Neuestes.
München, 14. Nov. Se. Maj. der König
hat durch allerhöchstes Handschreiben vom 11. d.
den auf Nachsuchen unterm 10. Aug. l. J. aus
der Armee entlassenen Oberstlieutenant Frhrn.
Ludwig v. d. Tann wieder in seine Stellung als
Oberstlieutenant und früheren Anciennetät anzu-
stellen und denselben zum k. Flügeladjutanten zu
ernennen geruhr.
( A. Z. )
Speyer, 14. Nov. Ueber das Anrücken
von preußischen Truppen gegen Kirchheimbolanden
können wir folgendes Nähere mittheilen: Vier
preußische Offiziere machten einen Spazierritt nach
genanntem Orte, und als sie in Erfahrung ge-
bracht hatten, daß in diesem Städtchen bayerisches
Militär liege, begaben sie sich sogleich wieder auf
den Rückweg. -- Germersheim ist in Belagerungs-
zustand erklärt.
Frankfurt, 15. Nov. Aus dem Pulverma-
gazin, welches vor der Stadt bei der Mainzer
Warte liegt, sind heute in aller Früh von preu-
ßischen Artilleristen die Munitionsvorräthe genom-
men und in das Nassauische abgeführt worden.
( K. Z. )
Heidelberg, 11. Nov. Die preußischen Trup-
pen sind jetzt in und um Heidelberg concentrirt
und Generallieutenant v. Schreckenstein tritt mor-
gen mit seinem gesammten Corps den Abmarsch
an. Wahrscheinlich wird man die Eisenbahn
wählen, denn sicherem Vernehmen nach hat das
Corps die Bestimmung, in Eilmärschen nach West-
phahlen zu gehen, um den dort von Truppen ent-
blößten Gegenden zur Besatzung zu dienen.
( D. Z. )
Karlsruhe, 12. Nov. Die Haltung der
„Karlsr. Ztg.“ erregt hier Aufsehen und Entrü-
stung; zu einer Zeit, wo die Regierung ihre ent-
schiedene Annäherung an die in Frankfurt vertre-
tenen Verbündeten in offiziellen Akten zu erkennen
gibt, ist das Regierungsorgan in den Händen ei-
nes preußischen Juden, der keine Gelegenheit vor-
übergehen läßt, wo er nicht seinem verbissenen
Aerger auf die Partei des Bundesrechts Luft
machte.
Karlsruhe, 13. Nov. Wenn bis jetzt kein
Systemwechsel der badischen Regierung stattfand,
der neue Staatsminister denselben ( hinsichtlich der
preußischen Union ) vielmehr von der Jnitiative
der preuß. Regierung abhängig machte, so drängt
doch die Natur, oder vielmehr die Unnatur der
Verhältnisse, in welche das Klüber=Marschall'sche
„Regieren“ unser Land zu den Nachbarstaaten
sowohl, als zu sich selbst versetzt hat, zu einer
Entscheidung, und wie nicht zu zweifeln, zu ei-
nem totalen Systemwechsel hin. -- Jn nächster
Zeit müssen im Schooße des Staatsministeriums
Fragen von tiefeingreifender Bedeutung zur Er-
örterung kommen, wobei von einem Lawi-
ren, Vermitteln u. Zwischendurchmanöveriren schon
um deßwillen keine Rede mehr sein kann, weil
es sich um Feststellung von Regierungsprinzipien
handeln muß. Von diesen Fragen dürften einige
sehr brennend werden. Wir beschränken uns da-
rauf eine derselben näher zu bezeichnen. -- Ba-
den zählt über 900,000 Katholiken und 400,000
Einwohner von gemischter Konfession. Die ka-
tholische Kirche aber ist in Baden mehr als fast
in irgend einem andern deutschen Lande der un-
würdigsten büreaukratischen Bevormundung unter-
worfen; in Baden haben, wie sich durch Zahlen
nachweisen läßt, namentlich in früheren Jahren
die Katholiken im Staatsdienste die auffallendsten
Zurücksetzungen erfahren; -- hier zu Lande wurde
gegen ihre Confession mit jenem Lande büreau-
kratischen Zelotenthum vorgefahren, welches an
dem Zerfall unseres Staates so große Schuld
