Neuigkeiten von Teutschland .
M An will die positive Nachricht haben , daß an dem
Rußischen Hof der Marquis di Botta völlig frey ge-
sprochen sey , ja daß demselben so gar der St. An-
dreas-Orden solte zugeschickt worden seyn . Hinge-
gen hat man nach eben diesen Briefen sagen wollen , es sey dem Mar-
quis de Chetardie der Hof und das Rußische Reich verbothen wor-
den . Unter dem Articul von Rußland berichten wir ein mehreres
davon .
Vom Tod des Hrn. General Mentzels sind folgende öffentli-
che Nachrichten bekandt worden , die wir hier wiederhohlen . Man
erzehlt , dieser brave Herr habe sich von seinem Jäger bereden lassen ,
daß er ihm erlaubt , zweymahl auf die jenseits Rheins gestandene
Frantzösische Wachten etwa 40. Schritte von ihm zu feuern , und
anzügliche Reden auszustossen . Die Frantzosen aber hätten so derb
geantwortet , daß eine Musqueten-Kugel dem Hrn. General zur rech-
ten Seite in den Leib gefahren , und zur lincken wieder heraus geflo-
gen , dabey aber einen solchen Riß gemacht , daß ihm das Eingewei-
de zur Erde gefallen ; worauf er nach Stockstadt gebracht , und un-
ter stetigem Ausruffen : HErr JEsu , spann aus ! den 26. Junii
Morgens 3. Uhr selig verstorben . Die Raitzen , ob sie wohl nicht
unter ihm gestanden , haben wie die Kinder um ihn geweint . Mit
ihm ist auch das Vorhaben , mit 150. Husaren nach Paris zu streiffen ,
und einen Theil selbiger Stadt in Contribution zu setzen , abgestorben .
Alle bey denen fremden Höfen residirende Oesterreichischen
Miniſtri befinden sich nun wegen der grossen stündlich loßzubrechen
geschienenen martialischen Anstalten ausser Sorgen ; da gewiß ist ,
daß die zwey letztgedachten Schlesischen Campements , ehe man sichs
versehen , schleunige Rück-Ordre empfangen , um würcklich aus ein-
ander zu gehen , die Bauren sind gleichfalls beordert , ihre Bagage-
Fuhren einzustellen , und mit ihren zur Artillerie verschriebenen
Pferden wieder nach Hause zu gehen . Bey dem allen werden auf-
mercksame Politici bemercket haben , daß der Wienerische Hof bey
allen diesen formidabl en Kriegs- Præparatori en nicht im geringsten
decontenanci rt worden , sondern in einem tramite den ſemel
projecti rten Plan befolgt hat . Diejenigen , welchen man eine gu-
te Einsicht in die ietzigen Staats-Beschaffenheit zugestehen muß ,
suchen die Ursachen solcher Sicherheit eintzig und allein in der Treue
der Tractaten , und in denen ſolid en Diſpoſition en , worinn sich der
Rußische Hof befindet ; denn man will aus mehr als einem Grund
behaupten , daß die Rußische Kayserin sich nechstens publiquement
zum Besten der Königin von Ungarn declari ren werde . Wie man
denn auch vor so gut als richtig debit irt , daß der Preußische mit
dem Pohlnischen und Rußis . Höfen in Alliantz getreten sey .
Von der Oesterreichischen Armee aus Jtalien sind zu Wien
Nachrichten eingelauffen , daß der Fürst von Lobkowitz denjenigen
Posten , welchen letztlich der Graf Pestaluzzi verlohren , denen Spa-
niern wieder abgenommen ; Es haben sich auch verschiedene kleine
Städte durch Deputirte bey hochgedachtem Fürsten eingefunden ,
und alle Aßistentz versprochen , die Spanische Land-Militz aber , die
hin und wieder gefangen worden , hat sich sogleich vor Unterthanen
der Königin declari rt .
Ordre de Bataille
der Königl. Ungarischen Armee am Rhein .
Printz Carl von Lothringen , General en Chef .
General-Feld-Marschall , Graf von Traun .
Generals der Cavallerie : Berlichingen , Baron Thüngen , Hohenems .
Feld-Marschall-Lieutenants : Sachsen-Gotha , Birchen , Alt-Schulenburg , Wolf-
fenbüttel , Grüne , Leopold Dhaun , Philibert , Bal-
legra .
General-Majors : Loccatelli , Stahrenberg , Baila , Palfy , Thüngen , Schilloy ,
Kalckreuth .
Althan
Philibert
Zollern
Diemar
.....
Frantz
Lothringen 3.
Max Stahrenberg 3.
Damnitz 2.
Collowrath 2.
Guillay 4.
Stahrenberg 2.
Bernclau 3 .
Leopold Dhaun 3.
Neuperg 2.
Carl Lothringen 3.
......
Carl Palfy
Lobkowitz
Haly
Lichtenstein
Regimenter . Regimenter .
Fürst von Waldeck .
Feld-Marschall , Lanthiere , Preysing , Mercy , Bernclau , Königseck , Bernes .
