Paris, 17. Febr. Das Ministerium fährt in seinem Wechsel des Beamtenpersonals fort. Der heutige Moniteur bringt uns wieder einige Dutzende neuer Souspräfekte und Präfekturräthe.
‒ Die Nationalversammlung hatte heute das Vergnügen, nach langer Pause eine ellenlange Rede des Exgrafen Montalembert über die beste Bildung der Wahlkollegien anzuhören.
‒ Gestern Abend war großer Hofball im Elysée Bourbon. Wir erfuhren bei dieser Gelegenheit, daß der jüngst erst von der Bannmeile (Montmartre) zum Obersten der 2. Legion gewählte Napoleon Bonaparte, Sohn Jerome's, ganz bestimmt als Gesandter nach Madrid gehe. Lesseps werde als Generalkonsul nach Alexandrien versetzt und Adolph Barrot nach Brasilien geschickt. Ob der Hof in Madrid unter den gegenwärtigen revolutionären Zuständen den Napoleoniden mit offenen Armen empfangen dürfte, bleibt dahin gestellt. Harcourt jun. wird ihn als Sekretär begleiten.
‒ Die Rue de Poitiers entwickelt eine außerordentliche Thätigkeit. Sie versammelte sich gestern sehr zahlreich, um über die Frage zu berathen: welchen Gang sie bei dem bevorstehenden Wahlkampfe für die legislative Versammlung zu beobachten? Ehe sie in die Debatte trat, wurde die Vorfrage gestellt, ob es nicht gerathen, die Sitzung geheim zu halten? Dieser Antrag ging durch und es soll von heute an ein dichter Schleier über den ferneren Operationen des konservativen Repräsentantenklubs ruhen.
‒ Je näher wir dem Ende der Nationalversammlung (der Marrastinischen Republik) rücken, desto thätiger wird das Treiben aller Parteien. Die päbstlich- demokratische Partei hat einen Centralausschuß unter dem Titel Comité Napoléonien Catholique; die Cavaignacisten ein Comité unter dem Titel: République modérrée, und wie die Rue de Poitiers ihren Ausschuß taufen wird, wollen wir in den nächsten Tagen berichten.
‒ Unter den Redaktoren der „Reforme“ ist ein zweiter De la Haudde entdeckt worden, der monatlich 200 Franken dafür bezog: daß er die Pläne derjenigen Bergpartei verrieth, die noch zu diesem weit verbreiteten Blatt hält und als Sammelplatz für die große Verschwörung vom 29. Januar galt!
Dieser La Haudde Nr. 2 besorgte, heißt es, den deutschen Theil der Reform.
‒ In Chateauroux, das unsere Leser von den Szenen in Busancais her kennen, ist der Maire und der ganze Gemeinderath abgesetzt worden, weil sie gegen den Willen des Präfekten das Pflanzen von Freiheitsbäumen mit rothen Mützen gestattet hatten und sich nicht mehr Conseil Municipal, sondern Conseil Républicain nennen wollten.
In Limoges durchzog das Volk unter dem Absingen des Ca ira! und der Marseillaise die Straßen und rief: Es lebe die rothe Republik! Es lebe die Gouillotine! Nieder mit den Kapitalisten! Nieder mit den Reaktionären!
In Lyon ist nicht nur die Mobilgarde sondern auch die ganze Bürgerwehr aufgelöst. Minister Faucher wird dieserhalb übermorgen in der Kammer zur Rede gestellt werden.
In Marseille und Aix greifen Sozialismus und Kommunismus dergestalt um sich, daß der Generalprokurator von Aix dem Pariser Kassationshofe erklärt hat, er dürfe ohne Gefahr des öffentlichen Friedens die Marseiller Juni- Insurgenten vor dem zuständigen Assisenhofe des Bouches- du- Rhone- Departements nicht richten lassen, er schlage ihm deshalb vor, sie vor die Assisen des Dromedepartements zu schicken. „Es gibt ganze Dörfer (heißt es im Bericht des Generalstaatsanwalts) welche in der letzten Präsidentenwahl auch nicht Eine Stimme dem Napoleon gaben, sondern für Ledrü- Rollin votirten. Dicht bei Aix sind die Dörfer ganz roth. Lambese z. B. und Andere würden in die Stadt dringen und die zu Richtenden befreien.“ Dieser Bericht wird von dem jetzigen Präfekten bestätigt.
