Landtagsverhandlungen.
München, 5. Juni. ( CXXIV. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten. ) Die Gallerien
sind besetzt. Am Ministertische: Staatsminister v.
d. Pfordten, v. Zwehl, v. Ringelmann und meh-
rere Ministerialräthe. Der II. Präsident eröffnet
um halb 10 Uhr die Sitzung. Nach Bekannt-
gabe des letzten Sitzungsprotokolls wird der Be-
schluß über den archivarischen Bericht verlesen. Es
wird hierauf zum Vortrag, der Berathung und
Schlußfassung über die Rückäußerung der Kam-
mer der Reichsräthe bezüglich des Gesetzentwurfes:
„den Geschäftsgang des Landtages betr.“ geschrit-
ten. Es waltete nur noch eine Differenz zwischen
beiden Kammern ob, welche jedoch durch Nachge-
ben der 2. Kammer gegenüber der 1. nach kurzer
Debatte aufgehoben wird. Es wird nun zur Vor-
tragerstattung, Berathung und Schlußfassung über
die Rückäußerung der Kammer der Reichsräthe
bezüglich des Gesetzentwurfes, „die Einquartirungs-
und Vorspannslasten in Friedenszeiten betr.“ über-
gegangen. -- Bei Art. 1 schlägt die Kammer der
Reichsräthe vor, nach den Worten „Kraft besteh-
ender Gesetze“ einzuschalten „oder aus bestimmten
Rechtstiteln“; diesem stimmt die Kammer der Abg.
ohne Debatte einstimmig bei. -- Bei Art. 2 be-
antragt der Ausschuß, die Aufzählung der Be-
standtheile der täglichen Kostportion für die Mann-
schaft und der Pferderationen sei aus dem Art.
hinwegzulassen, dagegen sei dem Gesammtbeschlusse
über den Gesetzentwurf folgender Zusatz anzuhän-
gen: Die kgl. Staatsregierung wolle bei Verkün-
digung des gegenwärtigen Gesetzes das Regulativ
der Kostportionen und Pferderationen oder deren
Vergütungen im Regierungsblatte oder Gesetzblatte
der Pfalz bekannt machen. -- Wird beigestimmt.
Nach Beschluß beider Kammern werden bei Art.
3 im Eingang die Worte „und Verpflegung“ ge-
strichen. -- Bei Art. 8 schlägt die Reichsraths-
kammer und mit ihr der Ausschuß mehrere Modi-
fikationen vor. Abs. 1, 2 und 4 bleiben unver-
ändert. Abs. 3 solle jedoch folgende Fassung er-
halten: Außerdem ist es jeder Gemeinde freige-
stellt, nichtständige Garnisonen entweder gegen
Entschädigung von Seite des Staates in den durch
Art. 2 und 3 für Einquartirung, für Dach und
Fach festgesetzten Betrag in dazu geeigneten, mit
den nöthigen Fournituren und Requisiten versehe-
nen Lokalitäten, unter gleichzeitiger Verabreichung
von Holz und Licht zu kaserniren, oder im Ein-
zelnen einzuquartiren. Bei Absatz 5 sollen die
Worte „voller Ersatz“ abgeändert werden in „der
gesetzlich festgesetzte Ersatz.“ -- Nach längerer
Debatte werden die Ausschuß= resp. die Beschlüsse
der Kammer der Reichsräthe angenommen. --
Bei Art. 9 wünscht die Kammer der Reichsräthe
nach den Worten „Besitzungen in der Gemeinde“
eingeschaltet zu wissen „mit Ausnahme der für
Staats=, Gemeinde= und Stiftungszwecke verwen-
deten Gebäude.“ Art. 10 des Reggs.=Entw. wurde
durch Beschluß vom 23. März in zwei Art. ge-
theilt. -- Die Kammer der Reichsräthe will die
unveränderte Annahme des Reggs.=Entw. Der
Ausschuß schlägt jedoch bei Art. 11 vor, ihren
Kammerbeschluß festzuhalten, Art. 12 jedoch in
folgende Fassung zu bringen: Den Maßstab für
die Vertheilung der Natural=Einquartirung bilden
gleichfalls die sämmtlichen direkten Steuern, mit
welchen jeder zur Uebernahme der Einquartierung
Verpflichtete im Bezirke der betr. Gemeinden an-
gelegt ist. Es bleibt jedoch jeder Gemeinde un-
benommen, einen andern Maßstab für die Ver-
theilung der Naturaleinquartierung zu wählen. Jn
diesem Falle steht jedem Quartierpflichtigen das
Recht der Berufung binnen 30 Tagen nach Ver-
öffentlichung des Beschlusses an die der Gemeinde
vorgesetzte Behörde oder Stelle zu, welcher das
Recht der Aufhebung des Gemeindebeschlusses zu-
kommt. Diesem Vorschlage stimmt die Kammer
bei. Es ist daher auch nothwendig, daß die dem
Reggs.=Entw. sich nähernden Modifikationen der
Kammer der Reichsr. verworfen werden. Bei Art.
