Landtagsverhandlungen.
München, 7. Juni. ( CXXV. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten. ) Die Gallerien
sind schwach besetzt. Am Ministertische: Staats-
minister v. d. Pfordten, später v. Lüder und Mi-
nisterialrath Wolfanger. Der I. Präsident eröff-
net nach viertel über 9 Uhr die Sitzung. Nach
der Verlesung des letzten Sitzungsprotokolls er-
hält Fürst Wallerstein das Wort zu einer An-
frage. Derselbe ersucht den Vorstand des deut-
schen Ausschusses, ihm zu sagen, wann die deut-
schen Vorlagen endlich einmal zur Berathung kä-
men. Es wäre gerade sehr wichtig, zu verneh-
men, was die bayerische Regierung spricht, wäh-
rend in einem andern Staate die Beantwortung
der deutschen Frage die Auflösung der Kammer
herbeigeführt und die Verhandlungen im Osten
immer mehr hervortreten. -- Thinnes als Vor-
stand bemerkt, daß das Referat fertig, es schiene
ihm aber nicht gar so zu eilen, denn in Frank-
furt ginge es sehr langsam. -- Fürst Waller-
stein: Aber desto schneller in Warschau. --
Staatsminister v. o. Pfordten erklärt sich jeden
Augenblick bereit zur Berathung der Vorlagen. --
Es werden folgende Beschlüsse verlesen: vom Ref.
Förg der Beschluß über die Rückäußerungen der
Kammer der Reichsräthe, bezüglich des Gesetzent-
wurfes, die Einquartierungs= und Vorspannslasten
betr., vom Referenten Dr. v. Hopf der Gesammt-
beschluß über die Nachweisungen bezüglich der
Rechnungen der königlichen Staatsschuldentil-
gungs=Anstalt, dann des Standes der Staats-
schuld. Es wird nun zur Berathung und
Schlußfassung über die Anträge auf Ausscheidung
aus der allgemeinen Jmmobiliar=Feuerversicherungs-
Anstalt und beziehungsweise Abänderung des Ge-
setzes vom 1. Juli 1834 -- die allgemeinen
Brandversicherungsanstalten betreffend, geschritten.
Die Anträge des Ausschusses lauten: I. Den
Anträgen auf Aufhebung der allgemeinen bayeri-
schen Jmmobiliar=Versicherungsanstalt sowohl als
auch auf bloße Decentralisation derselben der Aus-
scheidung nach Kreisen und Städten sei nicht statt
zu geben, dagegen II. an die kgl. Staatsregier-
ung unter Mittheilung sämmtlicher Original=Vor-
stellungen die Bitte zu stellen: 1 ) die dermalen
geltende Brandversicherungsordnung unter beson-
derer Rücksichtsnahme auf die erhobenen Beschwer-
den a ) über mangelhafte Classifikation, b ) über
Ueberschätzungen des Gebäudewerthes, c ) über
Mangel an Contolle durch die Betheiligten, d )
über mangelhafte Handhabung der Feuerpolizei
und e ) über Mängel im Vollzug überhaupt, ei-
ner gründlichen Revision zu unterstellen, und einen
hierauf gegründeten Gesetzentwurf dem nächsten
Landtage vorzulegen. 2 ) Die Abstellung jener
Gebrechen, deren Beseitigung schon nach den ge-
genwärtig geltenden Gesetzen und Verordnungen
verfügt werden kann, selbst anzuordnen. -- Kirch-
geßner beantragt folgende Modifikation zu dem
Ausschußbeschluß Nro. I.: Die hohe Kammer
wolle an Se. Majestät die allerehrfurchtsvollste
Bitte stellen, mit Gesetzeskraft auszusprechen, daß
der Austritt aus der allgemeinen Brandversicher-
ungs=Gesellschaft und die Bildung einer eigenen
Brandversicherungs=Gesellschaft unter der bestehen-
den und resp. gesetzlich zu revidirenden Versicher-
ungsordnung einem jeden Kreise des Königreichs
zu gestatten fei. -- Es wird hierauf die Debatte
eröffnet und es haben sich folgende Redner ge-
meldet: Ruland, Forndran, Wagner, Köhl,
Reinhard. -- Ruland findet es heute sehr
schwer zu sprechen, da wohl jeder Abgeordnete für
seinen Kreis sprechen möchte. -- Wagner beant-
wortet den Kirchgeßner'schen Antrag. -- Nar, I.
Secr., spricht sich für den Ausschuß aus. -- Es
wird nun noch viel debattirt über diesen Punkt.
