Durchlauchtigster Erbgroßherzog,
Gnädigster Herr,
Auf die von Ew Königlichen Hoheit an mich gerichtete Anfrage, durch
die ich mich hochgeehrt fühle, erlaube ich mir, das Nachstehende zu
erwiedern, wobei ich um Entschuldigung bitte, daß ich in dem Streben,
meine Ansicht möglichst klar darzulegen und zu begründen, aus
Schriften von mir Stellen ausführlicher hersetze, als es eigentlich erfor-
derlich sein möchte.
In meinem dreibändigen Wörterbuch der deutschen SpracheSanders, Daniel: Wörterbuch der deutschen Sprache. Mit Belegen von Luther bis auf die Gegenwart. Leipzig 1860-1865. [Erster Band. Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 31.05.2019.](https://books.google.de/books?id=MpREAAAAcAAJ) [Zweiter Band. Erste Hälfte. Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 31.05.2019.](https://books.google.de/books?id=VjQTAAAAQAAJ) [Zweiter Band. Zweite Hälfte. Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 31.05.2019.](https://books.google.de/books?id=hyBJAAAAcAAJ) habe ich
unter Hinweis auf das vortreffliche Wörterbuch (etymologisches) der romanischen
Sprachen von Friedr. Friedrich Diez S. 316Diez, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen. Bonn 1853. [Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 28.04.2020.](https://books.google.de/books?id=yn0CAAAAQAAJ&pg=PA316) bei Sergeant hauptsächlich auf das von
Zinkgräf dafür als deutsches Wort empfohlene Feldweibl verwiesen; und
hier unter dem Grundworte Weibel (oder Waibel) und dessen zahl-
reichen Zusam̃ensetzungen finden sich die folgenden Belegstellen, die ich, nicht
bloß um des Wortes, sondern auch um der Sache willen herzusetzen mir erlaube.
Machte ein Feldregiment, Oberste und Weibel.
Luther’s Bibel (1 Maccab. Maccabäer 3,53).
Als mit dem Kriegswesen die fremd[e] Wörter eingeschleift wurden, als ...
Sergeant für Feldweibel
Zinkgräf Apophthegmata I, 209.Zincgref, Julius Wilhelm: Der Teutschen Scharpfsinnige Kluge Sprüch, Apophthegmata genannt. Band 1: Rihel. Straßburg 1628. [Online verfügbar: BSB digital; in dieser Ausgabe S. 293, abgerufen am 28.04.2020.](http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10922174_00333.html) Nach älterem
Kriegs-
Kriegsregiment waren bei jedem Fahnlein von 400 Mann zween gemaine
Waibel (Sergents), die, dem Feldwaibel untergeortnet, von den Landsknechten monat-
lich gewählt und gesetzt wurden .... Der Feldwaibel eines Fähnleins kam nach
dem Fähndrich und dem Hauptmañ ... Augenscheinlich war dieser ältere Kriegs-
oder Feldwaibel eine bedeutendere Person als unser jetziger Feldwêbel
. Schmeller
Bair. Wörterb. Bairisches Wörterbuch 4, 6Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. Vierter Theil. Stuttgart und Tübingen 1837, S. 6. [Online verfügbar: BSB digital, abgerufen am 28.04.2020.](http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10378239_00044.html). Weitere Belegstellen übergehe ich als zu weit ab-
liegend; bemerken aber muß und will ich, daß ich (s.o. die Stelle aus
Zinkgräf) den Ausdruck Sergeant als ein mit den fremden Truppen des 30.
jährigen Krieges eingeschleiftes Fremdwort betrachte, herstam̃end von dem
lateinischen serviens, vergleichen Königliche Hoheit z.B. auch in dem ausgezeich-
neten französischen Wörterbuch von Sachs-Villatte Ip. 1421bSachs, Karl; Villatte, Césaire: Encyklopädisches französisch-deutsches und deutsch-französisches Wörterbuch. Große Ausgabe.Erster Theil. 9., durchgesehene und verbesserte Stereotyp-Auflage. Berlin 1894, S. 1421. [Online verfügbar: Internet Archive, abgerufen am 28.04.2020.](https://archive.org/details/encyklopdische01sachuoft/page/1421). Erst in meinem
Ergänzungs- Wörterb. Wörterbuch habe ich unter Sergeant (S. 478a) auf Sarjant (S 436a)Sanders, Daniel: Ergänzungs-Wörterbuch der deutschen Sprache. Eine Vervollständigung und Erweiterung aller bisher erschienen deutsch-sprachlichen Wörterbücher (einschließlich des Grimm'schen). Mit Belegen von Luther bis auf die neueste Gegenwart. Berlin 1885, S. 436. [Online verfügbar: Internet Archive, abgerufen am 07.12.2019.](https://archive.org/details/bub_gb_mBQ9AAAAYAAJ_2/page/n543)
verwiesen und dazu aus den (auf der Großherzogl. Großherzoglichen Bibliothek befindlichen)
Bildern aus der deutschen Vergengeiheit (Leipzig 1860) von Gustav Freytag
die Belege beigefügt: „ Sarjent, romanisiertes Wort, ... bedeutet jeden
Krieger, der das Sar (saro, sbarawi, das Kettenhemd) ohne Ritterwaffen
trägt, den ... Fußsoldaten …, Knappen.“
2, I, 193,Freytag, Gustav: Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Zweiter Band. Erste Abtheilung. Siebente vermehrte Auflage. Leipzig 1873, S. 193. [Online verfügbar: BSB digital, abgerufen am 29.04.2020.](http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11158675_00205.html) vgl.: Vom Sarwürker
[Sar-Wirker], der die Kettenpanzer verfertigte.