Der Kassationshof hält heute (17.) sowohl über diesen Gegenstand als über die Rekursgesuche der Maigefangenen in Vincennes Sitzung.
Aus Lyon erfährt man, daß das kommunistische Blatt „Peuple Souverain“ in der Bugeaud'schen Angelegenheit zu 1 Monat Gefängniß, 500 Franken Kosten und 1000 Franken Ehrengelder an Bugeaud verurtheilt worden ist.
Im Fraternitätssaale, Rue Martel 9 tritt übermorgen eine große Volksjury zusammen, vor welcher mehrere Winkelzüge der
Reaktion an's helle Tageslicht gezogen werden sollen. Diese Volksjustiz soll sehr feierlich vor sich gehen. Die Democratie pacifique enthält hierüber das Nähere.
Paris, 19. Febr. Auf dem Marsfelde findet so eben eine große Parade statt. Auch sind dort wie auf dem Concordiaplatze bereits die Zimmerleute mit dem Aufschlagen der Gerüste beschäftigt, die zur Revolutionsfeier am 24. Febr. dienen sollen.
‒ Die Gerichte instruiren immer noch Tag und Nacht über das Vorhandensein des großen Kommunisten- Complots vom 29. Januar. Die strenge Haft ist zwar gehoben von den zahlreichen Gefangenen, aber die Furcht des Ministeriums vor dem Gespenst des Kommunismus, als dessen erstes Stadium der Constitutionnel heute den Sozialismus wiederholt nennt, ist eher im Steigen als im Abnehmen. So hat die Staatsanwaltschaft auf das Gerücht hin: heute Abend würde im Fraternitätssaale der Rue Martel eine große Assiffensitzung zur Schlichtung mehrerer Ehrensachen zusammentreten, Befehl gegeben, das ganze Stadtviertel, in welchem jener Saal liegt, militärisch zu besetzen. Um diesen Pomp zu verhindern, erklären die sozialistischen Chefs in den Morgenblättern, daß jene Assiffensitzung nicht statt finde. So wird dem General Changarnier jede Gelegenheit genommen, als Anker des Vaterlandes neue Lorbeeren um seine Schläfe zu winden. Dieses Schauspiel ist sehr ergötzlich.
‒ Die Tuilerien, deren große Säle seit Mitte Januars in Casernen umgewandelt worden, sind wieder leer. Das Militär ist anderweitig einquartirt worden. „Le Credit“ schlägt vor, die Soldaten in eine Arbeiter- Armee umzuschaffen, und sonstige fromme Wünsche.
‒ Für die Pariser Journale gibt es nur zwei wichtige Tagesfragen:
1. der Sozialismus, der nach dem heutigen Constitutionnel wie die Cholera um sich greife und dem durch die nächsten Wahlen der Hals gebrochen werden müsse.
