Neuestes.
⁑ Würzburg, 21. Nov. Gestern Nachmit-
tags um 2 Uhr fand die feierliche Beerdigung
des, seine Ernennung durch den letzten Armeebe-
fehl nur um wenige Stunden überlebt habenden,
k. Platzmajors Carl Adolph Löhr statt. Derselbe,
seit 43 Jahren dem Militärverbande angehörend,
machte sämmtliche Feldzüge zwischen 1809 und
1815 mit. Das Offizierkorps, sowie Abtheilun-
gen sämmtlicher hier garnisonirenden Waffengat-
tungen und der Landwehr wohnten dem Conducte
an. Nachdem die militärischen Ehrenbezeugungen
mit den herkömmlichen drei Salven beendet, sprach
Herr Domkapitular Dr. Götz ergreifende Worte
am Grabe des Verblichenen.
§ Kissingen, 18. Nov. Heute Vormittags hat
sich in der Hasselmühle bei Stralsbach ein Sol-
dat vom k. k. öster. Jnfanterie=Regiment Benedek
in seinem Quartier durch einen Schuß aus seinem
Dienstgewehre in den Mund entleibt.
Karlsruhe, 19. Nov. Der Kriegszustand ist
verschärft worden. Die Verschärfung beschränkt
sich jedoch nur auf die badischen Truppen, auf
welche man mit Recht ein wachsames Auge hat,
obschon sie in ihren neuen Cantonnements im
Oberlande die vorzüglichste Haltung beobachten.
-- Die größere Strenge ist in ihrer Anwendung
auf das neue Truppenkorps sehr zweckmäßig.
Wenn die badischen Offiziere selbst ein Beispiel
geben und die traurigen Erfahrungen beherzigen,
welche sie nicht ohne eigene Verschuldung machen
mußten, so darf Baden, wenigstens jetzt wieder,
mit Vertrauen auf seine Armee blicken.
Köln, 18. Nov. Die Forts unserer Stadt
sind besetzt, sowie die Lunetten und die Caponnie-
ren zur Aufnahme von Truppen wohnbar gemacht,
die Wälle mit dem nöthigen Geschütze versehen
und die Pappeln auf dem Glacis umgehauen.
Köln wird in Kurzem eine Besatzung von 15,000
Mann haben; die Artillerie=Festungskompagnien
sind bereits gebildet und mit dem Transporte der
Pulvervorräthe aus den Friedensmgazinen vor der
Stadt in die Kriegspulverthürme beschäftigt.
Bereits wird an preußische Blätter von Zü-
gen pyramidalen Heldenmuths geschrieben, die in
dem kurhessischen mörderischen Vernichtungskriege
auf Seite der nach „militärischen Rücksichten“
retirirenden Preußen vorgefallen sind. Um nur
einen davon zur Charakterisirung aller übrigen
emporzuheben, so wird dem „Magdeburger Kor-
respondenten “ geschrieben, daß ein preußischer
Portd'epee=Fähnrich einen bayerischen Offizier und
einen Unteroffizier „gefangen“ genommen, aber
vorgezogen habe, „sie wieder laufen zu lassen“
-- ob nur aus „militärischen Rücksichten?“ ist
nicht dazu geschrieben.
Hannover, 18. Nov. Aus sicherer Quelle geht
uns die Mittheilung zu, daß 13,000 Mann Trup-
pen sofort auf den Kriegsfuß gesetzt werden
sollen.
Hamburg, 17. Nov. Ende der Woche ist
hier für Rechnung der preußischen Regierung eine
Million Pfund Blei angekauft worden.
Berlin, 17. Nov. Die Landwehr=Kavallerie
2. Aufgebots war bisher nicht zur Einberufung
bestimmt, ist aber jetzt ebenfalls mobil gemacht.
( C. Z. )
Berlin, 17. Nov. Nach glaubwürdigen Mit-
theilungen hat der zeitige Waffenstillstand in Kur-
hessen, welcher Preußen in den Besitz der Etap-
penstraßen und von Kassel läßt, darin seinen
Grund, daß man preußischer Seits auf eine Re-
gelung der kurhessischen Angelegenheiten wie der
Herzogthümer durch Commissionen dringen will, die
auf den freien Conferenzen gebildet werden sollen.
( Berl. Z. )
Berliner Blätter, welche sich rühmten, aus
Patriotismus nicht über diesseitige Truppenbewe-
gungen berichten zu wollen. lassen gleichwohl 3
Armeen an verschiedenen Punkten der Monarchie
sich concentriren und nennen bereits deren Ober-
befehlshaber.