trägt. Die Katholiten Badens wissen dies, --
und wir werden bald erfahren, wie ernst es ihnen
ist um die Erringung einer würdigeren Stellung
ihrer Kirche und ihrer selbst. -- Der Chef des
Ministeriums des Jnnern, v. Marschall,
hat es bereits von der Hand gewiesen, der katho-
lischen Kirche diejenigen Zugeständnisse, wenn vor-
erst auch nur grundsätzlich, zu machen, die in
Preußen, Oesterreich und den meisten deutschen
Staaten derselben schon lange gemacht sind und
von keiner Macht der Erde länger verweigert
werden können. -- Der Hr. v. Marschall hat
vor einem Vierteljahre das einzige Organ der
Katholiken, und daß einzige in Baden sehr ver-
breitete conservative Organ, das „Deutsche Volks-
blatt “ mit dem Verbot belegt, und ver-
weigert jetzt noch, selbst dem aüsdrücklichen
Wunsche höchster Personen gegenüber, die Zurück-
nahme des Verbotes, -- lediglich, weil bas Volks-
blatt der katholischen Richtung angehört, und
weil es unter den Katholiken eine große Ver-
breitung besitzt!
( K. Z. )
Stuttgart, 14. Nov. Außer der gerichtlichen
Untersuchung, welche die Regierung gegen den
Ausschuß der aufgelösten Landesdersammlung durch
den Staatsanwalt beim Gerichtshof zu Eßlingen
einleiten ließ, ist nun heute den Mitgliedern des
Ausschusses von der k. Stadtdirektion eröffnet wor-
den, daß, da sie sich fortwährend als Ausschuß
geriren und gestern sogar ein Protokoll über ihre
Wirksamkeit veröffentlichten, auf Grund des Po-
lizeistrafgesetzbuches wegen angemaßter Amtsge-
walt gegen sie werde einschreiten werden.
Wien, 12. Nov. Der frühere preußische
Bundestagsgesandte, Graf v. Dönhoff, ist von
Berlin hier angekommen, und hat wichtige Eröff-
nungen Seitens seiner Regierung überbracht; nach
denselben verzichtet Preußen förmlich auf
die Union, und jeden ferneren Wider-
stand gegen die Besetzung Kurhessens
und die Pazification Holsteins durch
Bundestruppen. Um sich über einen
Entwurf zu einer künftigen Gesammtver-
fassung Deutschlands zu einigen, sollen
in Dresden sogenannte „freie Conferenzen“ statt-
finden. Während der Dauer derselben bestände
die Bundesversammlung rechtlich fort, enthielte
sich aber thatsächlichen Eingreifens in die Ange-
legenheiten solcher Staaten, welche den Bundes-
tag noch nicht beschickt haben. Der in den Con-
ferenzen berathene und angenommene Verfassungs-
entwurf würde der Bundesversammlung
zur endgültigen Entscheidung vorgelegt
werden. Jn Betreff des Verfassungsentwurfes
hören wir, daß ein Direktorium, aus den grö-
ßern Staaten bestehend, behufs der Bildung ei-
ner starken Executivgewalt geschaffen werden soll,
derselben aber, wie es scheint, von preußischer
Seite keine Vertretung der ständischen Kammern der
Einzelstaaten beigegeben werden will; ohne Zweifel um
sich das Agitationsmittel der Volksvertre-
tung in einem etwa später wieder einzube-
rufenden Parlament für günstigere Zeiten vorzu-
behalten. Oesterreichs Gedanke scheint, wie schon
öfter ansgesprochen, die Vertretung der Jnteressen
jedes einzelnen Staates, oder jedes nach Stäm-
men geordneten Staatenvereins durch Ausschüsse,
welche gleichsam als Sachverständige in der Regel
einzeln ihr Votum abzugeben, nicht aber in unge-
ordneter, massenhafter Versammlung nach Kopf-
iahl, Entscheidung zu fassen hätten. Aehnlich
wurde es bekanntlich Jahrhunderte lang auf den
deutschen Reichstagen gehalten.
