Den Durchgangspunkt zu diesem Wechsel, der
eben den großen politischen Kampf unserer Zeit
hervorgerufen, und als Eingang zu dem Vanda-
lenthum des Communismus zu betrachten ist, bil-
dete die aus dem Sturze der absoluten, in fal-
scher Form hervorgegangene und in dieser sich fort-
entwickelnde constitutionelle Monarchie. England,
wo zuerst die Jdee der absoluten fürstlichen
Staatsallmacht durchgeführt wurde, sah auch zu-
erst für einige Zeit deren Uebertragung auf die
Massen durch seine Revolution verwirklicht; aus
dem Kampfe der beiden, um diese Allgewalt sich
herumreißenden Mächte, der fürstlichen und volks-
thümlichen, ging durch eine Art von Friedensver-
trag zwischen beiden das Mixtum compositum
der constitutionellen Monarchie hervor. Man
theilte die Omnipotenz nemlich in zwei Stücke,
wovon man das eine dem Fürsten überließ, das
andere aber der an die Spitze des Volkes als
seine Vertreter sich hinstellenden Aristokratie als
Beute hinwarf; damit war die Staatsallmacht
der Fürsten gebrochen und ihr allmäliger gänzli-
cher Uebergang auf ein anderes Element vorbe-
reitet. Für den Verlust tröstete man den Fürsten
mit dem geschichtlich und moralisch unwahren
Satze, „daß der Fürst nicht unrecht thun könne,“
und leitete daraus die beruhigende Folgerung ab,
„daß er nicht verantwortlich sei.“ -- Der Um-
stand, daß das Parlament in England seit drei-
hundert Jahren mit seiner Beute sich begnügte,
ist noch kein Beweis, daß dieses dort immer, oder
daß es anderwärts so der Fall sein werde, viel-
mehr zeigt es andern Ländern die Erfahrung, daß
unmittelbar hinter dem Constitutionalismus unse-
rer Zeit die Demokratie sich emporhebt, als so-
genannte Legaldemokratie ihre Verwandtschaft zum
Constitutionalismus und ihre gemeinsame Abstam-
mung mit selbem nachzuweisen sucht, während ihr
einziges Bestreben auf Sturz der constitutionellen
Theilung der Staatsgewalt, auf ausschließliche
Uebertragung derselben auf die Massen gerichtet
ist. -- Der heutige Constitutionalismus trägt in
sich weder die Kraft eines Prinzips, noch eine
materielle Macht; er muß der Demokratie, die
beides in sich vereinigt, weichen.
Aber glaubt ihr, daß die Massen, deren Hoch-
muth und Begierlichkeit man aufs Höchste gereizt
mit der Beute, welche die demokratischen
er ihnen zuzuwerfen gedenken, zufrieden sein
werden! -- Wenn es einmal in Europa dahin
kommen sollte, daß die historischen Rechte der
Throne vernichtet, die Monarchien gestürzt, der
große Haufen dagegen wirklich zum Souverän, zu
einem über alle Rechte stehenden, nur von seiner
Willkür abhängigen Herrscher ausgerufen werden
sollte, glaubt Jhr, daß der nimmersatte Magen
dieser vergötterten, damit aber eigentlich mehr ver-
thierten Massen mit der substanzlosen Speise eines
logischen Begriffes, der Fiction von Staatsgewalt,
geeignet blos als Mittel zum Beutemachen für
die an der Spitze stehenden demokratischen Jntri-
guanten, sich zufrieden stellen werde? Thoren sind,
die das glauben, Menschen, die aus der Weltge-
schichte kein Blatt gelesen und von menschlichen
Herzen keinen Zug kennen; die Massen werden
wirkliche Speise für sich verlangen; da aber in
dem zerstörenden Entwicklungsgange nichts mehr
als das Eigenthum verschont wurde, so ist es auch
das Einzige, was zum Verschlingen noch übrig
geblieben. Sie werden diesen letzten Rest des
historischen Rechtes, viel fetter als alle Phrasen
von Volksmajestät, Volksherrschaft und Volks-
souveränetät, und darum gerade für den gieri-
gen Schlund der Massen geeignet, sicher ver-
schlingen.