2. die italienische Frage. Letztere wird namentlich von der Girardinschen „Presse“ ausgebeutet, die für russisches und sardisches Gold den Franzosen die Nothwendigkeit der Herstellung eines lombardisch- venetianischen Königreichs, Wiedereinsetzung des Pabstes, Rückkehr des patriotischen Leopold nach Florenz u. s. w. vordemonstrirt. In seiner heutigen Predigt sagt der Verfasser:
„....Wie jedes Menschenwerk, glauben auch wir die Wiener Verträge einer Aenderung fähig, und wir wünschen sie sogar. Aber die jetzige Epoche ist so revolutionär, daß man mit nicht genug Ruhe und Reife an diese Revision schreiten könnte. Zerhiebe man diese Verträge mit dem Schwerte, so zerrisse man mit ihnen die letzten internationalen Banden, welche die Völker noch zusammenhalten, und statt einer allgemeinen Verbrüderung würde man einen allgemeinen Sturz der Rechtsherrschaft herbeiführen, der nur die Gewalt als Grundgesetz folgen dürfte. Es gäbe einen allgemeinen Völkerkrieg ‒ la guerre des races. Europa zählt 250 Millionen Einwohner; 76 Millionen (38 Millionen französischer, 22 Millionen italienischer und 16 Millionen spanischer Zunge) romanischen Ursprungs; 60 Millionen Deutsche und 65 Millionen Slaven. Man frage die Geschichte, und man wird sehen, daß in allen Augenblicken großer Gefahr die Deutschen mit den Slaven stets gemeinschaftliche Sache gegen die Romanen (Franzosen, Italiener und Spanier) machten. Die heilige Allianz ist der letzte Beweis für diese Behauptung.“
‒ Im Ministerium des Innern sind Depeschen aus Perpignau eingelaufen, die von einem neuen mißlungenen Versuch des Obersten Ametler: in Catalonien die Republik zu proklamiren sprechen.
(Morgen Näheres.)
‒ Vor einigen Tagen behauptete die bonapartisirte Union monarchique: Cavaignac mache in aller Stille Propaganda im Heere u. s. w. Diese Anklage führte heute den berühmten Diktator auf die Bühne der Nationalversammlung.
Nationalversammlung. (Sitzung vom 17. Februar. Anfang 1 1/4 Uhr.) Präsident .
Malbois stellt den Antrag, die Urlaubsbewilligungen so viel als möglich zu erschweren, da es sonst leicht kommen könnte, daß das Haus nicht mehr beschlußfähig wäre. (Unterstützt!)
An der Tagesordnung ist Ducour's Antrag auf bessere Stellung der Militärärzte.
Ducour, der bekannte Expräfekt von Paris ruft der Versammlung das Dekret vom 3. Mai 1848 ins Gedächtniß zurück, das den Militärärzten eine angemessenere Stellung verspricht, bisher aber nicht erfüllt wurde. Die franz. Militärärzte theilen alle Gefahren der Armee- Offiziere, nehmen aber eine untergeordnetere Stellung als sie ein. Dies sei eine Ungerechtigkeit, der die Republik abhelfen müsse. Der Kostenpunkt dürfe nicht hindern.
Ambert, Berichterstatter des Kriegsausschusses, hebt die Schwierigkeiten hervor, die eine Aenderung der Organisation des Medizinal- Korps mit sich führe und stellt sie als alleinigen Grund der Verschleppung des Gegenstandes hin. Der Ausschuß sei daher der Ansicht, vorläufig noch die Oraanisatiou des Gesetzes von Rivose, Jahr III beizubehalten.
Martin (Straßburg) unterstützt die Anfertigung eines neuen Reglements.
Charras, die rechte Hand Cavaignac's, desgleichen.
Rullières, Kriegsminister, erklärt, daß er den Gegenstand geprüft habe; er finde ihn aber vorläufig unausführbar. Diese Ansicht habe auch wahrscheinlich seinen Vorgänger, General Lamoricière vermocht, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er verspricht, später einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Ducour: Es scheint als ob der Kostenpunkt den Minister zurückschrecke.
Die ganze Seche beläuft sich auf kaum 800,000 Frk. Dies sei also kein Grund, nicht Gerechtigkeit zu üben.
Charencey und Baraguay d'Hilliers sind der Maaßregel auch nicht geneigt.