127.ebd., S. 129.[Online verfügbar: BSB digital, abgerufen am 29.04.2020.](http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11158675_00139.html) Hinzugefügt
habe ich einen Hinweis auf Schmeller’s bair. bairisches Wörterbuch, ohne die
Stelle ausführlich anzuführen. Ich glaube aber, Ew Königl. Hoheit
werden daraus die folgenden Anführungen hier nicht ungern lesen:
Der Sarwurch, Salwurch, „Salburch“ Salwúrcher, ehemals eine
Art der Kaltschmiede, die, wie der Plattenschlaher oder Plattner,
Theile der damaligen Rüstung verfertigten und wohl auch mit dieser in
Abgang gekom̃en sind „1392 dem Herzog Albrecht zu Straubing für VI.
Pfd. ein Pantzer kauft von dem Sarburchen zu Kelheim“
Freib. Sam̃l. II 140. „Item dem Kanz Salburch vmb panzir,
das er meinem gn. herrn gemacht, VIIII gld. rh. XXXII dn“ Rechnung
von 1468. Wstr. Btr. V. 204. Schon a° 1477 hörte in München die Zunft
der Salwurche auf für sich zu bestehen und wurde den Hafneren und Ziñ-
gießern zugetheilt. v. Sutner’s Gewerbs-Polizey v. München p. 481. 530.
544... Saro (gen. saruues, gisarum̃ gisaruut , geserwe, alte Sprache: Harnisch
Panzer. Daher Sar-balg, lederner Behälter für den Harnisch,
Sar-ring, Panzerring, Sarrroch, Sar-wât, Panzerkleid.
Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. Dritter Theil. Stuttgart und Tübingen 1836, S. 278. [Online verfügbar: BSB digital, abgerufen am 28.04.2020.](http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10912051_00296.html)
Heißt es nun nicht, die Geduld Ew Königl Hoheit mißbrauchen,
weñ ich zum Abschluß noch hinzufüge, daß ich in meinem „Verdeutschungs-
wörterbuch“ (1884)Sanders, Daniel: Verdeutschungs-Wörterbuch. Leipzig 1884. Kein Digitalisat vorhanden. unter Sergeant S. 206b eine Stelle aus dem Simpli-
cissimus angeführt habe: So haben sie keinen Wachtmeister, der
sie commandirt, keinen „Feldwäibel“ od. „Schergianten“, der
ihnen das Wams ausklopft
Sanders zitiert hier aus Grimmelhausen’s Simplicianische Schriften. Erster Theil. Leipzig 1863, S. 407 [Online verfügbar: Internet Archive, abgerufen am 14.08.2019.](https://archive.org/details/hansjacobchrist00kurzgoog/page/n488), basierend auf dem Originaltext Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen aus dem Jahre 1668/69. – und aus einem Aufsatz von dem
General-Postmeister Dr. Heinr. v. Heinrich von Stephan den Satz: Könnte man
nicht auch aus den altdeutschen Heerscharen den Stückmeister und den
Rottmeister wieder erwecken und damit den Sergeanten begraben,
der in Schreibweise und Aussprache unsern Leuten so viel Mühe macht,
daß sie ihn bereits in einen Schersand umgetauft haben?
Vortrag von H. v. Stephan „Die Fremdwörter“, abgedruckt in: Der Sammler. Belletristische Beilage zur „Ausgburger Abendzeitung“, Nr. 23, 1877, S. 4.[Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 14.08.2019.](https://books.google.de/books?id=KE_5JHB7RvQC&pg=RA18-PA4)
Aus dem Vorstehenden, für dessen übergroße Ausführlich-
keit oder Weitschweifigkeit ich wiederholt um freundliche Nachsicht
und Entschuldigung bitte, ersehen Ew. Königliche Hoheit wohl,
daß ich die Bezeichnung des Ausdruckes Sergeant als eines deut-
schen, dañ „romanisierten“ und in der fremden Form und Aussprache
wieder ins Deutsche zurückgenom̃enen nicht als unbegründet
bezeichnen
bezeichnen darf, vgl. Ew. Königl. Hoheit z.B. deutsch Buttel, franzö-
sisch (und in dieser Form wieder ins Deutsche aufgenom̃en) bouteille;
deutsch Flasche althochdeutsch flascà französisch flasque, wozu
fla(s)con oder mit Ausstoßung des eingeklam̃erten s (so auch im
Deutschen) flacon und Ähnliches mehr.
Dagegen kañ ich der aufgestellten Behauptung, daß
auch Leutenant deutschen Ursprungs sein soll, in keinerlei
Weise zustim̃en und muß bei dem bleiben was ich in meinem
Fremdwörterbuch II S. 15b gesagt:
„Leutenant: die deutscher Aussprache gemäße (Schreibweise)
Schriebweise für frz. lieutenant (s. d., vgl. Luogotenente,
locumtenens)“
Sanders, Daniel: Fremdwörterbuch. Zweiter Band. Leipzig 1871, S. 15. [Zweite unveränderte Auflage. Leipzig 1891. Online verfügbar: Internet Archive, abgerufen am 29.04.2020.](https://archive.org/details/fremdwrterbuch02sanduoft/page/14)
und ich freue mich der Übereinstim̃ung mit Ew. Königl.
Hoheit.
Indem ich mich dem fernern Wohlwollen Ew
Königlichen Hoheit aufs angelegentlichste empfehle,
verbleite ich Höchstderselbe
treugehorsamster
Professor Dr. Daniel Sanders.
Altstrelitz, d 14. April 1894