14 schlägt die Kammer der Reichsr. vor, die
Fassung des Reggs.=Entws. anzunehmen, die mo-
difizirte der Kammer der Abg. aber zu verwerfen.
Diesem stimmte die Kammer bei und beendete da-
mit die Verhandlung über diese Rückäußerungen.
Es wird nun zur Berathung über den Armenge-
setzentwurf des Abg. v. Koch geschritten. Der
Ausschuß schlägt vor, diesen Entwurf geradezu zu
verwerfen. -- Frhr. v. Lerchenfeld stellte den
präjudiziellen Antrag, diesen Entwurf einem eigens
hiezu gewählten Ausschusse zu übermitteln, damit
derselbe darüber berathe. -- Ref. Dr. Ruland
entgegnet hierauf, daß die hohe Kammer schon
früher in der 82. Sitzung über diesen Antrag be-
schlossen und dem damaligen Antrag, diesen Ent-
wurf einem eigenen Ausschusse zu übergeben, nicht
Folge geben zu dürfen geglaubt habe. -- Ler-
chenfeld schlägt eventuell vor, die Berathung
doch wenigstens auf 4 Wochen zu verschieben. --
v. Koch als Antragsteller, unterwirft den Bericht
einer scharfen Kritik, die mitunter große Heiterkeit
erregt. -- Nachdem die präjudiziellen Anträge ab-
geworfen waren, spricht Dr. Ruland eine volle
Stunde über die Unzweckmäßigkeit des Entwurfes,
hierauf wird Schluß gerufen, allein Dr. Sepp
spricht jedoch wegen der Wichtigkeit des Antrages
gegen den Schluß. Nachdem noch Wallerstein,
Forndran und Boos und nach langem Zaudern
auch Dr. Sepp aufs Wort verzichtet hatten, er-
hält von Koch noch einmal das Wort zur Ver-
theidigung des Antrages. Der Antrag des Aus-
schusses wird angenommen. Nachdem Hirschber-
ger noch über zwei die Brandassekuranz betr.
Gegenstände Vortrag erstattet hatte, schließt der
Präsident die Sitzung um 2 Uhr.
München, 6. Juni. Der Abg. Dr. Mor-
genstern hat gestern dem Präsidium folgende
Jnterpellation an das Staatsministerium des Jn-
nern übergeben: 1 ) Jst dem k. Staatsministerium
bekannt, daß Landwehrkommandos wegen angeb-
licher Preßkontraventionen Untersuchungen einleiten,
und daß namentlich das hiesige Landwehrregiment
eine solche wegen eines Artikels in der hier er-
scheinenden „Volksbötin“ führt, und daß dasselbe
Zeugen, welche dessen Kompetenz bestreiten, deß-
halb mit Arrest bestraft? 2 ) Welche Maßregeln
gedenkt das k. Staatsministerium zur Einstellung
dieses den Art. X des Edikts vom 4. Juni 1848
„die Freiheit der Presse betr.“, gerade zu entge-
genstehenden Vorschreitens des hiesigen Landwehr-
regiments zu ergreifen.“ -- Durch ein heute beim
Präsidium der II. Kammer eingelaufenes könig-
liches Dekret wird der gegenwärtige Landtag bis
15. Juli l. Js. verlängert. Es ist voraussicht-
lich, daß die Budgetberathungen, in beiden Kam-
mern, auch bis zu diesem Zeitpunkte nicht beendigt
werden können.
( A. Ab. ) Deutschland.
München, 6. Mai. Heute Vormittag sind
JJ. kk. MM. Max und Marie nach Berg
abgereist. Die Verlegung des kgl. Sekretariats
und der Garderobe dahin läßt auf ein längeres
Verbleiben schließen. -- Wegen der Beurlau-
bung des Kommandanten des ersten Armeekorps.
