Ohne Zweifel galt dies theils der allbekannten
regiminellen Starrheit des Charakters, dem Wi-
derstande, den man von ihm gegen das preußische
System der Politik besorgte, theils auch bediente
man sich eines rabulistischen Strafprozesses, der
auf gehässige Weise in Greifswald gegen ihn an-
gezettelt war. Hätte er sich der unionistischen Po-
litik hingeben können, so würde wohl die Mehr-
heit ihn als den einzigen Mann betrachtet haben,
der im Stande war, die außerordentlichen Schwie-
rigkeiten jeder Regierung in Hessen zu überwin-
den. Wir haben hier nicht die Absicht, eine Po-
litik zu vertheidigen, die sich entschieden einer
Kammer widersetzte, welche zur größeren Hälfte
eine Spaltung Deutschlands auf revolutionäre
Gothaner Weise, zur kleineren Hälfte die reine
Anarchie wollte; auch denken wir nicht die unge-
heuren Schwierigkeiten in Kassel, Erfurt, Berlin
Frankfurt, die Hassenpflug allein besiegen mußte,
nachzuweisen. Der Meinung sind wir, daß die
Durchführung einer nicht populären Politik mit
nicht populärer Persönlichkeit vor Allem in Hes-
sen eine Aufgabe war, die Hassenpflug nicht hätte
unternehmen sollen. Allein seinem Fehler hielt
die Politik seiner Gegner völlig die Wage. Es
ist unnöthig, die Avanien zu erwähnen, die ihm
angethan wurden. Der offene Zweck war, ihn
zu entfernen, und man scheute zu diesem Ende
das Mittel, die Staatsverwaltung selbst zu rui-
niren, nicht. Das Budget lag den Ständen vor.
Am 22. Mai beantragte die Regierung außer-
ordentliche Mittel zur Deckung des Deficits. Da-
rauf berichtete der Finanzausschuß am 5. Juni
mit folgender Conclusion: „Die Ständeversamm-
lung, deren Vertrauen zum dermaligen Minister
-- -- wo möglich noch mehr gesunken ist, sie
wird nur in den gemessensten Formen so große
Summen einer Verwaltung zur Verfügung stel-
len, in welcher sie das Unglück des Landes, das
Verderben der Regierung erblickt. Es gibt nur
eine Form, das ist das Finanzgesetz, welches die
Jnteressen des Landes zu wahren geeignet ist,
kein anderer Weg paßt zu dem Verhältnisse, in
welchem die hohe Versammlung zum Ministerium
steht. -- -- Hiernach stellt der Budgetausschuß
folgende Anträge: 1 ) Die spezielle Berathung
des vorgelegten Gesetzentwurfs -- abzulehnen;
2 ) den Budgetausschuß zu beauftragen, den Be-
richt über den Entwurf eines Finanzgesetzes für
die Jahre 1850 und 1851 und über den damit
vorgelegten Staatsgrundetat bald möglichst zu
erstatten.“ -- Der Wunsch der Regierung, auch
nur über diesen Antrag der Berathung zu be-
schleunigen, wurde zurückgewiesen. Man wollte
„ihr nichts zu Gefallen thun.“ -- Jene Anträge
des Ausschusses wurden angenommen. Hier liegt
das ganze System, das man jetzt befolgt, klar
gezeichnet. Unseres Dafürhaltens hätte die Re-
gierung in der Stellung, die sie einmal hatte,
nun die Berathung des Budgets fördern sollen;
es war ein Fehler, daß sie sich zur Auflösung
entschloß und vorher die Bewilligung der Steuern
auf 6 Monate forderte. Der Budgetausschuß
erklärte sich, wie zu erwarten war, am 12. Juni
dagegen auch mit einer Menge kleinlicher Gründe.
Wir geben auch hier den Schluß: „Wenn die
Steuern nicht regelmäßig erhoben werden könnten,
wenn die Zölle, die Consumtions= und Stempel-
Abgaben nicht zur Einnahme gebracht würden, es
gäbe dies eine schreckliche Verwirrung. Eine solche
Zeit ist aber noch nicht gekommen; der Augenblick
tritt nicht vor dem 1. Juli ein. Bis dahin kann
das Finanzgesetz zu Stande kommen. -- --
Schlimmsten Falls würde die Versammlung --
im letzten Augenblicke -- noch die Forterhebung
der Steuern und Abgaben genehmigen können.
Löst die Regierung die Ständeversammlung, ohne
dies abzuwarten, also unzeitig auf, so hat sie,
nicht diese, die Folgen zu verantworten. Der
Budgetausschuß stellt hiernach den Antrag: die
hohe Ständeversammlung wolle den vorgelegten
Gesetzentwurf ablehnen.“ Es war das allerdings
ein Verfahren, wie es streitsüchtige Parteien im
Prozesse wohl treiben, nicht wie es in der höch-
sten Staatsfrage gelten soll; aber der Geist war
einmal so. Die Stände trieben die Sache auf
die Spitze, um Hassenpflug zu verdrängen, und
dieser löste auf. Die Versammlung hatte damit
den kleinlichsten Zweck erreicht, dies Odium eines
verderblichen Verfahrens auf die Regierung zu
werfen; und diese hatte ihre Lage um so viel
verschlimmert, als sie nun schon die Menschen an
den Zustand der Zerrüttung, denn die Nichterhe-
bung der Steuern hervorbringt, sich gewöhnen
ließ. Man darf mit solchen äußersten Dingen
kein Spiel treiben. Jst erst einmal durch Ue-
bung die Scheu gewichen, so kehrt man sicher da-
hin zurück. So ist denn auch hier gegangen.