-- Stöcker sieht sich sogar veranlaßt, die Mög-
lichkeit, daß Erlangen, Nürnberg, Fürth eine ei-
gene Versicherungs=Anstalt gründen könnten, wi-
dersprechen zu müssen, wodurch derselbe allgemeine
Heiterkeit erregt. -- Nach endlicher Schlußäußer-
ung des Referenten und des Ministerialraths
Wolfanger wird zur Abstimmung geschritten,
die Anträge des Ausschusses werden angenommen,
alle übrigen abgeworfen. Es wird nun zur Be-
rathung und Schlußfassung über die Vorstellung
von Bewohnern von Burg= und Alten = Kundstadt
um Zulassung nicht bayerischer Mobiliarversicher-
ungs=Anstalten betreffend, geschritten. Der Aus-
schuß schlägt vor: 1 ) Dieses Gesuch der königl.
Staatsregierung zur Kenntnißnahme und Würdig-
ung mitzutheilen. 2 ) Die königl. Staatsregier-
ung wolle den betreffenden Mobiliarfeuerversicher-
ungs=Gesellschaften die Auflage machen, gegen be-
stimmte billige Prämien und sonst nothwendige
Kauteln, kein Gesuch um Versicherung abzuweisen,
-- eventuell, wenn diese Gesellschaften dieser Auf-
lage nicht nachkommen sollten, neue Gesellschaften
für den Zweck der Mobiliar - Feuerversicherungs-
Anstalt unter solchen Bedingungen zu autorisiren.
-- Kirchgeßner und Morgenstern stellen
hiezu Modifikationen, welche beide auch die Theil-
nahmserlaubniß für andere Brandassekuranz - Ge-
sellschaften bezwecken. Die Modifikation Kirch-
geßners und der erste Beschluß des Ausschusses
werden angenommen. Staats = Minister von der
Pfordten: Ein geehrter Redner hat darauf
hingedeutet, daß ein Souverän nach Warschau
gereist sei, wie mehrere Blätter berichten. Red-
ner sei selbst bei der österreichischen Gesandtschaft
während der Kammersitzung gewesen und habe
dort erfahren, daß der Kaiser Wien nicht ver-
lassen habe. -- Schluß der Sitzung nach halb
2 Uhr.
Deutschland.
□ München, 6. Juni. Die Politik Preu-
ßens erregt hier bei allen Vaterlandsfreunden tie-
fen Schmerz. Man wird durch dieselbe unwill-
kührlich an die Zeiten der Schmach erinnert, de-
ren Gedächtniß kaum durch den Befreiungskrieg
verwischt worden ist. Preußen hatte die Zeit der
Noth Oesterreichs, als dieses mit Feinden rings-
um zu kämpfen und von Deutschland keine Hülfe
zu erwarten hatte, benutzt, sich nach „ Arrondi-
rung “ auf Kosten der deutschen Einheit umzuthun.
Als endlich Oesterreich sich die äußere Feinde vom
Halse geschafft und im Jnnern reorganisirt hatte,
was mit einem beispiellosen Aufwand an geistiger
und materieller Kraft geschehen, wandte es sich zu
Deutschlands wichtigster Angelegenheit und suchte
dieses, das unterdessen nicht an Einigkeit zugenom-
men hatte, in beiderseitigem Jnteresse durch engere
Bande mit sich zu vereinigen. Die Verhandlun-
gen mit Preußen führten zu keinem Ziele. Die
Münchener Uebereinkunft wurde nur von einem
Theile der deutschen Staaten unterzeichnet. Es
handelte sich aber um die Befestigung eines ganz
Deutschland umschließenden Bandes. Oesterreich
blieb daher in seinem Streben nach jenem Ziele
nichts anderes mehr übrig, als die Berufung des
Frankfurter Congresses. Nachdem alle anderen
Formen staatsrechtlicher Verhandlungen zu keinem
Refultate geführt hatten, war nur noch die übrig
geblieben, die, obgleich in keinem guten Angeden-
ken stehend, doch wenigstens noch eine durch eine
lange Reihe von Vorgängen und durch zum Theil
noch bestehende Rechte und Gewohnheiten, bei der
obwaltenden Lage der Dinge die einzig mögliche
erschien. Die preußische Presse und deren Anhang
machte Oesterreich den Vorwurf, es wolle den
alten Bundestag wieder herstellen, und zwar de-
finitiv herstellen. Als es verlautet, Oesterreich
werde, wenn auch der Frankfurter Congreß zu kei-
nem Ziele führe, sämmtliche Unterzeichner der
Wiener=Congreßakte zur Ordnung der deutsch=eu-
ropäischen Verhältnisse -- und für Oesterreich ist
sein Verhältniß zu Deutschland eine europäische,
nicht bloß eine österreichisch=deutsche Angelegenheit
-- zu einer Conferenz einladen, wußte Preußens
Presse es wieder auf die mannigfachste Weise zu
verdächtigen, und es besonders des Verrathes
Deutschlands an ausländische Jnteressen zu be-
zichtigen. Jetzt geht aber dasselbe Preußen, be-
vor Oesterreich jener Nothwendigkeit gewichen
wäre, und bringt die deutschen Angelegenheiten
vor das einseitige Forum einer ausländischen
Macht und noch dazu derjenigen, die Deutschland
mit vollem Recht als die ihm feindseligste zu be-
trachten hat, vor das Forum Rußlands. Und
die ministerielle „Deutsche Reform“ nennt die
( vorlänfig wohl noch bloß angebliche ) Zustimmung
Rußlands zu der Oesterreich feindseligen Politik
Preußens eine erfreuliche Nachricht.“ Zugleich
rüstet Preußen im ausgedehntesten Maßstab.