Lamoricière erklärt, er hätte das Dekret vom 3. Mai 1848 ausführen wollen. Allein dasselbe berühre die ganze militärische Rangleiter, das Pensionswesen und biete da Schwierigkeiten in Menge. Die Lage der Aerzte müsse aber gebessert werde, deshalb schlage er folgende motivirte Tagesordnung vor:
„Die Nationalversammlung ladet den Kriegsminister, dessen Erklärung sie angehört, ein: das Reglement, die Militärärzte betreffend, ohne Vorzug dem Staatsrath Behufs Einleitung weiterer Schritte zuzustellen.
Dieser Vorschlag geht mit großem Mehr durch.
Die Versammlung geht nun zum Wahlgesetz über. Artikel 3, die Erklusion betreffend, war auf Veranlassung des Berges noch einmal an die Kommission zurückgewiesen worden. Die letztere hat ihn dahin geändert:
„Dennoch erstreckt sich der Ausschluß vom Wahlrecht nicht auf politische Verurtheilte, es würde denn dieser Ausschluß speziell im Urtheil ausgesprochen.“
Gent findet dies noch ungenügend;
Billault empfiehlt jedoch die neue Fassung.
Die Versammlung nimmt den Zusatz an und kehrt zum Artikel 22 zurück (Wahl Kollegien) wo sie die Debatte gestern Abend abbrach.
Montalembert, Vorkämpfer der Decentralisation spricht, wie gewöhnlich eine Stunde.
Oscar Lafayette unterstützt den Entwurf des Ausschusses.
Montalemberts Rede hatte vorzüglich zum Zweck, die Wahlzirkel so eng als möglich zu ziehen und in jeder Gemeinde votiren zu lassen. Auf dem platten Lande sagte er, da seien die wahren Arbeiter nicht in den Städten. Der Ackerbauer der sei der wahre Repräsentant des Friedens, der Freiheit und der Produktion, während die Städte die Anarchie und den Wucher darstellten u. s. w., u. s. w. Er sei daher um so mehr erstaunt, den Enkel des großen Generals (Lafayette) jetzt unter den Vertheidigern jenes Paragraphen zu sehen, die dem eigentlichen Volke, dem Landbauer die Theilnahme an der Ausübung seines politischen Rechts erschwerten, indem sie ihn nöthigten, seine Arbeit zu verlassen und sich in die Kantonshauptstadt zu begeben. Er (der Redner) sei offen und hätte nimmer mehr eine solche Hypokrisie von dem Abkömmling des großen Generals erwartet....
Oscar Lafayette (heftig): Dieser Angriff verlangt eine Erklärung. Er werfe den Ausdruck Hypokrisie von sich, ein solcher Vorwurf dürfe ihn nicht treffen. (Beifallssturm)
Montalembert: Ich frage die Nationalversammlung ob sie nicht in den Worten, mit denen der Vorredner den Wahlgesetzentwurf vor mir unterstützte, einen auf mich bezogenen persönlichen Angriff erblickt (die Versammlung erhebt sich, um in Masse zu protestiren.)
Im Augenblick, wo die Debatte über Artikel 24 fortgesetzt werden soll und Montalembert von der Bühne steigt, erhebt sich ein fürchterlicher Tumult auf dem Berge (äußerster linker Flügel) Denjoy, der bekannte Tumultuant, nährt sich nämlich dem Grafen Montalembert und sagt ihm: „Sie bedürfen keiner Rechtfertigung! Sie besitzen die Sympathieen aller honetten Leute. Darauf erwiedert Arago: Ob er (Denjoy) auch dieses an den Courrier de la Gironde und Bordeaux schicken werde? Denjoy wird wüthend. Die beiden stürmen zum Saale hinaus. Ihre Freunde hinter ihnen her. In einem Nebensaale stellen sie sich zur Rede. Wir hören: die Sache ist ausgeglichen.
Eine große Agitation herrscht im Saale. Niemand leiht der Debatte über die Artikel 25 und 26 Aufmerksamkeit. Ein Skrutin über ein Anhängsel Dufournels zum Artikel 26 weist dasselbe mit 380 gegen 365 an den Ausschuß. Die Versammlung trennt sich um 6 Uhr in großer Gährung.