Generallieutenants Grafen zu Ysenburg, hat heute
der Generallieutenant von Hohenhausen das Kom-
mando des ersten Armeekorps übernommen. Die
vorläufige Suspeusion des polizeilichen Beschlusses
wegen der Ausweisung des Professors Schell
durch die königl. Regierung von Oberbayern be-
stätigt sich vollkommen.
( A. Abl. )
Frankfurt, 7. Juni. Gestern Nachmittag
wurden die hier in Besatzung stehende zwei Ba-
taillone des königl. preuß. 31. Jnfanterieregiments
nebst den kgl. preuß. Kürassieren und Artilleristen,
sowie das Frankfurter Linienbataillon zum Grind-
brunnen befehligt, und ihnen daselbst das Unstatt-
hafte und Aergerliche der seit einigen Tagen vor-
gefallenen Excesse durch die betreffenden Befehls-
haber vorgehalten, sie zur Eintracht ermahnt und
vor den Folgen solcher Auftritte gewarnt. Nach
solchen eindringlichen Reden des preußischen und
des Frankfurter Commandanten, und nachdem sich
beide Stabsoffiziere vor der Fronte umarmt hat-
ten, mußten von den verschiedenen Compagnien
die ältesten aller Chargen hervortreten und sich
gegenseitig die Hand reichen. Zum Schlusse brachte
der preußische Commandant der Eintracht ein
Hoch, was mit vieler Begeisterung erwiedert wurde.
Um 7 Uhr Abends rückten die Truppen gemein-
schaftlich unter dem klingenden Spiel ihrer Musi-
ken wieder in die Stadt ein. Die Mannschaft
war nur mit dem Seitengewehr bewaffnet.
( F. O.=P.=Z. )
Der „Vogesenbote“ läßt sich aus Frankfurt
vom 1. Juni schreiben: Seit einigen Tagen cir-
culirt in diplomatischen Kreisen die Abschrift ei-
ner Erklärung der mecklenburg=strelitzer Regierung,
die bedeutendes Aufsehen zu machen nicht verfehlt.
Es ist der Absagebrief dieser von der Union,
worin es heißt: „Mecklenburg könne kein Heil
für Deutschland in der Union sehen, da sie Preu-
ßen die ihm gebührende Stellung im Bunde nicht
anweise.“ -- Auch du, Brutus!
Karlsruhe, 5. Juni. Sicherem Vernehmen
nach wird der Erzbischof von Freiburg eine Epis-
copal = Synode der oberrheinischen Kirchenprovinz
verordnen, und die Bischöfe von Mainz, Rotten-
burg und Limburg um sich versammeln.
Heidelberg, 4. Juni. Vorgestern ließ sich
ein Theil des neuorganisirten badischen Musikkorps
auf dem Schlosse dahier mit vielem Beifall hö-
ren. Das Applaudiren wollte kein Ende nehmen.
Unter der großen Menge Zuhörer befanden sich
auch etwelche Rothe, die da meinten, das Hecker-
lied müßte sich, von einer solchen ungeheueren
Masse Menschen gesungen und von der etwa 40
Mann starken Musik begleitet, gar nicht übel
ausnehmen. Es wurde daher von einem der Ge-
sinnungstüchtigen eine pathetische, wörterreiche Rede
an die Musizirenden gehalten und dann ein be-
geistertes, höckeriges Männlein zum Kapellmeister,
Hrn. Frick, gesandt, um diesen in höchst schmei-
chelhaften Ausdrücken zu ersuchen, das Schleswig-
Holstein=Lied, das bekanntlich mit dem Heckerlied
gleiche Melodie hat, spielen zu lassen, was dieser
aber standhaft verweigerte. Als darauf der Bar-
rikadenmarsch von den zu spielenden Stücken an
die Reihe kam, so soll ein Theil der Zuhörer-
menge Vivat, ein anderer Pereat gerufen ha-
ben. Glücklicher Weise blieb es aber bloß beim
Geschrei, obgleich es etwas gefährlicher aussah.