Zürich, 10. Nov. Der Bundesrath hat Genf
aufgefordert, seine Flüchtlinge dem Bundesbeschlusse
gemäß, auf acht Stunden zu interniren. Es ist
mit dieser Mahnung besonders auf die in Genf
verweilenden französischen Flüchtlinge abgesehen,
und hängt zusammen mit den Verschwörungen,
die man im südlichen Frankreich entdeckt hat; wahr-
scheinlich ist von Paris aus eine desfallsige Wei-
sung an den Bundesrath ergangen.
St. Gallen, 15. Nov. Der Gr. Rath hat
heute nach zweitägiger Diskussion mit 84 gegen
54 Stimmen die Motion des Hrn. Oberst Ritter
auf Verfassungsrevision angenommen. Der Ter-
min der Volksabstimmung, welche durch eine Re-
gierungsproklamation eingeleitet werden soll, ist
auf den 19. Januar 1851 anberaumt.
( N. Z. Z. )
Paris, 16. Nov. Man will, falls der deutsche
Conflict einen so ernsten Charakter annimmt, daß
die offene Aufstellung einer Observationsarmee ge-
rechtfertigt erscheint, dem General Changarnier
nebst Ertheilung der Marschallswürde den Ober-
befehl dieser Armee übertragen, denselben auf
diese Weise von Paris entfernen und den, Lud-
wig Napoleon persönlich ergebenen, General
Baraguay d'Hilliers an seine Stelle setzen. Jch
kann Jhnen verbürgen, daß das Ministerium, über-
einstimmend mit der Umgebung des Präsidenten,
diesen Plan hegt, mit dem man um so leichter
zu reussiren hofft, als der General Chan-
garnier wohl schwerlich sich weigern könnte,
eine so ehrenvolle Beförderung anzunehmen. --
Der 11. und 12. Nov., für welche Tage bekannt-
lich ein allgemeiner Aufstand im Süden angesagt
war, sind ohne alle Ruhestörung vorüber gegan-
gen. Der „Constitutionnell“ schreibt die Nicht-
ausführung des Planes der Demagogie den ener-
gischen Polizeimaßregeln zu.
Rom, 9. Nov. Man erwartet hier eine Ver-
stärkung der französischen Garnison, indem außer
dem 53. Regiment auch noch andere französische
Regimenter Marschbefhl, erhalten haben. Gutun-
terrichtete wollen wissen, es sei zwischen der hie-
sigen und der französischen Regierung ein Ver-
trag über ständige Besetzung einiger Theile des
Kirchenstaats durch französische Truppen der Un-
terzeichnung nahe. Hr. Duclerc soll zu diesem
Zwecke als Bevollmächtigter der französischen Re-
gierung hierher kommen.
( N. M. Z. )
Turin, 11. Nov. Der Senator Gioja hat
das Portefeuille des Ministeriums des öffentlichen
Unterrichts definitiv übernommen und gestern be-
reits den Eid in die Hände des Königs ab-
gelegt.
Florenz, 11. Nov. Se. k. k. Hoheit der
Großherzog haben dem Präsidenten der französi-
schen Republik, Louis Napoleon Bonaparte, das
Großkreuz des toskanischen St. Josephordens ver-
liehen.
( Schluß der Rede des Hrn. Domdekan von
Hirscher. ) Es ist, durchlauchtigster Hr. Präsident,
hochgeehrteste Herren, nicht zu bezweifeln, daß
auch die hohe Regierung Badens in ihrer Weis-
heit die ebengedachte Ueberzeugung der deutschen
Großstaaten theile, und der Kirche ihre nothwen-
dige Selbstständigkeit zu gewähren die Absicht
habe. Aber seitdem die deutschen Großstaaten ge-
handelt haben, fängt die Erwartung des Landes,
weil immer noch nichts Bestimmtes verlautet hat,
nachgerade an in dieser Beziehung ungeduldig zu
werden. Jch hielt es daher für angemessen, der
hohen Regierung Veranlassung zu geben, sich
öffentlich über ihre Absicht hinsichtlich der Kirchen-
freiheit auszusprechen, und ( wie nicht zu bezwei-
feln ) die Erwartung des Landes durch bestimmte
Zusage zu beruhigen. Jch erlaube mir daher die
Anfrage: Was in dieser Angelegenheit etwa be-
reits geschehen sei, und bis wann man der Re-
gelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche
in Baden auf Grundlage der kirchlichen Selbst-
ständigkeit mit Bestimmtheit entgegensehen dürfte?