‒ National-Versammlung. Sitzung vom 18. Februar. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Das Protokoll wird vor ziemlich leeren Bänken verlesen.
Fould überreicht eine Petition, worin der Pariser Handelstand die Regierung ersucht, die verheißenen Handelsverträge mit Rio Janeiro und den Laplatastaaten möglichst bald abzuschließen, damit die Ausfuhr gewinne. (An die Petitions- Kommission.)
Donatier Marquis trägt darauf an, die dritte Berathung über Steuerhöhung auf milde Stiftungen und geistliche Güter (main-morte) auf die Tagesordnung sofort zu setzen. (Beifall.)
Marrast: In diesem Falle müssen die öffentlichen Sitzungen schon Mittags beginnen. (Ja, Ja.)
Fould entgegnet, daß das Wichtigste vor Allem das Wahlgesetz sei.
Man solle es keinen Augenblick aufhalten. (Murren vom Berge.)
Die Versammlung nimmt das Wahlgesetz (2. Delibration) vor. Sie war bis Artikel 20 gedrungen, der von der Bildung der Wahlbezirke handelt und zu welchem Morhery den Zusatz stellt:
„Kein Kanton darf in Unterbezirke getheilt werden, bevor nicht der Kantons-Confeil amtlich darauf antrug“
Die Kommission schlägt dagegen vor:
„Die Kantonalräthe sind vorher über Bildung von Unterbezirken zu konsultiren.“
Mothery meint. das heiße seinen Satz nur umdrehen. Er tritt der Fassung bei,
Dieser Anhang zu Artikel 26 wird mit 477 gegen Stimmen angenommen.
Hier wird die Debatte unterbrochen.
Pelletier erhält das Wort, um den Minister des Innern zur Rede zu stellen, warum die im Juli d. J. aufgelöste Bürgerwehr in Lyon noch nicht wiederhergestellt worden sei; es sei diese Wiederherstellung in jenem Auflösungsdekrete ausdrücklich versprochen worden. Warum hält das Ministerium nicht Wort?
Faucher, Minister des Innern, erklärt, daß der die betreffenden Akten durchgelesen und folgenden Thatbestand gefunden habe: Nach dem Februar wurden allen Bürgern Waffen überliefert. Waffen in den Händen des Proletariats seien aber gefährlich (Lärm.) Lyon sei eine gewerbreiche Stadt und es hätten sich dort immer zwei Klassen einander gegenüber gestanden; hierin liege der Grund, weshalb seine Vorgänger schon Bedenken getragen, Waffen in Hände zu geben, die keine Confiance inspiriren. Er (Faucher) und der Lyoner Präfekt theilen dieselben Bedenken und er halte es darum gerade jetzt für höchst gefährlich, einer solchen Bevölkerung Waffen in die Hand zu geben. (Beifall zur Rechten, Lärm zur Linken.)
Chanay: Die Nationalgarde von Lyon erwies der Republik große Dienste. (Oh, Oh.) Sie kann ihr deren noch erweisen. (Oh, Oh rechts, Ja, Ja links.) Kein Motiv darf also ihre Reorganisation aufhalten. Jeder Verzug ist ein Hohn auf die patriotischen Gefühle jener braven Bevölkerung.
Ferouilhat unterstützt im Namen der Mehrzahl der Lyoner Stadtbürger (Oh, Oh links) die Bedenken des Ministers. Das Arbeitervolk in Lyon sei wegen seines kommunistischen Geistes bekannt. (Lärm.) Er (der Redner) könne sich also nur den Behörden beigesellen.
Doutre protestirt energisch gegen solche Verläumdung des Geistes des Lyoner Arbeitervolkes. In einer Republik müsse gleiche Berechtigung herrschen u. s. w. u. s. w.
Pelletier und Lagrange treten in demselben Sinne auf. Doch die Versammlung läßt die Interpellation fallen und kehrt nach Erledigung des Malbois'schen Antrages hinsichtlich der Urlaube zum Wahlgesetz zurück.