Wenn wir auch das Allermindesten annehmen,
daß jene Rüstungen nicht Oesterreich gelten, son-
dern vielleicht Frankreich, wozu es aber wirklich
einen starken und gutmüthigen Glauben braucht,
so bleibt es aber doch unläugbar, daß das preu-
ßische Heer sich auf einen Krieg gegen Oesterreich
und nicht gegen Frankreich freut. Diese Freude
des Heeres und jene Freude der ministeriellen
Presse über das Zunicken Rußlands find das nun
etwa Beweise, daß es Preußen aufrichtig mit
Deutschland meint, daß es, wie es so lange hieß,
in Deutschland aufgehen wolle? Will Preußen
ein großes Deutschland, oder ein großes Preußen?
Soll Preußen in Deutschland, oder Deutschland
in Preußen ( und Rußland! ) aufgehen? --
München, 7. Juni. Die hiesigen Jnfanterie-
Regimenter haben täglich 100 Mann zum Patro-
nenmachen abzugeben, da in kürzester Zeit zwei
Millionen Stück scharfe Patronen angefertigt sein
müssen. -- Der zweite Ausschuß der Kammer
der Abgeordneten wird nächster Tage mit den
Berathungen über das Budget zum Schlusse ge-
langen.
Zweibrücken, 5. Juni. Am 3. d., Abends
nach Feierabend, wollte ein bejahrter Maurer nach
dem nahen Dörfchen Jrheim, seinem Wohnorte,
gehen. Er war ein Veteran der ehemal. französ.
Armee unter dem Kaiserreich. Das Dach an dem
Gebäude, woran er in der Stadt arbeitete, wurde
an diesem Tage aufgeschlagen und die Arbeiter,
üblicher Weise, von dem Banherrn regalirt. Hei-
ter im Geiste sang er sein französ. Lied, wozu
ihm zufällig ein kleiner Junge auf der Mundhar-
monika accompagnirte. Unterwegs begegneten ihm
einige Chevauxlegers, denen der Gesang verdäch-
tig vorkommen mußte, denn sie rissen von einem
in der Nähe befindlichen Thore Planken heraus
und maltraitirten den Hilflosen der Art, daß er
in Folge der Verwundungen am Kopfe und der
eingetretenen Brust heute, zum Jammer seiner
fünf armen Kinder, starb.
( Voges.=B. )
Frankfurt, 8. Juni. Die Zahl der hier be-
reits anwesenden Bevollmächtigten zum Staaten-
Congresse ist durch die Ankunft des Hrn. Lega-
tionsraths Dr. Liebe ( für Braunschweig, resp.
Oldenburg ) vermehrt worden. -- Auf der Rück-
reise von Kassel nach Darmstadt hat Se. k. Hoh.
der Großherzog von Hessen gestern die hiesige
Stadt berührt.
( Frkf. O.=P.=A.=Z. )
Oberingelheim, 7. Juni. Einem Jsraeliten
wurde von mehreren „Bürgern“ am Pfingfimon-
tage zugerufen: „Was er zum Besten gebe!“
und da er keine Antwort gab, wurde ihm über-
aus bürgerfreundlich bedeutet: „Jn zwei Mona-
ten gibst du unverlangt Alles, oder wir gehen
hinter dich.“ Auf eine deßfallsige Beschwerde bei
einem Führer unserer Rothen, erwiderte derselbe:
„Die Juden sind ein schlechtes Volk, welches sich
von der guten Sache zurückgezogen hat; aber in
zwei Monaten reden wir mit ihnen.“ Bekanntlich
hat schon Börne gesagt: „Jn Deutschland schließt
jede Volksbewegung mit einer Judenverfolgung.“
Es wäre gut, wenn die Jsraeliten sich diesen
Ausspruch des von ihnen verehrten Propheten
merken und bedenken wollten, von welcher Seite
her ihnen diesmal die Verfolgung droht. --
( M. J. )
Mainz, 6. Juni. Wie wir vernehmen ist
gegen den Redakteur des hiesigen Tagblattes,
s. g. Giftblättchens, wegen des in der Nummer
vom 2. d. erschienenen Artikels über das Frohn-
leichnamsfest eine Untersuchung eingeleitet, und
der angebliche Redakteur jenes Blattes auf An-
ordnung des Untersuchungsrichters Hrn. Dr. Dael
heute Morgen verhaftet worden. Die Anschuldi-
gung lautet dahin, daß er Gegenstände der Ver-
ehrung, Lehren, Einrichtungen und Gebräuche der
vom Staate anerkannten römisch = katholischen Re-
ligionspartei durch Spott und Verachtung öffent-
lich herabgewürdigt habe.