General-Majors : Serbelloni , Spada , Roth , Melini , Durlach , Tornaco , Bretlach ,
Forgatsch .
Bathiani
Lanthieri
Bernes
... ...
Alt-Königseck 3.
Hildburghausen 3.
Brand 2.
Marschall 2.
Forgatsch 3.
Esterhasi 2.
Bareuth 2.
Grune 2.
Botta 3.
Harrach 2.
......
Frantz Lothringen
Hohenems
Sachsen-Gotha
Regimenter . Regimenter .
Corps de Reſerve
Feld-Marschall-Lientenants : Nadasti , Frantz Salignon , Herberstein .
General-Majors : Esterhasi , Dersofi , Altringer , Minisky , Schmertzing , Belleshay ,
Trips .
Ghillany
Nadasti
Esterhasi
Carl Stalio
Mentzel
Commorrer
Dallon
Carl Stalio
Theisser
Maroscher
Sclavonier
Panduren
Warasdiner
Würtenberg
Warasdiner
Raber
Calmucken
Trips
Festetitz
Feld- Artillerie .
General Feuerstein .
Zu Berlin hat man zwar geglaubet , es werde Se. Eminentz ,
der Herr Cardinal von Sintzendorff , die den 16. hujus fest gesetzt ge-
wesene Beylagers-Festivitäten mit ſolenniſi ren helffen , welches
man gerne gesehen ; weil sie ein sehr angenehmer und liberaler Herr
sind ; allein es kan seyn , daß Dieselben von einem Päbstl . Breve
abgehalten worden , das Sie ohnlängst bekommen , welches dahin
lautet : „ Es würde Se. Eminentz , da sie sowohl als eine der forder-
„sten Säulen der Cathol. Kirche anzusehen ; also auch Dero hohen
„Familie allerdings geziemen und zur Gloire gereichen , wenn man
„von nun an resolvirte , mit Zuziehung anderer Prälaten , die Assem-
„bleen mittelst Examinirung derer a Patribus hinterlassenen Le-
„bens-Regeln zu perluſtri ren , und derselben Mißbrauch hindan zu
„setzen .
Vermöge Turiner Briefen , soll sich der Spanische Verlust bey
Oneglia auf 5. bis 6000 . Mann erstrecken . Und die Spanier sol-
len bereits völlig über den Varo gegangen seyn .
Den 6. Julii traff bey dem Ambaſſadeur zu Berlin , Grafen
von Bestuchef , ein Courier aus Moscau ein , worauf sich Se. Excel-
lentz sogleich zur Königl. Audientz begaben ; nach Verlauff wenig
Stunden wurde dieser Courier weiter nach London ſpedi rt . Jn-
zwischen will man von dem Jnhalt der überlieferten Briefschafften
in Erfahrung gezogen haben , daß hiermit die gerechteste Meynung
von Seiten der Rußischen Kayserin über gegenwärtige Conjunctu-
ren bey Sr. Königl. Preußischen Maj. angelangt , und daß sich die
Czaarin nicht länger entbrechen könte , der Königin von Ungarn
und ihren Alliirten den Alliantz-mäßigen Succurs von 20000 . Mann
zu schicken .
Unsern Lesern liefern wir einen Extract eines Schreibens von
sicherm Ort unterm 10. Julii h. a . davon sie selbst judici ren können ,
was sie wollen : Nach vorher gegangenem Bericht , daß Cron-Weis-
senburg und Fort-Louis an die Oesterreicher übergegangen ; berich-
tet der Correspondent : daß am ersten Ort die Oesterreicher eine
considerable Beute von vielen Pretioſis gemacht , und unter andern
die goldene mit vielen Pretioſis und Juwelen garnirte Crone , die
etliche Millionen werth , und womit die alten Kayser gecrönt wor-
den , überkommen . Wir gestehen unsere Unwissenheit gantz gerne ,
was dieses vor eine Crone muß gewesen seyn . Der Correspondent
fährt fort und berichtet : Der General Seckendorff , als ein alter
durchtriebener Staats-Mann , habe dem Printz Carl wegen des
Ubergangs in einem Hand-Briefgen gratulirt , er hätte aber keine
Antwort wieder bekommen . Wir wollen dieses nicht glauben , son-
dern meynen vielmehr , es müsse ihm dieses etwa ein Oesterreichischer
Feind auf den Ermel hefften wollen ; dazu ist Se. Excell. viel zu klug ,
hat es auch nicht nöthig . Denn wenn er denen ungeschliffenen Pan-
duren solte in die Hände gerathen , würden sie gewiß nicht seinen
blosen Rock-Zipffel abschneiden , wie David dem Saul gethan , son-
dern es müste ohnstrittig der gantze Mann mit fort .
Es ist abermahls eine sehr wichtige Staats-Schrifft in dem
Druck erschienen , welche der ungenannte Verfasser nennet : Kurtz
gefaßtes , doch gründliches Gutachten eines Teutschen Rechts-
Gelehrten , die zwischen Jhro Kayserl. Maj. und dem Wie-
ner Hof strittige Erbfolge in die Oesterreichische Erb-König-
reiche und Lande betreffend . Der Autor ist auf Kayserl. Seite .