( K. Z. )
Lecco, 5. Nov. Truppenweise langen hier
vom Splügen täglich die für Neapel geworbenen
Schweizer an, und werden von dem mit Weib
und Kind hieher gezogenen Transportsinspektor
übernommen, verpflegt, dann auf Stellwägen bis
Monza, und von dort mit Umgehung Mailand's
nach Lodi befördert. Und von da gehen sie nach
Carossa, gegenüber von Piacenza. Bis jetzt sind
auf diese Weise etwa 2000 Mann hier durch-
passirt, und es sollen noch 3000 nachfolgen.
Berlin, 12. Nov. Die Flucht Kinkel's aus
Spandau betrachtet man hier allgemein als ein
Ereigniß, wie es der Regierung im Augenblicke
nicht erwünschter kommen konnte.
London, 12. Nov Cardinal Wiseman ist an-
gekommen.
Königin Victoria, heißt es, habe mit eigener
Hand einen Teppich gestickt, der zur großen Jn-
dustrieausstellung im Hyde=Park kommen soll und
Prinz Albert wird einige Bildhauerarbeit heisteu-
ern. ( Also auch Bildhauer? ) Ferner wird das
Publikum den unschätzbaren Diamant „Koh=i=nur“
zu sehen bekommen, welchen England im Pendschab
erbeutet hat.
Bern, 4. Nov. Jn einer hiesigen Buchdru-
ckerei ist eine Flugschrift erschienen mit dem Titel:
„ Comité national. Manifeste et circulaires.
Aux Italiens.“ Sie stellt den nahen Ausbruch
einer allgemeiner europäischen Revolution in Aus-
sicht und ruft die nationale Partei Jtaliens zur
Wachsamkeit auf; die Stunde der Befreiung Jta-
liens sei nahe.
Strasburg, 13. Nov. Vorgestern ist hier zu-
fällig ein beabsichtigtes Verbrechen entdeckt worden,
das, wenn es zur Ausführung gekommen wäre,
die schrecklichsten Folgen hätte nach sich ziehen können.
Jn unserm Schauspielhause scheinen nämlich von
einem Uebelthäter alle Vorkehrungen zu einer
Brandanlegung getroffen worden zu sein, nicht al-
lein um das große und schöne Gebäude selbst und
alles, was es enthält, zu zerstören, sondern viel-
leicht eine größere Zahl Menschen, als selbst bei
dem Theaterbrande in Karlsruhe, dem schauder-
haftesten Tode zu überantworten. Man fand näm-
lich in dem ersten Unterbau der Bühne ein Paket
Zündhölzchen, welches in einer der Fugen lag,
die zur Bewegung der Coulissen dienen, so daß
nicht zu vermuthen ist, daß dies Paket zufällig
vergessen worden, um so mehr, da noch andere
Schwefelhölzchen unter Holzspäne gemischt waren
welche von einer Schreinerarbeit herrührten, die
durch die Maschinerie der “Rosenfee“ nöthig
geworden war. Hoffen wir, daß die Oeffentlich-
keit dieser Thatsache, im Verein mit den strengen
Aufsichtsmaßregeln, die sie hervorrufen wird, ge-
nügen, die Ausführung der strafbaren Anschläge
zu verhindern, deren Vorhandensein solche Anzei-
chen vermuthen lassen.
( F.=O.=Z. )
Rom. ( F. u. Sch. der päpstl. Allocution bezüglich
Piemonts. ) Wir hofften daher, daß die k. Minster
eine gelegnere Zeit für das Geschäft, nämlich Unsre
Rückkehr nach Rom, abwarten wollten. Wenige
Monate nachher hören Wir, daß dieselbe königl.