( M. J. )
Mainz, 8. Juni. So eben Nachmittags ge-
gen 4 Uhr haben die Geschwornen sämmtliche Mai-
Angeklagte, welche sich vor Gericht gestellt hatten,
für nicht schuldig erklärt, worauf dieselben von
dem Hrn. Präsidenten des Assisenhofes entlassen
worden sind. Philipp Ludwig Müller von Horch-
heim wurde jedoch in gefänglicher Haft zurückbe-
halten, indem er neuerdings des Landesverrathes
angeklagt und an die nächsten Assisen verwiesen
worden ist.
Kassel, 7. Juni. Heute fand zunächst eine
geheime Ständesitzung statt, worin der bleibende
landständische Ausschuß gewählt wurde. Derselbe
besteht aus den Abgeordneten Eberhard, Henkel,
Nebelthau, Schneider und Schwarzenberg. -- Jn
der öffentlichen Sitzung wurden zunächst mehrere
noch unerledigte Jnterpellationen in Erinnerung
gebracht, ohne daß eine Erledigung derselben er-
folgte. Der Abg. Oetker machte der Landtags-
kommission bemerklich, daß seine Anfrage in Be-
treff des angenommenen und noch nicht verkündig-
ten Anwaltsgesetzes bereits vor 14 Tagen gestellt
worden sei. Dann kamen zwei Anträge der Abg.
Manns und Berlit, die öffentliche Versteigerung
von Brennholz betreffend, zur Berathung. Die
Regierung wurde um Auskunft und einstweilige
Sistirung des Verkaufs ersucht. Hiernächst wurde
die Jnstruktion des permanenten Ständeausschusses
berathen und beschlossen. Die Versammlung schritt
hierauf zur Berathung des Berichts des Budget-
ausschusses über die Proposition der Regierung,
verzinsliche Staatsschuldscheine, eventuell unver-
zinsliche Kassenscheine im Betrag von 760,000
Thaler zu emittiren. Der Antrag des Ausschusses
geht dahin: „die Berathung des vorgelegten Ge-
setzentwurfs ec. abzulehnen“. Der Landtagskom-
missär verlas eine lange Entgegnung auf den Be-
richt des Budgetausschusses. Der Antrag des
Ausschusses wurde mit allen gegen eine Stimme
( die des Hrn. Abg. Lieberknecht ) angenommen.
Auch die weitern Anträge des Ausschusses wurden
genehmigt.
( N. H. Z. )
Dresden, 4. Juni. ( Schluß der Ansprache
des Ministeriums an das Volk. ) Sechs Monate
war der Landtag versammelt. Nicht einmal die
wichtige, angesichts der Finanzlage des Landes
dringendste Aufgabe, das Budget, ist erledigt. Die
Lage des Landes erheischt eine Anzahl wichtiger,
höchst eingreifender Gesetze. Die deshalb gemach-
ten Erfahrungen ließen jede Hossnung schwinden,
darüber zu einer Vereinigung mit den Kammern
zu gelangen, Ganz neuerdings hat endlich die
zweite Kammer die Zustimmung zu einer für die
dringensten Staatsbedürfnisse, insbesondere für die
Eisenbahnen erforderlichen Anleihe so verzögert,
daß der Erfolg zum großen Nachtheile des Lan-
des gefährdet worden ist. Ein solcher Zustand
kann nicht auf die Dauer bestehen, er zehrt an
dem Marke des Landes und führt es langsam, aber si-
cher dem Ruine entgegen. So lange der provisorische
Zustand der wichtigsten Verhältnisse fortdauert,
so lange die dringend nothwendigen Gesetze, die
der Regierung die erforderliche Kraft verleihen
sollen, um dem Wirken der Revolutionspartei mit
Erfolg entgegenzutreten, und dadurch das Land vor
neuem Unheil bewahren zu können, nicht gegeben,
so lange die wichtigsten Finanzfragen noch uner-
ledigt sind, so lange werden außerordentliche Si-
cherheitsmaßregeln fortdauern müssen, wodurch die
Lasten des Landes vermehrt und der Druck der
in Folge der revolutionären Bewegungen der ver-
gangenen Jahre ohnehin so vermehrten Abgaben
noch mehr erhöht werden muß. Se. Majestät
der König haben es daher als Allerhöchst ihre hei-
lige Regentenpflicht erachtet, diesen Zustand nicht
fortbestehen zu lassen, und deßhalb die Kammern
am 1. ds. Mts. aufgelöst. Die Unterzeichneten
Staatsminister haben aber auch Sr. Majestät dem
König nicht rathen können, die Wahlen noch ein-
mal nach dem provisorischen Gesetz vom 24. Nov.