Wiß't ihr das Geheimniß nicht, daß die Zahl
der Besitzlosen viel größer, als die der Besitzen-
den ist, daß durch Souveränisirung der großen
Haufen und das mit logischer Gewalt sich auf-
drängende Prinzip der Wahrheit eigentlich nur die
Besitzlosen zum Herrscher erklärt worden sind,
welche nicht ermangeln werden, das letzte Ueber-
bleibsel von Recht, das Eigenthum, als Unrecht,
und Raub desselben aus den Händen der Besitzen-
den als Recht zu erklären. Es ist freilich ein
Geheimniß nur für Solche, die Augen haben und
nicht sehen, die Ohren besitzen und nicht hören
wollen; für die Sehenden und Hörenden aber
wandert es als offenkundige Thatsache auf allen
Straßen der Städte, in allen Landestheilen, in
in allen Staaten herum. Es ist wirklich merk-
würdig, wie es noch jetzt so viele Leute gibt,
welche in dem Wahne befangen sind, als sei die
Zahl der Besitzenden größer, als jene der Besitz-
losen, während das Verhältniß gerade umgekehrt
ist. Wir stellen eine sehr günstige Berechnung
auf, wenn wir für die meisten Länder Europa's,
mit Abrechnung des weiblichen Geschlechtes, das
Verhältniß der Besitzenden zu den Besitzlosen,
wie 1 / 3 zu 2 / 3 angeben.
Die Bevölkerung der Städte, namentlich der
größeren, zählt in unserer Zeit, wo Alles in die
Städte sich hineindrängt, und deren Einwohner-
zahl daher in einer reißenden Progression zunimmt,
in einem weit größeren Verhältnisse als dem an-
gegebenen zur Klasse der Besitzlosen, d. h. aller
Jener, welche entweder gar Nichts besitzen, indem sie
mit Noth u. Elend bereits wirklich im Kampfe liegen,
oder selbe für die nächste Zukunft in Aussicht haben,
oder Tag aus Tag ein nur so viel erwerben,
um für sich und die Jhrigen knapp die unmittel-
barsten Lebensbedürfnisse zu bestreiten; oder dann
Jener, deren Besitz so gering ist, daß derselbe sie
keineswegs von der Gier einer allgemeinen Güter-
theilung abzuhalten geeignet ist. -- Man mache
nur eine Rundschau in den Städten, fange beim
Königspallaste an und steige bis zu den Taglöhner-
hütten und öffentlichen Armenanstalten herunter,
und man wird finden, daß die Zahl der Wohn-
stätten sehr gering ist, wo wirklich mehr Besitzende
als Besitzlose wohnen. Die großen Proletarier-
heere in den Städten sind keine Fiction, sondern
leider eine nur zu traurige Wirklichkeit. -- Das
Verhältniß auf dem Lande ist zwar günstiger;
allein auch hier ist die Zahl der Besitzlosen grö-
ßer, als jene der Besitzlosen. -- Vorerst wird
Niemand bestreiten, daß die Zahl der Dienstboten
und Taglöhner viel größer ist, als jene der Dienst-
herren und Grundbesitzer ist. Allein selbst in der
Familie von diesen gehört der größere Theil zur
Klasse der Besitzlosen; ja es ist sogar ein Gebot
der Nationalwohlfahrt, die unbedingte Gütertheilung
in den Familien zu erschweren, der allzuleichten
Verwandlung der besitzlosen Familienglieder in
besitzende Hindernisse in den Weg zu legen, weil
die Erfahrung beweist, daß durch allzugroße Be-
günstigung der Gütertheilung zwar eine große
Zahl von Besitzenden geschaffen, ihr Besitz aber
selbst mit der Zeit auf ein solches Minimum
zurückgebracht wird, daß er der Besitzlosigkeit gleich
kömmt. Es findet hier das Paradoxon, „daß die
Vermehrung der Zahl der Besitzenden die Besitz-
losigkeit vergrößert,“ seine volle Anwendung. --
Man hat in Frankreich auf eine Totalbevölkerung
von vierundreißig Millionen die Zahl der Besitzen-
den und direkte Steuern Entrichtenden auf höch-
stens fünf bis sechs Millionen angegeben; das
Verhältniß wird in Deutschland nicht viel günsti-
ger sein. -- Der Wahlsieg der Socialisten in
Paris und anderen Gegenden ist daher gar nichts
so Unbegreifliches; es ist ein Beweis von gänz-
lichem Mangel an Fähigkeit zur Auffassung un-
serer gesellschaftlichen Verhältnisse, wenn man die
Niederlage in den neuesten Wahlkämpfen in Frank-
reich einer tollverkehrten Gesinnung eines bedeu-
tenden Theiles der besitzenden Bourgeoisie zuschreibt
und ihr vorwirft, daß diese aus politischem Wahn-
witze für Das stimme, was sie ruiniren werde.
