage der Verteilung der Macht eigentlich ganz ignoriert, lässt nämlich das Wahlrecht ins Parlament nicht ganz als ein Recht des Wählers, die ihm gebührende Portion des politischen Ein- flusses durchzusetzen, erscheinen. Unser Gesichtswinkel

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Zitationshilfe: Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alapin_kapitel_1917/9>, abgerufen am 29.03.2024.