Lieber Br.Bruder
Von allen geplagten Wesen auf Erden ist ein deutscher
Lexikograph vielleicht das Geplagteste! – keine Pause, keine
Ruhe, keine Rast! – Mein erstes Heft Erste Lieferung des Wörterbuch der deutschen Sprache. Mit Belegen von Luther bis auf die Gegenwart. Leipzig, 1859. Vollständiger erster Band online verfügbar [Google Books, abgerufen am 25.11.2017](https://books.google.de/books?id=MpREAAAAcAAJ) ist erschienen.
Ich hoffte, nun einmal aufathmen, Luft schnappen zu
können. Wie hatte ich mich geirrt! Nun kom̃t drängen-
der als je die Arbeit. Das zweite Heft folgt bald, der
Drucker drängt, der Abschreiber zögert, ich muss selbst
mit Hand ans geisttötende Abschreiben legen, das ich
doch – wenigstens die Durch- uund Überschrift des Mscr.sManuscripts,
das letzte Überarbeiten – keinem Andern überlassen
kañ. Rechne dazu, daß mich den κατ᾽ ἐξοχὴν par excellence Nicht-Re-
demañ, die modische Grippe befällt uund vielleicht, weil
sie in mir ihren erbitterten Feind erkennt, wahr-
scheinlich aber weil ich mir „trotz alledem uund alledem“
keine Ruhe gegöñt uund gönnen konnte, auf des grim̃ig-
ste gepackt und Du hast einigermaßen einen Begriff,
wie Arbeit uund Unwohlsein auf mich einstürmt uund mich
drängt. – Hier gilt es ein Buchstaben J. fortzuarbeiten
uund glücklicherweise kom̃‘ ich in diesen Tagen damit zu Ende,
da die langweilige Korrektur des zweiten Heftes zu
lesen und von den Nachträgen, die mir trotz meiner großen
Vollständigk.Vollständigkeit doch begreiflicherweise jeder Tag bringt, den
nöthigen an behufiger Stelle einzuschalten, – dort wieder-
um den Abschreiber zu instruieren, wie er bei der Ab-
schrift fürs dritte Heft Dies uund Jenes umzustellen
habe, hier uund da einer nöthigen Änderung, eine etwas
andre Anordnung zu treffen, dazwischen tobt uund rumort
Schnupfen, Husten, Kopfweh uund alle Teufel so stark, daß
weñ ich nur irgend ein kleines Bischen Zeit übrig hät-
te, ich ihnen wirklich Gehör geben müsste uund würde
doch hoffe ich es diesmal durchzutrotzen. – Ich
bin begierig zu hören, was du zu dem Wörterbuch
sagst. – Wie stehst‘s deñ mit deinem humori-
stischen Wörterbuch? Hast du, was ich Dir
zu angegeben, brauchen können? Laß bald von
Dir hören. Und zum Schluss die L wiederholte Bitte,
bei deiner Lektüre hin uund wieder an mich zu
denken. Dir stößt gewiss so manches Wort auf,
dessen Mittheilung mir für das Wörterbuch erwünscht
wäre; was ich brauche, ersiehst du am füglichsten aus
dem beikom̃enden Hefte selbst. Nur will ich hervorheben,
daß ich für Zitate – am füglichsten auf kleinen Zetteln zu
schreiben! – genaue Angaben der Stelle des Buchs (mit Druck-
Ort- uund Jahr) wünschen muss. In deinem „Berlin“Berliner Montagszeitung. Herausgegeben von Adolf Glaßbrenner und Richard Schmidt-Cabanis. Berlin 1861-1883. Aufgegangen in das Deutsche Montagsblatt mein
Wörterbuch zu besprechen, findest du wohl mehrfach
Gelegenheit uund Muße. –
Nun, was eigentlich den Anfang hätte bilden sollen,
aber auch füglich am Ende stehen kañ, da es neben das
„A und O“ ist – herzlichste Grüße von – daß ich es
Kurz sage – den Glaßbreñnern an die Glaßbreñerei
und ganz speciell meine besten Grüße der theuren
Adele, die – so fürchte ich – das Briefschreiben ganz
verlernt hat, ob sie gleich kein deutsches Wörter-
buch zu schreiben hat. Lebt wohl!
Wie im̃er, Euer
Daniel
Str.Strelitz 12 2.59.