Man war vielleicht geneigt zu vermuthen, daß be-
züglich auf die katholische Kirche die gedachte Re-
gelung von jenen Staaten, in welchen die Diö-
zesen der Oberrheinischen Kirchenprovinz liegen, in
gemeinsame Berathung genommen und durch ge-
meinsame Beschlußnahme geordnet werden würden.
Seitdem aber Württemberg in dem neulich den
Ständen vorgelegten Verfassungsentwurf über das,
was es der Kirche verfassungsmäßig zu gewähren
beabsichtigt, unabhängig von anderen Regierungen
sich ausgesprochen hat, so läßt sich erwarten, daß
Baden sofort das Gleiche thun werde; und ich
darf glauben, es möchte vom Tische der hohen
Regierung aus die Erklärung abgegeben werden,
daß noch auf diesem Landtag eine das Kirchen-
constitutionsedict von 1807 nach den Forderungen
der Kirchenfreiheit umgestaltende Vorlage zu er-
warten sei, oder daß wenigstens unverzüglich eine
aus Gliedern der Staats= und Kirchenbehörde zu-
sammengesetzte Commission zur Feststellung der
Präliminarien jener Vorlage werde niedergesetzt
werden.
Die kirchlichen Zustände in England.
Die heutigen englischen Zeitungen bringen eine
weitläufige Beschreibung der Jnauguration des
neuen Lord=Mayors von London, eine Festlichkeit,
welche gewöhnlich durch die bei derselben gehalte-
nen Reden der großen Würdenträger des Staates
Bedeutung erhält. Lord John Russell wurde mit
rauschendem Beifall begrußt, und man wußte,
daß derselbe seinem jüngsten Brief an den Bischof
von Durham galt, in welchem er sich in ungemein
scharfer Weise gegen die Ernennung römisch=ka-
tholischer Bischöfe für England mit englischen Ti-
teln ausgesprochen hatte. Jn der Rede, welche der
englischen Premier später hielt, erwähnte er zu-
vorderst, daß England sich bemühen würde, den
europäischen Frieden, welcher jetzt bedroht sei, zu
erhalten; dann ging er sofort auf den kirchlichen
Gegenstand über, der jetzt die Gemüther in Eng-
land vorzugsweise beschäftigt, sprach aber in sehr
versöhnlicher Weise. Er citirte das Beispiel der
Königin Elisabeth, welche zur Zeit einer weit
ernsteren Krise, als diejenige, von welcher Eng-
land jetzt bedroht ist, Männer aller religiösen
Confessionen, wenn sie nur dem Throne und dem
Lande treu waren, als Rathgeber um sich ver-
sammelt hatte. Dieser Satz sollte unzweifelhaft
die Ernennung des Herrn Sheil, eines Katholi-
ken, zum Gesandten in Florenz, durch welchen
Minister auch der diplomatische Verkehr mit Rom
vermittelt wird, rechtfertigen. Lord Truro, Lord
Kanzler von England sprach sich bei dieser Gele-
genheit in weit schärferer Weise gegen die „ An-
maßungen “ des Papstes aus. Jn der That beschäftigt
sich jetzt ganz England, die Staatsmänner, die
Presse und das Volk, mit den jüngsten päpstlichen
Verordnungen. Bisher ward die katholische Kirche
in heidnischen Ländern, von Vicaren verwaltet,
welche zunächst der Autorität der „Propaganda“
gehorchten, und die ihre Bischofstitel in partibus
infidelium entlehnten. Diese Bischöfe waren
nicht permanent an die ihnen zugetheilten Diöce-
sen gebunden, sondern konnten auf Anordnung der
Propaganda zu jeder Zeit zu einem anderen Lande
berufen werden. Die rasche Zunahme der Katho-
liken in England, theilweise durch die Einwande-
rung der Jrländer, theilweise durch zahlreiche Ue-
bertritte, bestimmten den heiligen Vater zur Er-
richtung einer permanenten Hierarchie in jenem
Lande, in Folge welcher der Cardinal Dr. Wi-
semann zum Erzbischof von Westminster und an-
dere Prälaten zu Bischöfen anderer Diöcesen
ernannt wurden. Gegen diese Ernennungen machte
sich sofort eine furchtbare Opposition geltend, die sich
aber nicht auf das Gesetz von England stützen kann.