1848 vornehmen zu lassen. Die nunmehr zweimal
gemachte Erfahrung hat den Beweis geliefert, daß
es nicht möglich sein wird, auf diesem Wege
Kammern zu erlangen, von denen zu erwarten ist,
daß sie unsere provisorischen Zustände auf eine
dem Wohle des Vaterlandes dienliche Weise be-
enden werden, und die außerordentlich geringe
Theilnahme, welche insbesondere die nachträglichen
Wahlen fast überall im Lande gefunden haben,
beweist, daß dieselbe Ansicht auch im Volke weit
verbreitet ist. Würde daher eine solche Maßregel
ihr dazu dienen, die unheilvollen provisorischen
Zustände, in denen sich Sachsen befindet, mit allen
ihren Gefahren und Nachtheilen ohne Aussicht
auf eine Beendigung zu verlängern, so scheint
dieselbe auch deßhalb unzulässig, weil dadurch je-
nen provisorischen, eigentlich nur für einen Fall
rechneten Gesetzen die volle Wirkung definitiver,
für die Dauer bestimmter Gesetze ganz gegen die
Absicht beigelegt werden würde, die bei Erlassung
derselben obgewaltet hat. Se. Majestät der Kö-
nig haben sich daher entschlossen, einen Schritt zu
thun, der ebenso der Verfassung ensprechend, als
bei der jetzigen Lage der Dinge nothwendig ist.
Allerhöchstdieselben haben beschlossen, die Kammern
des Jahres 1848 in derselben Zusammensetzung,
wie sie damals versammelt waren, noch einmal
und zwar zu einem ordentlichen Landtage zusam-
menzuberufen. Se. Majestät der König werden
diesem Landtage jedoch nur den Entwurf eines
definitiven Wahlgesetzes und einige andere Gegen-
stände vorlegen, deren sofortige Erledigung durch
das Staatswohl dringend geboten ist. Se. Maj.
der König hoffen und erwarten, daß das sächsische
Volk die Allerhöchste Absicht, auf diesem Wege
dem Lande Ruhe und Sicherheit wiederzugeben,
nichtig erkennen, und daß jeder, der berufen ist,
dabei mitzuwirken zur Ereichung des Zieles, gern
seine Hand dazu bieten werde. Möge diese Maß-
regel den gewünschten Erfolg haben und dem
Vaterlande Ruhe, Ordnung und Sicherheit brin-
gen, ohne welche eine fortschreitende Entwickelung
des Volkswohlstandes, eine Verminderung der
drückenden Abgabenlast nicht zu erwarten ist. --
Dresden, 3. Juni 1850. Dr. Ferd. Zschinsky.
Friedr. Ferd. Frhr. v. Beust. Bernh. Rabenhorst.
Rich. Frhr. v. Friesen. Joh. Heinr. Aug. Behr.
Die Leipz. Ztg. vom 7. d. Mts. bringt eine
Generalverordnung des Ministeriums des Jnnern,
in welchem die Redaktionen, Herausgeber und
Verleger von Zeitschriften angewiesen werden, bei
Vermeidung der in § 14 des Preßgesetzes für
den Unterlassungsfall angedrohten Strafen ein Frei-
exemplar jeder Nummer ihrer Zeitschriften fortan
mit derselben Beschleunigung, womit die Ausgabe
an die Abonnenten erfolgt, abzugeben, von wel-
cher es dann an die Kreisdirektion des Bezirks
befördert wird.
Wien, 3. Juni. Aus sicherer Quelle läßt
sich die N. Pr. Z. Folgendes mittheilen: „Bei
seiner Rückkehr von Warschau vernahm der Mi-
nisterpräsident Fürst Schwarzenberg zuerst die
Kunde der großen preußischen Rüstungen. Befragt
was Oesterreich hierauf thun würde? entgegnete
er: Wahrscheinlich einen Theil seiner Truppen
entlassen, denn da beide Staaten nur einen ge-
meinsamen Feind haben, gegen welchen sie gerüstet
sein müssen, die Demokratie in Deutschland und
den Sozialismus in Frankreich, so kann es Oester-
reich nur lieb sein, wenn Preußen durch Vermeh-
rung seiner Kriegsmacht ihm die Verminderung
der eigenen ermöglicht.“ --
Wien, 3. Juni. Die jüngst erfolgte Durch-
reise Sr. Durchlaucht des Hrn. Ministerpräsiden-
ten Fürsten Schwarzenberg hat preußischen Blät-
tern die Gelegenheit zu einer politischen Mitthei-
lung gegeben, welche alle Thaten Lavaters weit
hinter sich zurückläßt und als der Giftpunkt jener
raffinirten Politik bezeichnet werden kann, die das
Gras wachsen hört. Der Herr Ministerpräsident
verweilte auf der Rückreise in Myslowitz. Dort
haben ihn Argusaugen bewacht, dort wurde von
jeder Miene, jedem Blicke, jeder Geberde Sr.