Artikel 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34 und 35 rollen rasch hintereinander.
Cavaignac unterbricht hier die Debatte: Ich habe, beginnt er unter tiefem Stillschweigen, Interpellationen an den Kriegsminister rücksichtlich eines persönlichen Faktums zu richten, das, wenn es gegründet wäre, mich vor ein Kriegsgericht stellen müßte. Das Journal „Union“ hat nämlich vor mehreren Tagen einen Artikel veröffentlicht, der mich angeklagt, im Heere revolutionäre Propaganda zu machen. (Cavaignac liest jenen Artikel, den wir schon vor mehreren Tagen nach dem National erwähnten.)
Ich habe ‒ fügt Cavaignac bei ‒ wegen dieses Artikels bereits Klage erhoben und die Gerichte werden den Verfasser verfolgen. Doch das genügt nicht. Wenn ich der General Changarnier wäre und an der Spitze aller Militärkräfte von Paris zu stehen die Ehre hätte, so würde ich ein Verbrechen zu begehen glauben, wenn ich einem ähnlichen Auftreten eines Blatts nicht fest und öffentlich entgegenträte. ‒
Faucher, Minister des Innern, der nur Carliersche Spionenberichte und keine Zeitungen zu lesen scheint, erklärt, unterbrechend, alles Ernstes, daß er nicht die geringste Kenntniß des in Rede stehenden Artikels habe, (ungeachtet er der Gegenstand aller Journale war).
Cavaignac fortfahrend: In diesem Falle schlage ich die Verschiebung der Debatte auf morgen vor, damit sich der Minister unterrichten könne. (Es geschah.)
Faucher (lebhaft): Ich will sogleich antworten. Ich billige jenen Artikel durchaus nicht; im Gegentheile mißbillige ich ihn. Der General Cavaignac hat dem Lande, der Gesellschaft zu große Dienste erwiesen, um den Verdacht Raum zu geben, daß er einen aufrührischen Geist habe in der Armee verbreiten wollen.
Changarnier besteigt die Bühne. Er stößt alle Solidarität mit der Redaktion und dem Geiste jenes Artikels von sich. Er ruft den General Cavaignac ihre gemeinschaftlichen Dienstjahre in Algerien zurück und verliert sich in die gröbsten Schmeicheleien. (Beifall rechts. Gelächter links.)
Das Incidenz ist erledigt, sagt Marrast, und die Versammlung kehrt zum Wahlgesetz zurück. Die Artikel von 36 bis 49 geben zu keiner ähnlichen Debatte Veranlassung.
Plötzlich wendet sich das Blatt. Marrast frägt die Versammlung, ob sie morgen Sitzung halten oder ihre Tagesordnung ändern wolle? Namentlich wegen des Erbschaftsstempelgesetzes.
Die Versammlung entscheidet, daß sie morgen sitzen werde.
Inmitten der Debatte über die Tagesordnung erscheint Ledrü- Rollin auf der Bühne. Ich benachrichtige hiermit (sagt er) das Ministerium, daß ich rücksichtlich Italiens morgen Interpellationen an dasselbe richten werde.
Lacrosse, Staatsbauten- Minister, erwidert, daß er bedaure, daß Ledrü- Rollin sich nicht früher gemeldet habe, wo Barrot und Druys de Luys noch anwesend gewesen seien. Er widersetze sich im Namen des Cabinets den Interpellationen, da die Lage der Dinge zu gefährlich.
Briver (vom Berge): Sie sprechen wie ein monarchischer Minister! Diese Aeußerung ruft einigen Tumult hervor.
Marrast ruft Briver zur Ordnung. Lacrosse wird sehr zornig und die Scene burlest.
Ledru Rollin verwahrt sich sein Recht auf Interpellation für morgen. Also auf Morgen. Die Versammlung geht um 6 1/2 Uhr auseinander.