Regierung dem Parlament einen neuen Gesetz-
Entwurf vorgelegt habe, welcher den befreiten
Gerichtsstand der Geistlichen und der Kirche gänz-
lich aufheben, den Laiengerichten gar eine Ent-
scheidung über die Ernennung der Patrone für
die geistlichen Einkünfte übertragen sollte ( il giu-
dizio circa le nomine dei patroni ai bene-
ficii ecclesiastici ) und noch verschiedene andere
Dinge sogleich oder in Bälde einzuführen ver-
sprach, gegen alles Recht der Kirche und sicher-
lich nicht ohne Gefährdung der Religion. So-
bald Wir Nachricht von diesem Entwurf erhiel-
ten, trugen Wir Unserm Cardinal=Staatssecretär
auf, dagegen seine Stimme zu erheben, und das
gleiche befahlen Wir Unserm apostolischen Nun-
cius in Turin. Da aber weder des einen noch
des andern Mahnung fruchtete, so waren Wir
genöthigt, gegen gedachte Neuerung Uns zu ver-
wahren, nachdem sie von den Kammern angenom-
men und von dem König alsbald genehmigt wor-
den war. Bei diesem Vorgang und seinem Ende
ist nicht allein zu beklagen, daß die heiligen Rechte
der Kirche, welche durch so viel Jahrhunderte
nach Sanction der Kirchensatzungen in Kraft
bestanden, verletzt und mit Füßen getreten
( conculcati ) worden sind, sondern daß gar viele
Abgeordnete und Senatoren, welche an der Ver-
handlung in der einen oder andern Kammer theil-
nahmen, und deren Meinung schließlich siegte, ohne
Anstalt sich oder der Laiengewalt die Befugniß
anmaßten ohne Unsre Zustimmung sogar gegen
Unsre Vermahnung die feierlichen Verträge mit
dem apostolischen Stuhle über die Ausübung jener
Rechte zu brechen und sie für null und nichtig zu
erklären. Jhr seht nun, ehrwürdige Brüder, wie
und von welcher Bedeutung jene Angelegenheiten
sind, Jhr werdet wohl erwägen, in welchen Zu-
stand alles Heilige gerathen müßte wenn man die
Rechte der Kirche nicht mehr achtet, wenn man
ihre heiligen Satzungen geringschätzt, wenn man
sich nicht mehr um ein ununterbrochenes Besitz-
thum kümmert, nicht mehr die Verträge hält,
welche zwischen dem heiligen Stuhl und der Lan-
deshoheit vereinbart worden sind. Gewiß leuchtet
es jedem ein, wie dringend und wichtig, nicht
bloß für die Religion, sondern für die Staats-
ordnung, die öffentliche sowohl als die private,
es ist, daß solche Kirchenverträge für heilig und
unverletzlich gehalten werden, denn wenn ihre Kraft
und Rechte mißachtet und mit Füßen getreten
werden, dann fällt gleichzeitig die Geltung aller
andern öffentlichen oder bürgerlichen Verträge.
Auf die Verletzung der Kirche und des heiligen
Stuhles durch die Sanktion der gedachten Gesetze
folgten in kurzer Zeit andere, als die königlichen
Minister und die Laienrichter die heiligen Prälc-
ten, Unsre ehrwürdigen Brüder, die Erzbischöfe von
Sassari und Turin vor Gericht luden; jener mußte
im eigenen Hause eine Haft bestehen, diesen brachte
man mit Waffengewalt in die Citadelle der Haupt-
stadt und verurtheilte endlich beide zu einer bür-
gerlichen Strafe, aus keiner andern Veranlassung,
als weil sie nach den Pflichten ihres Amtes den
Priestern ihrer Erzbisthümer das Verhalten vor-
geschrieben hatten, damit sie ihr und ihrer got-
tesfürchtigen Heerde Gewissen bezüglich jenes neuen
Gesetzes rein hielten. Und damit maßte sich die Laien-
gewalt das Recht an über die Vorschriften zu urtheilen,
welche die Hirten der Kirche nach ihrer Pflicht in Ge-
wissenssachen verkündet hatten. Später geschah noch
eine andere und viel schwerere Unbill, als eine
hervorragende Person, welche, wie allen bekannt,
ganz vorzüglich zu jenem ungerechten Gesetz ge-
rathen, und sich geweigert hatte ihren Antheil an
jenem Vorgange öffentlich zu mißbilligen, von dem
Erzbischof von Turin für unwürdig erklärt wurde
die letzten Tröstungen der Sterbenden zu empfangen.