Die gantze Piece bestehet in 23. Bögen , und widerlegt 38. Haupt-
Puncte , welche die Ungarische Erbfolgs-Gründe betreffen .
Rußland .
Extract eines Schreibens d. d . Petersburg den 16 / 22. Junii 1744 .
E ine besondere Neuigkeit muß ich ec. noch melden : Sie werden in
denen Zeitungen offtmahls gelesen haben , daß der Frantzösische
Ambaſſadeur , Marquis de la Chetardie , mit besonderer Diſtinction
von Jhro Maj. der Kayserin aufgenommen worden . Mit letzterer
Post aber erhielte man die Nachricht aus Moscau , daß selbiger auf
Befehl der Kayserin in Arrest genommen worden , welches man so
ſtricte vollbracht , daß ihn ohnverzüglich 50 . Mann Dragoner über
die Grentzen bringen sollen . Den 25sten hujus ohngefehr 9. Uhr
Abends langte er allhier an , um mit seinen Creditoribus Richtig-
keit zu treffen , und gestern Abends wurde er mit seiner Bedeckung
fortgeführt . Die Ursachen dieser schnellen Veränderung kan man
nicht wissen , vielleicht aber werden selbige öffentlich kund gemacht .
Man kan sich vorstellen , daß diese Nachricht aller Orten viel Aufse-
hens machen wird ; vielleicht giebt es Gelegenheit , daß die Frantzö-
sischen Maximen bey andern Höfen ebenfalls recht erkannt werden .
Obgleich der Brigadier von denen Frantzösischen Trouppen , Mar-
quis de Chetardie , ein solches Menagement , als nach dem Völcker-
Recht sonst gegen die von fremden Puiſſancen an denen Europäis .
Höfen befindlichen Miniſtres gemeiniglich beobachtet wird , gar nicht
verdienet : So haben Jhro Czaarische Maj. dennoch kund thun
lassen , welchergestalt besagter Chetardie statt dessen , daß er die ihm
sowohl vorhin , als bis nun erwiesene nicht geringe Diſtinction hät-
te erkennen , und darnach seine Aufführung einrichten sollen , viel-
mehr das Gegentheil bewiesen , und ohnfehlbar ohne Ordre oder
Vorwissen des Königs seines Herrns , sich selbst vergessend , getrach-
tet habe , verschiedene Personen , und so gar die Geistlichkeit , ihre
Pflicht aus den Augen zu setzen , mit Gold zu corrumpi ren , und sich
dadurch eine Parthey zuwege zu bringen , ja das hiesige Miniſterium
übern Hauffen zu werffen , annechst viele ungebührliche Dinge von
hier heraus zu schreiben , daß solches keiner Orten erlaubt , noch von
irgend einer Puiſſance gelitten werden mag . Zum unwidersprech-
lichen Beweißthum aber seiner , des Chetardie Verwegenheit und
frevelhafften Unterfangens , hat man verschiedliche Original-Depe-
chen in Händen , Jhro Maj. , die Kayserin , haben bey allen Dero
aus angebohrner Großmuth mit ihm , des Chetardie Verbrechen
gemäß , so , wie er es , der von ihm gewärtig gewesenen Conduite
nach , wohl verdient , und worzu er sich die Befugnisse vollkommen
selbst über den Hals gezogen , gleichwohl nicht verfahren ; sondern
Dero Indignation und dasjenige , was er als eine nicht characteri-
sirte Privat-Person verwürcket hat , großmüthigst in Vergessenheit
stellen wollen , und dem Chetardie nur andeuten lassen , sich , ohne
mit jemanden weiter allhier zu sprechen , binnen 24. Stunden aus
der hiesigen Residentz und aufs baldigste aus dem Reich hinweg zu
begeben . Gleichwie aber Jhro Kayserl. Maj. versichert sind , daß
der Chetardie , wie oben gedacht , sich ohne Ordre und Vorwissen
seines Herrn allhier so freventlich aufgeführet ; Als gedencken auch
Allerhöchst- Dieselben Dero vor Jhro Maj. den König von Franck-
reich hegenden Freundschafft , um des von seinem Unterthan be-
gangenen Verbrechens willen keinesweges zu verändern , sondern
wie sonst , also forthin zu cultivi ren . Was deucht unsern Lesern
von dieser Cataſtrophe ? Hier sehen sie ein wahres Ebenbild von
der falschen Staats-Klugheit , und wie lange sie Stich hält . Nil
conſcire ſibi , nulla palleſcere culpa , das ist Ehre , das ist Ruhm ,
das ist Unsterblichkeit vor einen klugen Staats-Mann . Wie leicht
hätte es geschehen können , daß dieser Mensch den redlichen Botta
um seinen besten Kopff gebracht ; nun aber ist die Unschuld offen-
bar , und so gehts : Premitur virtus & innocentia , fed non op-
primitur .