Jn der katholischen Emanzipationsbill ist es aus-
drücklich ausgesprochen, daß römisch=katholische Bi-
schöfe ihren Titel nicht von dem Orte, nach wel-
chem sich ein anglikanischer Bischof nennt, entleh-
nen können. Es folgt mithin, daß sie ihre Titel
von solchen Orten entlehnen dürfen, die einem
anglikanischen Bischofe nicht seine Titel geben, und
nur dieses ist geschehen. Ferner sprechen manche
Analogien zu Gunsten der päpstlichen Anordnung.
Jn Jrland wie in manchen der brittisch=amerika-
nischen Colonien bestehen bereits römisch=katholi-
sche Episcopate, die ihre Titel von Städten in
Jrland und in den Colonien hernehmen, und die
über diese Länder das Kirchenregiment führen.
Ferner hat England selbst in solchen Ländern,
welche die anglikanische Kirche nicht als Staats-
kirche anerkennen, gerade nach demselben Prinzipe
verfahren, welches jetzt von Seite Roms befolgt
wird. Schottland, wo bekanntlich die presby-
terianische Kirche die herrschende ist, ist in angli-
kanische Kirchenprovinzen eingetheilt, die von Bi-
schöfen, welche schottischen Städten ihre Titel ent-
nehmen, regiert werden, Dann hat die Königin
von England einen anglikanischen Bischof von Je-
rusalem ernannt, der über mehrere turkische Pro-
vinzen seine Jurisdiktion ausübt, und der angli-
kanische Bischof von Gibraltar schließt in seine
Diöcese alle diejenigen Städte des Mittelmeers
ein, in welchen Capellen der englischen Hofkirche
bestehen, wie z. B. Genua, Triest, Smyrna, ja
die ewige Stadt selber, in welcher das
Haupt der katholischen Christenheit seinen Sitz
aufgeschlagen. Ferner kann angeführt werden,
daß die Wesleyaner in England, sonst auch Me-
thodisten genannt, welche nicht mehr Rechte, aber
gerade dieselben, wie die römischen Katholiken be-
sitzen, auch ihre Bischöfe in England ernennen,
und denselben englische Titeln verleihen. Um die
gewaltige Aufregung, welche sich des englischen
Volkes aus einem Anlasse, der in anderen prote-
stantischen Ländern kaum würde beachtet werden,
bemächtigt hat, verstehen zu können, muß man die
politischen und kirchlichen Verhältnisse Englands
näher in's Auge fassen. Die große Revolution
von 1688, von welcher das englische Volk seine
Freiheit herdatirt, war nicht allein gegen die Po-
litik, sondern auch gegen die Religion des katholi-
schen Königs Jakob II. gerichtet. Mit dem Kö-
nige fiel auch seine Kirche, und sie wurde, bis
O'Connel sie zu befreien wußte, von einer kirch-
lichen, wie von einer politischen Unduldsam-
keit niedergedrückt, von welcher die neuere Ge-
schichte kein so schreiendes Beispiel aufzuweisen
vermag. Aber auch, seitdem die Emancipation
der Katholiken durchgesetzt wurde, steht ihrer Re-
ligion ein großer Theil des englischen Volkes
feindselig gegenüber, und zwar nicht allein aus
kirchlichen, sondern auch aus politischen Motiven.
Der Protestantismus in England ist auch wesent-
lich unterschieden von dem Protestantismus in je-
dem anderen Theile der Welt. Die nichtengli-
schen Protestanten haben nämlich ihrer Zeit die
katholische Kirche verlassen und eine neue Kirche
gegründet. Die englischen Protestanten behaupten
aber, in der katholischen Kirche verblieben zu sein,
und sie nur von ihren Auswüchsen gereinigt zu
haben. Die Priester der anglikanischen Kirche
nehmen für sich die apostolische Nachfolge in An-
spruch, was bekanntlich von anderen protestanti-
schen Geistlichen nicht geschieht. Dem lutherischen
Prediger ist es höchst gleichgültig, wenn ein rö-
mischer Priester seine rechtmäßige apostolische Suc-
cession in Abrede stellt; nicht so dem anglikani-
schen Priester. Gerade, weil seine Verwandtschaft
mit der römischen Kirche die nächste ist, ist seine
Empfindlichkeit gegen deren Einfluß am größten.