Da wurde derselbe Erzbischof von einem Haufen
Soldaten aus seiner Kirche geschleppt ( strappato )
und in eine Festung unter strenger Bewachung
geworfen, der Pfarrer aus der religiösen Gemein-
schaft der Serviten aber, der pflichtschuldig ihm
gehorcht hatte, wurde mit Gewalt aus Turin ver-
trieben, und seine Ordensbrüder aus ihrem Turi-
ner Kloster gewiesen, und in ein anderes gebracht,
als ob es der Laiengewalt zukäme über die Ver-
waltung der heiligen Sakramente und über die Vor-
schriften bei ihrem Empfang ein Urtheil zu haben.
Aber nicht genug! Derselbe Streit über Ver-
abreichung der Sacramente und die neuen Vor-
schriften in Gewissenssachen, welche schon früher
von genanntem Erzbischof erlassen waren, wie er
dazu von Uns bevollmächtigt worden, wurde vor
den Appellationshof von Turin gebracht, der ohne
Verzug am 25. Sept. beschloß, daß der Erz-
bischof sich über die Grenzen des königlichen Ge-
biets begeben müsse, und daß alle Güter des
Erzbisthums unter Sequester zu stellen seien.
Fast gleichzeitig, nämlich am 21. desselben Mo-
nats, verfügte der Appellationshof der Jnsel Sar-
dinien dasselbe gegen Unsern ehrwürdigen Bru-
der, den Erzbischof von Cagliari, dem zum Ver-
brechen gemacht wurde, daß er mit ganz allge-
meinen Worten ( denn keiner war persönlich be-
zeichnet ) alle den Kirchenstrafen verfallen erklärte,
welche das Heiligthum des erzbischöflichen Pala-
stes verletzt und mit Gewalt in die erzbischöfliche
Kanzlei zu dringen versucht hatten. Jn Folge
dieser Urtel sahen sich diese Prälaten aus ihrem
Besitzthum vertrieben, der Verwaltung ihrer zeit-
lichen Güter und der Einkünfte ihrer Erz-
bisthümer beraubt, und mußten sich der eine
nach Frankreich retten, der andere in diese
Unsre hohe Residenz begeben. Es gibt aber außer-
dem noch manche andere und keineswegs unbedeu-
tende Dinge, welche die subalpinische Regierung
gegen die Rechte der Kirche und zum Schaden
der Religion eingeführt und angeordnet hat. Da-
hin müssen Wir zu höchstem Bedauern das ver-
derbliche Gesetz über die öffentliche Erziehung und
über die höhern und untern, öffentlichen und Pri-
vatschulen rechnen, welches unterm 4. Okt. 1848
erlassen worden. Die oberste Leitung derselben
wurde mit einer einzigen und theilweisen Ausnahme
bei den bischöflichen Seminarien durch jenes Ge-
setz dem königlichen Minister und den ihm unter-
geordneten Behörden übertragen, und nach den
Bestimmungen des Artikel 58 desselben Gesetzes
förmlich erklärt, daß keine andere Behörde das
Recht habe, sich in die Schulerziehung, in die Lei-
tung des Unterrichts, in die Ertheilung der wis-
senschaftlichen Grade und Bestätigung der Lehrer
zu mischen. Es wurden also in jenem katholischen
Staate alle Schulen jeder Art, als Lehrstühle,
auch jene über kirchliche Wissenschaften, wie es
das Gesetz ausdrücklich erwähnt, wie nicht min-
der der erste Unterricht der Kinder in den Ele-
menten des christlichen Glaubens, womit das Gesetz
die Unterlehrer an den Schulen beauftragt hatte,
kurz alles und jedes der Aufsicht der Bischöfe
entzogen. Und damit auch der letzte Zweifel hier-
über schwände, werden in demselben Artikel die