Durchlaucht Akt genommen, und die schlesische
Zeitung ruft jetzt den Triumph politischer Phy-
siognomik mit den fett gedruckten Worten in die
Welt hinaus, daß man an Sr. Durchlaucht eine
große Verstimmung wahrgenommen habe, woraus
das ungünstige Resultat der Reise zu schlie-
ßen wäre. -- Wir wagen es nicht, uns so
tiefer als überragender Menschenkenntniß zu
rühmen, dagegen möchten wir wetten, daß die
weiter daran geknüpften halsbrecherischen Kon-
jekturen von unbedingter Billigung der preußi-
schen Unionspolitik durch Rußland u. dgl. --
Mährchen aus der tausend und einen Nacht deut-
scher Unionsentwickelungsstadien -- rein aus der
Luft gegriffen sind. Wir haben vielmehr guten
Grund zu glauben, Oesterreichs Politik in der
deutschen Frage sei durchaus auf keinen Wider-
spruch von Seiten des mächtigen Rußlands ge-
stoßen. Was aber sollen wir von Organen, Par-
teien und Bestrebungen halten, deren vornehmste
Träger die Zustimmung einer fremden Macht als
ihren Hort, ihre Zuversicht, das Ziel ihres Wir-
ken als die Grundlage unionistischer Deutschein-
heit betrachten und erklären? Wie und was nun,
wenn dem rosigen Traume nur allzufrühe Enttäu-
schung folgte?
( N. M. Z. )
Berlin, 5. Juni. Der Kurfürst von Hessen
wird dem Beispiele Sachsens folgen und offen
von der Union zurücktreten. Man darf der Er-
klärung täglich entgegen sehen.
( Aach. Z. )
Berlin, 7. Juni. Der „Staatsanzeiger“
publicirt nach Art. 63 der Verfassung eine neue
Preßverordnung in 14 Paragraphen, die im We-
sentlichen folgende Bestimmungen enthalten: Die
Postverwaltung kann Bestellungen auf Zeitschrif-
ten ablehnen; die Bestimmungen der Gewerbeord-
nung über Concessionen an Buchhändler sind nicht
aufgehoben; für monatlich oder häufiger erschei-
nende Zeitungen sind Cautionen erforderlich, doch
sind wissenschaftsiche Blätter davon ausgenommen;
bei Zeitungen, welche mehr als drei Mal wö-
chentlich erscheinen, ist in Städten erster Abthei-
lung ( nach der Gewerbestener ) eine Caution von
5000 Thlrn., in denen zweiter Abtheilung von
3000 Thlrn., in denen dritter Abtheilung von
2000 Thlrn., und in den übrigen von 1000
Thlrn. zu entrichten; für seltener erscheinende
Blätter ist die Hälfte dieser Summen zu erlegen;
die Herausgeber bestehender Zeitungen unterliegen
gleichfalls der Cautionsverpflichtung, auch sind li-
thographische Schriften den Zeitungen gleichge-
stellt; bei der dritten Verurtheilung ist die ge-
leistete Caution verfallen; außerpreußische Zeitun-
gen können verboten werden; die Strafbestimmun-
gen gehören nicht zur Competenz der Schwurge-
richte.
Frankreich.