Der Sieg ist lediglich einem einigeren, massen-
haften Zusammenwirken der besitzlosen Massen zu-
zuschreiben. Wir hehaupten, daß bei diesen Wahl-
kämpfen nicht nur die ungeheure Mehrzahl der
Besitzenden gegen den Socialismus gestimmt hat,
sondern, daß sogar nach dem vorliegenden Zah-
lenverhältniß der Für= und Gegenstimmenden, ein
namhafter Theil von Denjenigen, welche zur
Klasse der Besitzlosen gehören, aus allerlei Grün-
den, die ihnen nahe lagen, gegen und nicht für
die Socialisten gestimmt haben. Wie lange wird
man aber bei der reißend um sich greifenden De-
moralisation auf die Stimmen von solchen Leuten
rechnen können? -- Jst nicht die Aussicht vor-
handen, daß in Frankreich die ganze Klasse der
Besitzlosen zu einem wohlgegliederten Wahlheere
sich organisirt und in den unblutigen Wahlschlach-
ten einen sicheren Triumph erringt, und sind wir
in Dentschland und anderwärts etwa so fern von
den Zuständen Frankreichs? Hinausgeworfen zum
größten Theile aus dem Gebiete des historischen
Rechtes, bewegen wir uns allenthalben beinahe
lediglich nur noch auf dem Boden faktischer Zu-
stände. Wie lange werden diese dauern? Die
Armeen haben dieselben noch für einige Zeit in
statu quo erhalten; aber wie lange werden diese
zu einem solchem Dienste sich gebrauchen lassen;
Gehören nicht sie vorzugsweise zur Klasse der Besitz-
losen, sind nicht sie vorzugsweise der Verfügung aus-
gesetzt, weil die ganze Agitationskraft der Umsturz-
partei auf sie gerichtet ist, und das Bewußtsein
des Besitzes der Macht verführerischer Aufreizun-
gen des Hochmuthes sie zugänglicher macht? Ver-
mag Disciplin allein sie dagegen zu schützen?
Die Gefahr ist also wirklich und nicht blos
eingebildet, und wir dürfen mit gutem Rechte sa-
gen: „es ist ein Wahn, den Communismus für
unmöglich zu halten.“ -- Damit sei nicht gesagt,
als könne der Communismus je auf die Dauer
die Welt regieren; er läuft gegen die von Gott
selbst gegebenen Grundlagen der menschlichen Ge-
sellschaft; allein er kann hereinbreichen wie ein
Vandalenheer, und den größeren Theil von Eu-
ropa in einen gräßlichen Trümmerhaufen verwan-
deln.
Will man am Schlusse dieser blos skizzirten
politischen Betrachtung uns nach den Heilsmitteln
fragen, womit ein so entsetzliches Uebel abgewen-
det werden könne, so antworten wir: Es gibt ei-
nen wahren und einen falschen Communismus:
dieser, der von uns geschilderte, ist die Ausgeburt
menschlichen, ja diabolischen Hochmuthes; jenen
findet ihr beschrieben und befohlen in den Büchern
unseres Heiles, es ist der Communismus christ-
licher Demuth, Liebe und Barmherzigkeit. Die-
ser allein ist das Gegengift, das jenen zu tödten
vermag.