Doch fand sich der hiesige Stadtkommandant ver-
anlaßt, gestern früh durch Maueranschläge an den
zum Schlosse führenden Gängen bekannt zu ma-
chen, daß alle Beifallsbezeugungen bei öffentlichen
musikalischen Produktionen während des Kriegszu-
standes als Demonstrationen betrachtet und be-
straft würden. Gestern Nachmittag produzirte sich
nun dasselbe Musikkorps wieder auf dem Schlosse,
wo sich abermals eine Menge Zuhörer, darunter
auch souveränes Volk eingefunden hatte. Als letz-
teres des hiesigen Polizeibeamten ansichtig wurde,
fing es an, wahrscheinlich diesem zum Hohne, aus
Blumen und Laubwerk, das es von den Bäumen
riß, Sträuße zu winden und den Musikanten zu-
zuwerfen, wobei besonders mehrere hiesige, in
zweideutigem Rufe stehende Weibspersonen sehr
thätig waren. Der Polizeibeamte ließ nun die
Musik auffordern, das Musiziren einzustellen und
das Schloß zu verlassen, was auch augenblicklich
geschah. Sechs Stück von unsern Rothen, die
als Hauptanstifter dieser Demonstrationen gelten,
sind gestern Abend noch verhaftet und in's Ge-
fängniß abgeführt worden. -- Den hiesigen Wir-
then wurde gestern Abend durch die Polizeidiener
bekannt gemacht, daß die Wirthschaften schon um
10 Uhr, statt um halb 11 Uhr geschlossen sein
müßten. -- Heidelberg ist ruhig! --
( B. L. )
Kassel, 5. Juni. Gestern wurden die sterb-
lichen Ueberreste des am 2. d. mit Tod abgegan-
genen Generalmajors Friedr. Ernst Spangen-
berg, Kommandeurs der 1sten Jnfant.=Brigade,
Kommandeur des kurf. Hausordens vom gold'nen
Löwen, Ritter des Ordens vom eisernen Helm ec.,
mit militärischer Ehre zu ihrer Ruhestätte begleitet.
Dresden, 4. Juni. Das Ministerium hat
folgende Ansprache an das Volk erlassen: Se.
Maj. der König haben sich bewogen gefunden, die
Kammer aufzulösen. Die unterzeichneten Staats-
minister halten sich für verpflichtet, dem sächsischen
Volke über die Gründe dieses Schrittes und die
demnächst zu ergreifenden weiteren Maßregeln
Rechenschaft zu geben. Während der politischen
Bewegungen des Jahres 1848 wurde auch in
Sachsen die Ueberzeugung gewonnen, daß eine
Abänderung des Wahlgesetzes vom 24. Septem-
ber 1831 und einiger damit zusammenhängender
Bestimmungen der Verfassungsurkunde ein unab-
weisbares Bedürfniß sei. Die große Aufregung
jener Zeit, die Unsicherheit der Verhältnisse und
insbesondere die damals herrschende Ungewißheit
über die künftige Gestaltung der deutschen Ver-
fassung ließen es jedoch der Regierung wünschens-
werth erscheinen, den Ständen nicht sofort ein de-
finitives, auf die Dauer berechnetes Wahlgesetz
vorzulegen, sondern die Vereinbarung hierüber
auf eine ruhigere Zeit zu verschieben und nur ein
Provisorium gesetzlicher Bestimmungen für den
nächsten ordentlichen Landtag zu geben, mit wel-
chem dann ein definitives Wahlgesetz zustande ge-
bracht werden sollte. Diesen Ansichten traten
beide Kammern des damals versammelten außer-
ordentlichen Landtags bei, und es wurden demge-
mäß die beiden am 15. November 1848 erlas-
senen Gesetze, die Wahlen der Landtagsabgeord-
neten und einige Abänderungen der Verfassungs-
urkunde betreffend, schon in ihrer Ueberschrift aus-
drücklich als provisorische bezeichnet. Der erste
nach diesem Wahlgesetze gewählte Landtag hat
Sachsen an den Rand des Verderbens gebracht.
Er mußte aufgelöst werden. Dieser traurige, dem
Lande so unheilvolle Erfolg, verbunden mit dem
unmittelbar darauf folgenden Aufstande gegen die
Verfassung des Vaterlandes, führte schon damals
zu Erwägung der Frage, ob nicht der durch die
provisorische Gesetze vom 15. November 1848
gemachte Versuch als gescheitert zu betrachten und
daher mit Wiedereinberufung der frühern Stände
behufs der Feststellung eines definitiven Wahlge-
setzes zu verfahren sei. Da jedoch ein großer
Theil der Gründe, die im Jahr 1848 für Ein-
schaltung des gewählten Auswegs sprachen, auch
Jahr 1849 noch unverändert fortbestanden, so
hielten Se. Maj. der König auf den Rath ihrer
verantwortlichen Minister sich verpflichtel, noch
einmal den Versuch zu machen, ob auf Grund
der provisorischen Gesetze vom 15. Novbr. 1848
eine Versammlung gewählt werden könne, deren
entschiedene Mehrheit die dringende Nothwendig-
keit, unsere provisorischen Zustände rasch zu be-
enden und bald ein definitives Wahlgesetz zu
Stande zu bringen, richtig erkennen würde. Auch
diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen.