Paris, 3. Juni. Jch schreibe Jhnen oft ge-
nug über die politischen Händel, über die parla-
mentarischen Kämpfe, wo man sich mit der Rede
verwundet und vergiftet, vom Socialismus, der
uns umschlingt und uns Fallstricke legt, und den
Boden unter unsern Füßen unterminirt, und vom
Bürgerkriege, der in der Ferne lauert und die
Flinte schon geladen hat. Lassen sie mir heute
einmal die Freude Jhnen zu sagen, daß nicht alle
Gemüther durch seine gräßlichen Leidenschaften
verwüstet werden, daß es auch hier noch viele
Menschen gibt, die da glauben und hoffen, und
mit frommem Entzücken den Gesängen vor dem
Altare Mariä zuhören. Es darf uns nicht wun-
dern, daß gerade hier, inmitten der Sittenlosigkeit,
Maria, das Sinnbild der Jungfräulichkeit, das
goldene Gefäß der züchtigen Grazie und der keu-
schen Liebe, so hoch geehrt wird: man sehnt sich
immer am inbrünstigsten nach dem, was uns am
meisten fehlt. Jn den hiesigen Kirchen hat stets
die heilige Jungfrau die reichste Kapelle: da ist
alles Marmor, Gold und Malerei von Oben bis
Unten. Wer da glaubt, die Franzosen hätten
keine Poesie im Herzen, der komme nur hierher:
da sieht er die lieblichsten Blüthen der Kunst
gleichsam zu einem Kranze zufammengeflochten,
der wie eine himmlische Glorie die Gebenedeite
umstrahlt. Kommt nun der Mai mit seiner Blu-
menfülle, so wird die Kapelle in einen Garten
umgeschaffen; blühende Orangenbäume, weiße Ro-
sen, Camelien, Hortensien, die wohlriechendsten
Stauden, die kostbarsten Gewächse, welche die
Treibhäuser bieten, werden in zierlichen Gruppen
rings um die mystische Rose aufgestellt. Die
Pfarreien suchen sich hier einander zu überbieten:
es ist ein wahrer Wetteifer in der frommen Ver-
schwendung; in Notre=Dame ist sogar eine Sta-
tue von gediegenem Silber, und zu diesem Luxus
gesellt sich immer das Schicklichkeitsgefühl, der
feine Kunstsinn, der die Pariser in Allem aus-
zeichnet. Und wenn nun des Abends die Kron-
leuchter und die dicken Boukeln von Wachskerzen
angezündet werden, und die milchweiße Krystall-
kugel der Lampen wie Monde in den Blüthen-
haine schweben und die Gesänge ertönen, dann
hat man gleichsam ein verkörpertes Gedicht vor
sich: man ist der Erde entrückt und schwebt in
den himmlischen Regionen. Jn Notre=Dame de
Lorette, in St. Philippe du Roule, in St. Ger-
vais wurde dieses Jahr die Feierlichkeit am Glän-
zendsten begangen. An gewissen Wochentagen
hörte man da vollständige Concerte mit Tenor=,
Baß = und Sopranstimmen: da waren mitunter
Sängerinnen, die mit der Stolz oder der Alboni
wetteifern konnten. Jn St. Philippe du Roule
dirigirte der bekannte Componist Ad. Adam. Jn
St. Gervais hatte eine vornehme Dame, Frau v.
C., eine der glänzendsten musikalischen Notabili-
täten der Pariser großen Welt die Concerte ar-
rangirt; sie sang das Ave verum, das o salu-
taris mit einem Zauber, mit einem wahrhaft
seraphischen Ausdrucke, worum sie die größeren
Virtuosinnen beneiden würden. Der Monat Ma-
ria schloß mit der Frohnleichnamsfeier, die erst
gestern gehalten wurde, weil das Fest auf den
Sonntag verlegt ist. Das Jahrgedächtniß der
Republik wird am Tage celebrirt, auf den es
fällt; der liebe Herrgott muß in der Republik
bis zum darauf folgenden Sonntag warten! Die
Processionen dürfen nicht über die Straßen gehen,
so will es das Gesetz in der Republik. Die
Feier beschränkt sich auf den Umzug durch die
Kirche. Nur in La Madeleine konnte die Pro-
zession durch das Peristyl ziehen, welches das
prachtvolle Gotteshaus mit seinen majestätischen
korinthischen Säulen umschließt. Einen reizend
Anblick gewähren die Jungfrauen, die ganz in
weiße Schleier gehüllt sind und mit einem Blu-
menstrauße in der Hand dahinwandeln, ernst und
schweigend. Und rührend war es zu sehen, wie
nicht allenfalls nur Frauen aus dem Volke, son-
dern die elegantesten und schönsten jungen Damen
ihre Kinder dem Priester darboten, der die blü-
henden Engelsköpfe im Vorbeigehen mit dem Hoch-
würdigsten segnend berührte, und wie dann die
Mutter das Kind küßte und verstohlen eine
Thräne aus dem Auge wischte, denn das wahre
Gefühl ist schamhaft und fürchtet die Blicke der
Menge. Aberglauben, werdet Jhr Philisophen
sagen; aber womit würdet Jhr dem Kinde seine
Freude und der Mutter ihre Rührung ersetzen?