Nachdem die halbrevolutionäre Partei in der
neuen Ständeversammlung nur die mindere, die
ganz revolutionäre die größere Hälfte erlangt
hatte, war auf erneueten Steuerbewilligungsantrag
von jener Scheu nicht mehr die Rede. Jene
kleinliche Chicane mit der Form des Finanzgese-
tzes wurde nun ganz nackt hingestellt; das jetzt
der Moment der äußersten Gefahr, für den man
am 12. Juni noch eine Bewilligung in Aussicht
gestellt hatte, längst vorhanden war, kümmerte
Niemand mehr. Staat und Regierung wurden
Nebensachen, die Behauptung des eigenen Willens
Hauptsache. Die Bewilligung wurde abgelehnt.
Wer kann zweifeln, daß der einzige Zweck dieser
Adlehnung die Entfernung Hassenpflug's war?
Das gestehen alle Stimmen ein; nur die offiziel-
ten Aktenstücke beharren auf jener Spitzfindigkeit
von Vorlegung des Budgets. Daß aber die
sogenannte konstitutionelle Partei am allereifrig-
sten dieses Wesen trieb, dafür verdient sie mit
vollem Rechte die Bezeichnung der halbrevolutio-
nären. Die Regierung hat sich nun für berech-
tigt gehalten, ihrerseits ohne Bewilligung die
Steuern auszuschreiben. Sie hat darin unstreitig
sich von dem ordentlichen Gange der Verfassung
entfernt, wenn auch der §. 143 derselben zuerst
von den Ständen verletzt sein mochte und wenn
es auch in den hessischen Gerichten nicht an Stim-
men fehlt, die ihr Verfahren billigen. Die Be-
schlüsse gegen sie sind durch Stimmenmehrheit ge-
faßt. Wir halten das Verfahren für unzulässig.
Betrachten wir aber die Lage der Dinge, wie sie
ist, so müssen wir eben so viele Schuld auf die
Stände als auf die Regierung bringen. Die
Stände konnten die Bewilligung der Steuern ver-
schieben, das war ihr Recht. Aber wenn sie so
das „ summum jus, summa injuria “ geltend
machen wollten, wo lag dann ihr Recht, die Ent-
fernung der Minister zu fordern? -- §. 51
spricht dem Landesherrn ohne Einschränkung die
Ernennung aller Staatsdiener zu. Wollten sie
ihr Recht gebrauchen, so mußten sie ihm das sei-
nige lassen. Das schien ihnen unverträglich, weil
sie eine sog. konstitutionelle Theorie an die Stelle
der Verfassung setzten. Seit der Revolution von
1688 hat die Krone von England ihre Rathge-
ber aus der Mehrheit des Parlaments genommen,
und dadurch ist Englands Größe geschaffen. Das
ist die glückliche Folge großer Staatsweisheit, die
dort nach so schweren Kämpfen in einem Staate,
dessen große Verhältnisse ohnehin die kleinliche
Reizbarkeit enger Kreise entfernen, das ganze Le-
ben durchdringen. Diese Folge ist erreicht durch
gegenseitiges Entgegenkommen; aber sie ist nichts
weniger als Gesetz. Und in Wahrheit, jener
Grundsatz darf nie Gesetz werden, so lange die
Monarchie bestehen soll. Gibt man den Ständen
das unbedingte Recht, durch Verweigerung von
Steuern die Entlassung von Ministern, oder das
Zugeständniß anderer Handlungen der Krone zu
erzwingen; so erkläre man lieber geradezu: die
Krone muß in Allem den Ständen gehorchen.
Und will man dies decretiren: so hebe man die
Monarchie auf. Dann hat man wenigstens Wahr-
heit. Dem sog. konstitutionellen Systeme eine
jede Regierung ohne Weiteres unmöglich zu ma-
chen, die nicht geradezu den Ständen gehorcht,
wird von der anderen Seite mit Recht vorgewor-
fen, daß es eine Lüge sei. Wie denn freilich so
Viele das monarchisch=konstitutionelle System auch
nur als eine Abschlagszahlung á conto der im
stillen Herzen erstrebten Republik betrachten und
sich in diesem Sinne als Constitutionelle brüsten.
-- Das Wesen der constitutionellen Staatsform
besteht aber nicht in diesem Herrschen Eines der
Faltoren der Regierung, sondern in der Einigung
Aller. Haben die Stände ein Recht, nicht zu be-
willigen und ihre Ansicht geltend zu machen, so
hat der Fürst eben so gut ein Recht, seine Die-
ner zu wählen. Freiheit soll allen Theilen in
Ausübung ihrer Rechte werden. Das ist nur
möglich, wenn sich Alle in dieser Ausübung mä-
ßigen, wenn sie sich gegenseitig achten. Auf diese
Weise ist es in England geschehen, daß seit der
Revolution die Sachen niemals zu dem Aeußer-
sten einer Verweigerung der Mittel und Wege
zur Regierung gediehen sind. ( Schluß folgt. )