Befanden sich unter den Mitgliedern der im No-
vember v. J. zusammengetretenen Kammern auch
nicht wenige wahre Freunde des Vaterlandes, so
waren doch die andern Parteien in den Kammern
so zahlreich vertreten, daß sie, wenn auch
nicht die Mehrheit in allen Punkten, doch Kraft
genug hatten, um die definitive Erledigung der
wichtigsten, jetzt obschwebenden Fragen zu ver-
hindern.
( Schluß folgt. )
Hannover, 3. Juni. Jn der heutigen Sitz-
ung der zweiten Kammer stellte der Abgeordnete
Bueren den Antrag: „Die Stände beschließen,
der königl. Regierung in Bezug auf die deutschen
Angelegenheiten Folgendes zu erklären: 1 ) Daß
sie die alte deutsche Bundesverfassung und die
ihr zu Grunde liegenden, von den deutschen Für-
sten einseitig, ohne Zuziehung der Volksvertretung,
mithin ohne alle rechtliche Wirkung abgeschlossenen
deutschen Bundesverträge als von Anfang an
nichtig und jedenfalls als durch die Bundesbe-
schlüsse des Reichstags vom Jahre 1848 und
1849 völlig aufgehoben betrachten; 2 ) daß sie
den jetzt, angeblich zum Zweck der Umgestaltung
der deutschen Reichsgewalt und Reichsverfassung
ohne Zuziehung einer allgemeinen Volksvertretung,
wieder unter sich verhandelnden deutschen Fürsten
und freien Städten alles und jedes Recht ab-
sprechen, eine deutsche Reichsverfassung und Reichs-
gewalt auch selbst nur vorläufig festzustellen und
einzusetzen; 3 ) daß sie vielmehr lediglich und all-
ein einer, nach den rechtzeiltig feststehenden Grund-
sätzen des allgemeinen Wahlrechts zu berufenden
allgemeinen deutschen Volksvertretung das Recht
zuerkennen können, eine endgiltige Reichsverfassung
und Reichsgewalt für ganz Deutschland zu schaf-
fen; 4 ) daß sie daher die königl. Regierung er-
suchen und ermächtigen, mit allen ihren Kräften
dahin zu wirken, eine solche allgemeine deutsche
constituirende Reichsversammlung baldigst ins Le-
ben zu rufen.“ Dieser Antrag wurde genügend
unterstützt und in die Tagesordnung eingetragen.
Wien, 2. Juni. Der „Lloyd“ schildert in
seiner heutigen Numer den Eindruck, den die
Nachricht von preuß. Kriegsrüstungen auf die
Oesterreicher gemacht: „Preußen rüste, diese Mel-
dung brachte uns eine telegraphische Depesche aus
Berlin. Der Eindruck, welchen die Nachricht, daß
ein Armee = Corps zwischen Erfurt und Torgau,
und ein anderes an der böhmischen Grenze aufge-
stellt werde, in Wien hervorbrachte, war ungefähr
so tief, als wenn man berichtet hätte, daß der
Herr des himmlischen Reichs seine Truppen sam-
mele, um Rußland zu erobern. Selbst die Börse,
welche doch in Hinsicht starker Nerven und gesun-
den Verstandes nicht die oberste Stellung bei uns
einnimmt, weigerte sich, in den leisesten Schrecken
zu gerathen. Aus patriotischem Trotz ließ sie so-
gar die Metalliques ein wenig steigen und das
Silber=Agio ein wenig fallen. Der Glaube an
die friedlichen Absichten unseres nördlichen Nach-
bars ist bei uns so fest gewurzelt, daß weder
Rüstungen noch Drohungen sie leicht erschüttern
können. Dieser Gleichmuth des Volks beweist uns
auch, wie tief Jeder von der Nothwendigkeit über-
zeugt ist, welche gebieterisch den beiden deutschen
Großmächten die Verpflichtung des Friedens, wenn
auch nicht die zur Eintracht auferlegt. Allen di-
plomatischen Noten zum Trotz glaubt man doch,
daß die Jnteressen der beiden Staaten solidarisch
miteinander verbunden sind, und daß die Gewalt
der Umstände, nicht die der Waffen, Preußen drän-
gen wird, die Vortheile aufzugeben, welche es hin-
ter dem Rücken Oesterreichs, als dieses im Kampf