Ein Theil des anglikanischen Clerus braucht als
Argument gegen die Zulassung der katholischen
Bischöfe, däß, da seine priesterliche Würde eine
rechtmäßige sei, die Ernennung dieser Bischöfe
überflüssig wäre. Ließe man sie zu, behauptet er,
so würde schon dadurch die anglikanische Priester-
schaft in Frage gestellt werden. Zu allem diesem
kommt, daß während der letzten Jahre von Sei-
ten eines zahlreichen, besonders des jüngeren,
Theils des anglikanischen Clerus, eine große An-
näherung an die römische Kirche stattgefunden hat,
eine Annäherung, die in vielen Fällen zu Ueber-
tritten anglikanischer Priester und Laien in den
Schoß der römischen Kirche geführt hat. Jene
Bewegung entstand in Oxford und die neue Par-
tei, welche sich dort bildete, entlehnte ihren Na-
men von dem dortigen Prosessor der Theologie
Dr. Pusey, obgleich es jetzt anerkannt ist, daß
ihr bedeutendster Mann Dr. Newman war, der
bereits römischer Priester geworden ist. Die Pu-
seyiten haben ihren Weg zurückgefunden zu den
Dogmen der römischen Kirche; sie nähern sich
dieser auch in ihren äußeren gottesdienstlichen Ge-
bräuchen, verehren Heilige, ermahnen zur Ohren-
beichte, glauben Absolution ertheilen zu können ec.
Unter ihnen gibt es Viele, welche sich von den
römischen Katholiken durch nichts, als durch den
Namen unterscheiden; andere, welche laut genug
sich als gute Protestanten und als Feinde des
Papstes geriren, die aber -- zu ihnen zählt man
auch die Bischöfe von Bath und Wells, von
Exeter, ja selbst den Bischof von London --
doch von der größeren Masse der Anglikaner
mit vielem Mißtrauen angesehen werden. Die
Puseyiten, welche sich selbst high-churchmen
nennen, zeichnen sich auch dadurch aus, daß sie
sich durch Zusammenberufung der „Convocation“
einer großen kirchlichen Versammlung, von dem
Einflusse der Krone möglichst unabhängig zu ma-
chen streben, während die low-churchmen nur
in der unerschütterlichen Aufrechthaltung der ober-
sten kirchlichen Autorität in der Person des briti-
schen Monarchen das Heil für ihre Kirche erbli-
cken. Nebenbei sei bemerkt, daß die Puseyiten ihre
zahlreichsten Anhänger unter den höhern Ständen,
besonders unter den Frauen, finden. Es ist leicht
erklärlich, daß in Betracht dieses in der anglika-
nischen Hochkirche entstandenen Schisma und der
zahlreichen Uebertritte angesehener Priester und
Laien zur römischen Kirche, die Jnstallirung einer
römischen Hierarchie in England eine große Agi-
tation hervorrufen mußte. Bereits haben sich alle
Politiker dieses Gegenstandes bemächtigt. Lord
John Russell, entschieden, aber gemäßigter, als
seine torystischen Opponenten, wird wahrscheinlich
ein neues Gesetz vorschlagen, um den römischen
Bischöfen die Führung englischer Titel zu ver-
bieten, und um ihnen die gesetzliche Anerkennung
ihrer Würde zu versagen. Vielleicht auch, daß
die Whigs den Versuch machen werden, alle Pu-
seyiten aus kirchlichen Aemtern zu vertreiben, was
geschehen könnte, wenn sie die bekannten 39 Glau-
benssätze der englischen Kirche durch andere ver-
mehren, welche ein high-churchman nicht zu
unterschreiben im Stande ist. Die Tories, unter
der Anführung des Hrn. d'Jsraeli, werfen die
Schuld alles Vorgefallenen auf das Whig=Kabi-
net; die Gunst, welche Lord John Russell der
katholischen Hierarchie in Jrland erwiesen hat, sei,
so behaupten sie, Veranlassung zu den „ Uebergrif-
fen “ Roms gewesen. Die ultra = torystische und
ultra = protestantische Partei hingegen, wird das
alte Geschrei gegen die Katholiken=Emancipation
neu beginnen, und obgleich vergebens, die erneuerte
Unterdrückung von zehn Millionen ihrer Mitbür-
ger anzustreben suchen. Wie stark die intoleran-
ten Gefühle bei einem Theile des englischen Vol-
kes erregt worden sind, läßt sich denken, wenn bei
einem öffentlichen Gastmahle am 10. Nov. der
Lord=Großkanzler von England sich nicht enthalten
konnte, in Beziehung auf den Kardinal Wise-
mann Gloster's Worte zu citiren: ( Wir treten
deinen Hut, du Kardinal, mit Füßen, dem Papst
und seinen Bischöfen zum Trotz.