( D. Vksh. )
Paris, 5. Juni. Nachrichten aus Algier vom
28. Mai bringen die Einzelnheiten über das Ge-
fecht, wobei der General de Barral, dessen Tod
wir bereits meldeten, seine tödtliche Wunde em-
pfing. Ein Beiblatt des „Moniteur Algerien“
enthält darüber Folgendes: Die Operationen des
Generals de Barral zwischen Setif und Bugia
wurden drei Tage lang durch heftige Regengüsse
gehemmt, welche den Marsch seiner Colonne auf-
hielten. Am 21. marschirte er von Dschemaa el
Beylik in der Nähe von Truna gegen die Beni
Jmmel, bei denen er heftigen Widerstand erwar-
tete. Er stieß in der That bald auf 3000 Ca-
bylen, von denen er durch Hohlwege getrennt war,
durch die man nur Mann für Mann passiren
kann. Der Feind hielt eine Reihe von Anhöhen
besetzt, die sich gegenseitig beschützen und bedrohte
unsere linke Flanke. Der General zieht die Ba-
taillone zusammen, die bestimmt sind, die Stellung
zu stürmen, schickt die aus einer Compagnie Zoua-
ben, einer Abtheilung mit großen Feldstutzen Be-
waffneter und einer Abtheilung Sappeurs vom
Genie bestehende Avantgarde vor und setzt sich
dann selbst an die Spitze der in Schlachtordnung
aufgestellten Truppen. Das Flintenfeuer beginnt
und wenige Minuten vergehen, so ist der Gene-
ral de Barral von einer Kugel = mitten in die
Brust getroffen. Er hält sich jedoch noch lange
genug auf seinem Pferde, um den Obersten
de Lourmel rufen lassen und ihm das Kom-
mando übergeben zu können. Die Colonne ver-
längert sich wegen der Schwierigkeit des Durch-
marsches. Der Oberst de Lourmel, dem die Ein-
geborenen von Jmmula auf der linken Flanke und
im Rücken kein großes Vertrauen einflößen, läßt
die Spitze der Heersäule Halt machen und ergreift
Maßregeln, um den Train zu decken. Der Feind
rückt vor. Allein auf ein von der Artillerie ge-
gebenes Zeichen wirft die Jnfanterie ihre Torni-
ster weg, Jnfanteristen und Kavalleristen stürtzen
dem Feind entgegen und bald ergreifen die Caby-
len, nach einer letzten Salve, vor den Bajonetten
und Sabeln der Soldaten die Flucht. Die Ver-
folgung dauert von 4 bis 6 Uhr Abends. Kein
Hinderniß hält den Eifer der Truppen auf, die
von dem Wunsche beseelt sind, die Wunde ihrer
braven Generals zu rächen. 200 Leichen bedecken
den Boden und die Stätte, wo die Dörfer des
Beni Jmmel stehen, läßt sich bei dem Schein der
Flammen erkennen, die wir dort angezündet haben.
Wir haben nur 13 Verwundete und zwei todte
Pferde.“ Nach diesem Gefechte verlangten die
Beni Jmmel den Aman und noch mehrere andere
insurgirte Cabylenstämme unterwarfen sich. Der
General de Barral wurde, nachdem die Kugel
ausgezogen worden war, nach Bugia transportirt,
starb aber unterwegs an den Folgen seiner Wunde.
Der Stand der Dinge an der maroccanischen
Grenze hat sich noch nicht geändert. Die maroe-
canischen Truppen haben drei Lager dicht an der
Grenze von Algerien bezogen, was die Verstär-
kung der Garnison von Tlemcen veranlaßt hat.
Der General Mac Mahon ist mit einer starken
Colonne auf dem Marsch nach der Grenze, um
den Maroccanern jede Gebietsverletzung zu ver-
wehren. Der ehemal. Kalisah Abd=el=Kaders, Bu
Hamedi, der seit lange zu Fez wohnte, ist plötz-
lich, wie es heißt, durch Gift gestorben, was gro-
ßen Schrecken unter den nach Marocco geflüchte-
ten algierischen Familien verbreitet hat.
C Paris, 6. Juni. Die Commission für
parlamentarische Juitiative hat heute nach 3 stün-
diger Berathung über General Grammonts An-
trag: Verlegung des Regierungssitzes nach Ver-
sailles -- mit einer Majorität von 12 Stimmen
gegen 11 denselben verworfen. Morgen wird in
diesem Sinne Bericht erstattet.
C Paris, 7. Juni. Gestern war das Ge-
rücht verbreitet, die Commission für General Gram-
mont 's Antrag: Verlegung des Regierungssitzes
nach Versailles, habe mit 12 gegen 11 Stimmen
sich gegen den Antrag ausgesprochen. Heute er-
fährt man, daß sie im Gegentheil mit 12 gegen
11 Stimmen die Berathung des Antrags beschlos-
sen hat. -- Der „Moniteur“ enthält den Post-
vertrag mit der Schweiz. -- Morgen kommt das
Drei=Millionen=Project in den Abtheilungen zur
Verhandlung.