mit äussern und innern Feinden begriffen war, zu-
sammenraffte. Die Ecksteine der Union sind be-
reits aus ihren Lagen gewichen, ohne daß ein
Schwertstreich gefallen wäre, und warum sollten
die halbaufgeführten Wände nicht nachstürtzen, ohne
daß äussere Gewalt sie zum Falle brächte? Preußen
vermochte nicht seinen Bau zu Stande zu bringen,
als Oesterreich es gewähren ließ, wird es ihm
etwa besser gelingen, falls er dasselbe geradezu
zum bewaffneten Widerstand aufforderte? Das
preußische Heer wird wahrscheinlich einige Früh-
lingsmanöver in einer schönen Gegend ausführen
wollen, und wir erwarten, daß österr. Offiziere
dann ihre Waffengefährten nachbarlich besuchen
werden, um die Haltung und Rüstung des be-
freundeten Heeres zu bewundern.“
Berlin, 30. Mai. Von hier läßt sich der
„Lloyd“ folgende Nachrichten über die Kriegsge-
rüchte mittheilen: „Wie die Weise des Ausdrucks,
so hat auch der Gang der Jdeen, selbst in den-
jenigen Blättern, die nicht unmittelbar einem der
Extreme angehören, in der neuesten Zeit einen
großen Umschwung erfahren. Noch vor einigen
Monaten oder vielleicht noch sogar vor einigen
Wochen protestirten sie nicht allein feierlich gegen
jede Einmischung Rußlands in die Angelegenhei-
ten Deutschlands, sondern die an unseren Gren-
zen cantonirenden russischen Truppen waren in ih-
ren Augen die Häscher der Reaction und die von
der Politik der Fürsten ausersehenen Werkzeuge,
um die Freiheit Deutschlands zu unterdrücken und
den Absolutismus wieder auf alle Throne Euro-
pas zu setzen. Und jetzt, welch' ein Unterschied!
weist man auf einmal der russ. Regierung aus
eigener Machtvollkommenheit einen wichtigen Ein-
fluß auf die Politik Preußens in der deutschen
Angelegenheit an. Ja, man geht noch weiter,
man erwartet das Heil der Union nur von die-
ser Seite her. Ganz natürlich aber läßt man
dabei Rußland gegen Oesterreich feindlich auftre-
ten und in kategorischen Noten die Unmöglichkeit
ausdrücken, die Präsidialbefugnisse Oesterreichs in
der Bundesversammlung und den beabsichtigten
Eintritt des gesammten Kaiserstaates in den deut-
schen Bund anzuerkennen. Alle diese Aufstellun-
gen, Angaben und Aussprüche kommen aus einer
und derselben Küche, es ist ein leeres Geschwätz,
eine Masse von Phrasen, die sich in die wenigen
Worte auflösen läßt: „Rußland ist bemüht, die
zwischen Preußen und Oesterreich in Bezug auf
die deutsche Frage eingetretenen Differenzen auf
jede mögliche Weise auszugleichen.“ Das ist der
Hauptzweck der Conferenzen, die sich in Warschau
vorbereiten, und auf die man mit um so größe-
rer Spannung blickt, als bis jetzt weder durch die
Fürstenversammlung, noch durch die hier gepfloge-
nen Verhandlungen ihrer verantwortlichen Mini-
ster der Weg noch aufgefunden worden ist, der
Vereinbarung um ein Bedeutendes näher zu kom-
men. Wenn man aber dem Kaiser Nikolaus eine
ganz besondere Vorliebe für die Union beilegt,
und ihn blos ihr zu Liebe die Rolle des Ver-
mittlers übernehmen läßt, so ist dieses wieder eine
ebenso willkürliche, als ungenaue Auslegung; denn
der Kaiser von Rußland ist durchdrungen von der
Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung der beiden
großen deutschen Mächte in diesem Augenblicke den
Umständen in Frankreich und den daraus mögli-
cherweise entspringenden Eventualitäten gegenüber
keine Verzögerung mehr erleidet. Diese Ueberzeu-
gung aber hat nicht blos der Czar, sondern ganz
in demselben vollen Maße der Kaiser von Oester-
reich und der König von Preußen. Der Letztere