geistlichen Rectoren denen beigezählt, welche von
dem königlichen Minister und seinen Unterbehörden
ohne Beiziehung irgendeiner andern Behörde ent-
fernt oder eingesetzt werden können. Nicht allein,
daß dadurch die Priester willkürlich jener
besondern Befugniß beraubt werden welche sie seit
vielen Jahrhunderten, wenigstens in der Mehrzahl
jener wissenschaftlichen Jnstitute Kraft königlicher
und päpstlicher Constitutionen, oder nach den Stif-
tungsurkunden befaßen, sondern man ließ ihnen
nicht einmal die Oberaufsicht bei jenen Unter-
richtsfächern, welche sich auf Glaubenslehren,
christliche Gebräuche oder auf den göttli-
chen Dienst beziehen. Noch aber hofften Wir
daß wenigstens bei der Ausführung des Gesetzes
einigermaßen die bischöfliche Autorität berücksichtigt
werden würde. Schon hat jenes Gesetz augen-
scheinlich seine verderblichen Früchte getragen, in-
dem täglich vergiftende Begriffe und Gelüste, die
unvereinbar sind mit der unveränderlichen Lehre
der Kirche, nicht allein in Broschüren und Flug-
blättern der frechen Presse unter das Volk ge-
streut, sondern auch von einigen öffentlichen Leh-
rern der Jugend eingeflößt und offen vertheidigt
werden. Wir finden keine Worte, ehrwürdige
Brüder, den allzuherben Schmerz auszudrücken
den Wir bei Empfang dieser Nachrichten empfan-
den. Ohne Verlust eines Augenblicks werden Wir
Uns auch über diese Sache des Nähern unterrich-
ten, und nichts unterlassen was von Uns gefor-
dert werden kann, da Uns von Gott das Amt ge-
worden über den Glauben zu wachen und in ihm
die Brüder zu erhalten. Endlich wurde, wie Jhr
wißt, von der subalpinischen Regierung eine von
den ersten Personen des Reichs mit dem Auftrag
hierhergeschickt die Unterhandlung wieder auszuneh-
men und mit dem heiligen Stuhle die geistlichen
Angelegenheiten in Ordnung zu bringen; Wir
konnten sie aber durchaus nicht zur Ueberreichung
ihrer Beglaubigungsschreiben unter den üblichen
feierlichen Formen zulassen. Deßhalb hat sie sich
Uns theils privatim vorgestellt, theils mit Un-
serm Cardinal Pro=Staatssecretär verkehrt, und
bei den Besprechungen über das obenge-
nannte Gesetz bezüglich der geistlichen Gerichtsbe-
freiungen die Behauptung aufgestellt: daß durch
die Verkündung desselben die Laiengewalt nur
ihr Recht geübt trotz dem Wortlaut der Kirchen-
satzungen und der Concordate mit dem apostoli-
schen Stuhle. Sie schob daher die Schuld des
Vorgefallenen auf die Geistlichkeit und die heili-
gen Prälaten, vorzüglich auf den Erzbischof von
Turin, Unsern ehrwürdigen Bruder, der damals
wegen seiner standhaften Pflichterfüllung in stren-
ger Haft gehalten wurde. Ueber diesen vortreffli-
chen Kirchenfürsten eiferte sie noch viel härter, als
sei er ein Mensch, dem wenig an Ruhe und Frie-
den des Volkes liege; sie erklärte dabei, daß sie
hauptsächlich von ihrer Regierung beauftragt sei,
auf die Versetzung dieses Präläten außerhalb der
Grenzen des Königsreichs zu dringen. Nachdem
dieß gesagt war, konnte man sich auch bei dem
übrigen nicht zurechtfinden, und vergebliche Ver-
suche wurden von ihr und dem genannten Cardi-
nal gemacht, irgendeinen Ausweg zu erdenken, wie
der Vertrag zu Stande gebracht werden könnte.