( Ll. ) Eine schaudererregende Schilderung
von der Verfolgung der Christen
in Aleppo.
Am 16. Okt. Abends um 9 Uhr erhob sich
das volkreiche Stadtviertel Bab=el=Neran wie ein
Mann; Flintenschüsse verkündeten die nahende Ge-
fahr. Bald nachher wurde das Christenquartier
überfallen, eine Menge Häuser geplündert und Ab-
scheulichkeiten jeder Art dabei begangen, während
der Generalstatthalter, Zarif=Pascha, sich mit den
Truppen in die Kaserne Scheik = Zabrak flüchtete
und die Truppen den Plünderern nicht den ge-
ringsten Widerstand entgegensetzten, vielmehr sie
alle Christenhauser ausrauben ließen. Mit ge-
nauer Noth entkam ein französischer Angehöriger
Luciani der Wuth dieser Kannibalen; nicht so
glücklich war ein österreichischer Schützling, Josef
Kassab; sein Haus wurde geplündert und er selbst
unter tausend Martern getödtet; sein Körper wurde
in Stücke zerhauen und auf die Straße geworfen.
So ging es die Nacht hindurch. Am folgenden
Morgen stießen zu den Bewohnern von Bab=el
Neran und Karlik noch herumziehende Araber,
welche von der Plünderung Nachricht erhalten,
und nun warf man sich auf das bevölkertste und
reichste Christenquartier, Salibe, daß man in der
vergangenen Nacht nicht angegriffen hatte, weil es
jede Nacht fest verschlossen wurde; die Meuterer
mehrten sich auf alle Weise bewaffnet und spreng-
ten endlich die Thore von Salibe; von Morgens
7 Uhr bis Abends wurden während 12 Stunden
alle möglichen Gräuel begangen, die christlichen
Kirchen niedergebrannt, ohne daß die Ortsbehörde
den geringsten Schritt that, diesen Verbrechen ein
Ziel zu setzen. Zarif Pascha, obgleich er etwa 1500
Mann Truppen zu seiner Verfügung hatte, rührte
sich nicht: er erklärte, er könne die Verantwortlich-
keit auf Diebe zu schießen, nicht über sich nehmen,
und seine Absicht sei, sich in kein Gefecht einzu-
lassen. Endlich kam der Divisionsgeneral Kerim-
Pascha mit Truppen und Geschütz, kehrte aber,
als er den Stand der Dinge angesehen hatte,
„in guter Ordnung“ wieder um. Die Verwen-
dungen der europäischen Consuln bei Zarif=Pascha
erhielten keine andere Antwort, als er hoffe, die
Ruhe werde bald wieder hergestellt sein. Die
Consuln wendeten sich nun an den Musselim ( Vor-
steher ) der Stadt, einen einflußreichen Mann, und
stellten ihm vor, weil es keine Regierung mehr
gebe, so solle er dieselbe übernehmen. Er erschien
auch wirklich an der Spitze von 200 Mann bei
den Consuln von Frankreich und Oesterreich und
suchte sie zu beruhigen; allein die neuen Hoff-
nungen waren nicht von langer Dauer. Zarif=Pascha,
um ein Lebenszeichen zu geben, hatte 4 der plündernden
Araber verhaften lassen; die empörten Stadtviertel
erhoben sich aufs neue, Schwärme von Arabern
drangen ein, und der Pascha war genöthigt, seine
Gefangenen loszugeben, sollten nicht die Auftritte
der letzten Tage erneuert werden. Allein diese
Nachgiebigkeit genügte den Meuterern nicht. Am
19. Morgens plünderten sie die Waffenvorräthe,
und stellten dem Pascha und der Stadt mehrere
Bedingungen, worunter die Rückkehr des Pascha
in seine Residenz und der Großen in ihre Pa-
läste; die Auslieferung des griechischen Patriar-
chen; das förmliche Versprechen, in Aleppo keine
Conseription vorzunehmen, was auch von den Gro-
ßen des Landes und den europäischen Consuln un-
terzeichnet werden sollte; die Auslieferung der
Steuerregister und die Abgabe von Pulver und
Kugeln. Bei Abgang der Nachrichten, um2 1 / 2
Uhr Nachmittags, dauerten die Unterhandlungen
über diese Bedingungen noch fort.