drückt sie unumwunden in seiner ersten Ansprache
an die hier versammelten Fürsten mit klaren Wor-
ten aus, als er sagte: „Die Freundschaft mit
Oesterreich ist die erste Bedingung eines siegrei-
chen Kampfes gegen die Revolution.“ Jn dieser
Erklärung liegt zugleich eine sehr richtige Nach-
weisung des Standpunktes, von dem die unauf-
hörlich von Neuem verbreiteten Gerüchte über
Kriegsrüstungen und die gegenseitigen Anfeindun-
gen herabkommen. Wenn nun aber diese Partei
das Schicksal der Union in die Hände des Prin-
zen von Preußen durch seine Mission nach War-
schau legt, so kann sie vollkommen überzeugt sein,
daß gerade dieser das Princip des Friedens mit
Oesterreich vollkommen festhält, da er überall der
Revolution entgegentritt, ihr niemals aber in die
Hände arbeitet.“
Berlin, 4. Juni. Von Seiten der englischen
Regierung ist nunmehr dem hiesigen Ministerium
mitgetheilt worden, daß man allerdings in Lon-
don jetzt zur Ueberzeugung gekommen sei, daß
von den daselbst weilenden Flüchtlingen in gehei-
men Zusammenkünften „hochverrätherische Pläne
gegen die Fürsten“ besprochen würden Die Po-
lizeibehörde in London habe sich daher veranlaßt
gesehen, ein wachsames Auge auf diese Flüchtlinge
zu richten, um den in den geheimen Zusammen-
künften derselben gepredigten auf Königsmord
hinzielenden Lehren entgegenzutreten. -- Gestern
ist hier der Maschinenbauarbeiterverein auf Grund
der vorgefundenen Papiere und Schießmaterialien
aufgelöst worden. Die republikanische Richtung
dieses Vereins ist nach den vorliegenden Schrift-
stücken nicht mehr zweifelhaft. Die Pechkränze
von ungewöhnlicher Größe, die man gefunden
hat, sind von Sachverständigen untersucht worden,
welche die Wirkung derselben als verheerend für
Bauwerke schildern. -- Vorgestern hat von ka-
tholischer Seite die erste öffentliche Pro-
cession von Berlin nach der Kirche zu Span-
dau stattgefunden. Es hatten sich gegen 1200
Katholiken daran betheiligt. Der Probst, Herr
von Ketteler führte die Procession im geistlichen
Ornat. Keine Störung ist vorgekommen.
Frankreich.
C Paris, 5. Juni. Der Antrag, welchen
gestern der Finanzminister einbrachte: die Erhal-
tungskosten des Präsidenten der Republik auf drei
Millionen zu erhöhen, hat nicht nur der republi-
kanischen Partei, sondern auch einem großen Theil
der gemäßigten Fractionen mißfallen. Der Zu-
fall, daß dieser Antrag gerade unmittelbar nach
der Promulgation des Wahlgesetzes erfolgt; daß
man eine sehr beträchtliche Erhöhung seines Ge-
halts gerade einen Tag nach dem Artikel des
Constitutionel, es werde der Präsident fortan mit
der Majorität in schönster Eintracht leben, ver-
langt, erzeugt Verstimmung. Das Volksgewissen
sträube sich gegen solche Zufälle. Von der Ver-
letzung der Constitution wird nicht mehr gespro-
chen. Die arme Constitution bestimmt in ihrem
62. Art.: „Der Präsident der Republik erhält
einen Gehalt von 600,000 Fr.“ Allerdings ist
die Constitution in possierlicher Gewissenhaftigkeit
geachtet. Der Finanzminister weist die constitu-
tionellen 600,000 Fr. zurück. Er beantragt nur
noch außerdem 3 Mill. Repräsentations = Kosten,
Summa 3,600,000 Franken. Damit braucht
man sich nicht mehr vor der Tuilerie zu schämen.
-- Während der gestrigen Sitzung bot der Con-
ferenzsaal der Nationalversammlung ein merkwür-
diges Schauspiel dar. Sobald die Datationsfrage
bekannt war, sahen sich die Mitglieder der Majo-
rität überrascht und bestürzt an. Die Minister
wurden mit allen möglichen Vorwürfen überhäuft.