Weit entfernt aber in der Zwischenzeit auf dem
eingeschlagenen Wege inne zu halten, wurden von
der Regierung in derselben Zeit jene beiden Urtel
der Laiengerichte in geistlichen Angelegenheiten er-
lassen, und sowohl an dem vorerwähnten Erzbi-
schof als an dem von Cagliari vollstreckt. Nichts-
destoweniger wollen Wir hiermit bezüglich jener
Sondergerechtsame der Kirche und der Geistlichkeit
alle wissen lassen, daß Wir die von der subalpini-
schen Regierung im vorigen Jahre gemachten Vor-
schläge nicht zurückweisen, und auch heute keinen
Anstand nehmen die Bestimmungen der Kirchen-
gesetze über jene Befreiungen mit Rücksicht auf
Ort und Zeit zu mildern, und zwar wie es Uns
in dem Herrn räthlich erscheinen wird, und damit
die Kirche auf andern Gebieten eine freiere Uebung
ihrer Rechte erlange, besonders da auch Uns kein
geringeres väterliches Wohlwollen beseelt wie es
die römischen Päpste, Unsre Vorgänger, gegen
das berühmte Haus Savoyen bekanntlich immer
gehegt haben. Auch geht Uns die Trübsal und
die Qual sehr nahe, welche unter solchen Umstän-
den Unsre Brüder in jenen Staaten dulden müs-
sen, und wir sind bereit zu ihrer Erlösung alle
geeigneten Mittel zu gebrauchen nach dem unver-
änderlichen Geist der heiligen römischen Kirche,
die wie eine liebende Mutter immer bereit war
ihren Söhnen in Angst und Drangsal beizustehen,
und durch ihre apostolischen Diener das zerknirfchte
Jsrael wieder aufrichten zu helfen. Von der
Macht aber die Uns gegeben ist, aufzubauen nicht
zu zerstören, können Wir hier keinen Gebrauch
machen, solange es noch scheinen könnte als würde
durch Unsre Geduld, Unsre Nachsicht und Unsre
Zugeständnisse gebilligt, was zu Unserm Bedauern
dort verhandelt, beschlossen und geschehen ist gegen
das Recht der Kirche, aus Mißachtung der ca-
nonischen Gesetze, gegen feierliche Verträge, ja
sogar mit Verletzung des Vertragsrechtes über-
haupt, und endlich gegen die Priester und Bi-
schöfe die nur ihre Amtspflichten vollzogen zur
Beruhigung der Gewissen und zur Verwaltung
der Sacramente. Da sei Gott vor, ehrwürdige
Brüder, daß Wir jemals Unsre Macht zum
Verderben der Kirche und des katholischen Glau-
bens mißbrauchten! Nein, im Gegentheil wollen Wir
beharrlich alle Kräfte zum Nutzen der Religion
und zur Erhaltung der heiligen Rechte der Kirche
anstrengen. Mit diesem Vorsatz erheben Wir
heute in dieser Versammlung Unsere apostolische
Stimme, beschweren Uns feierlich über die eben-
genannten Vorgänge und über alles andere, was
auf den festländischen wie überseeischen Gebieten
der piemontesischen Fürsten gegen die Rechte der
Kirche oder zum Schaden der Religion geschehen
oder auszuführen versucht worden, und verlangen
von allen die es angeht, daß sie aufhören, die
Priester und heiligen Diener der Kirche zu be-
unruhigen, und ohne Verzug alle Unbill gegen das
Heilige wieder gut machen. Jnzwischen, ehrwür-
dige Brüder, wollen wir nicht aufhören demüthige
Bitten und Gebete zu dem Gott der Barmher-
zigteit zu senden, und die unbefleckte jungfräuliche
Gottesmutter wie die heiligen Apostel Peter und
Paul anzurufen, sie möchten ihr demüthiges Flehen
mit Uns vereinen, damit er seine Rechte ausstrecke
und mit seinem heligen Arm jenes herrliche Stück
vom Weinberge des Herrn vertheidige!“