Achselzuckend erwiderten sie, es sei nichts zu ma-
chen und eine höhere Gewalt zwinge sie. Man
sagte, das Elysee habe1 1 / 2 Millionen Schulden
und die Gläubiger wären nachgerade unverschämt.
Theilweile bemerkte man sogar, die Vorlage die-
ses Entwurfes am Tage nach Verkündigung der
Wahlreform könne auf den Verkauf einer Unter-
schrift gedeutet werden. Namentlich Mol é und
Montalembert gaben sich die äußerste Mühe, we-
nigstens eine Vertagung zu erwirken. Die Mon-
tagne soll einen Augenblick im Sinne gehabt ha-
ben, Verweisung des Gesetzes an die Unterstütz-
ungskommission zu beantragen. Das Gesetz wurde
gestern darum erst am Schluß der Sitzung einge-
bracht, weil der Finanzminister Verwerfung der
Rentenstempelung durchsetzen wollte und ihm daher
daran gelegen war, die Majorität bei Laune zu
erhalten. Uebrigens werden die 3 Millionen schon
darum bewilligt, weil man dadurch einen Staats-
strich abzuwenden hofft.
Paris, 5. Juni. Jn den untersten Schichten
von Paris existirt eine großartige Association von
Verbrechern, die von den geheimen Gesellschaften
dirigirt werden. Seit einem Monate haben diese
Elenden fortwährend auf dem Punkte gestanden,
in die Straßen herabzukommen, ( wie sie sich aus-
drücken ) d. h. ihre Brand=, Plünderungs= und
Mordgedanken im Großen anzuwenden. Die
Regierung kennt die Namen, die Schlupfwinkel,
die Pläne dieser Menschen; sie kennt die Projecte,
die sie entworfen haben, um die Soldaten zu schlach-
ten, den General Changarnier kalt zu machen und
das Hotel de ville mit Sturm zu nehmen. Corre-
spondenzen, Tagesbefehle, Briefe an die Gefan-
genen von Doullens, um ihnen ihre Befreiung
anzukündigen, Pulver, Kugeln, Gewehre, Dolche,
Alles hat die Polizei in Händen. Mit dieser
Pariser Zentralverschwörung hatten sich die Füh-
rer verschiedener Conspirationen in den Provinzen
in Verbindung gesetzt. Die Haupt = Sozialisten
der Departements waren nach Paris beschieden
worden und hatten dort ebenfalls ihre Jnstructio-
nen empfangen. Auch in den Departements wa-
ren Plünderung, Brand und Mord in einem groß-
artigen Mäßstabe organisirt worden. Der durch
die kalte Entschlossenheit der Regierung eingeflößte
Schrecken, die Weigerung der Montagnards, sich
an die Spitze der Jnsurgenten zu stellen, und die
Theilnahmlosigkeit der wahren Arbeiter von Paris
gegen die Anfrührer, haben die Vertagung des
Aufstandes bewirkt. Die Regierung kann Ver-
brechen, wovon sie vollkommene Kenntniß besitzt, nicht
dulden; sie kann den Plan, Paris anzuzünden,
und mit Blut zu überschwemmen, nicht ohne
Strafe lassen; sie kann nicht gestatten, daß in
dieser Stadt sich einige Tausende von wilden
Thieren aufhalten, die sie erschrecken und entehren.
Denen, die da alle Tage versichern: das Volk
ist ruhig! muß die Regierung die Proben dieser Ruhe
und Sanftmuth ihres Volkes entgegen halten: die
4 Dekrete, die auf den Barrikaden proklamirt
werden, worunter eines über Abschaffung sämmt-
licher Steuern und eins über Auflösung der Armee;
die Bomben zur Vernichtung eines ganzen Ba-
taillons mit einem Schlage; die Scharfschützen,
die den Auftrag hatten, den General Changarnier
zu ermorden; den Plan der Kampfweise, worin
man anräth, Schwefelsäure und Salpetersäure
auf die Truppen zu pumpen u. s. w. Die Re-
gierung muß die Gesammtheit dieses scheußlichen
Planes dem Lande vor Augen legen, damit die
Gesellschaft richte.“ -- Auch andere Blätter spre-
chen sich energisch für die Säuberung der Stadt
Paris von allen verdachtigen Elementen oder an-
dernfalls für die Verlegung des Regierungssitzes
außerhalb Paris aus.