Landtagsverhandlungen.
München, 31. Mai. ( CXXI. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten. ) Am Minister-
tische: Staatsminister v. d. Pfordten, Aschenbren-
ner und mehrere Ministerialräthe. Der I. Prä-
sident eröffnet um halb 10 Uhr die Sitzung. Nach
Bekanntgabe des letzten Sitzungsprotokolls verliest
Referent v. Wenning den Beschluß über den
Gesetzentwurf, „die Gerichtsorganisation betr.,“
und Referent Weber den Gesammtbeschluß bei-
der Kammern über den Gesetzentwurf, „die Ein-
leitungen zu der Erbauung einer Eisenbahn von
Augsburg nach Ulm betr. -- Staatsminister v.
d. Pfordten wünscht zwei Jnterpellationen zu
beantworten. -- Abg. v. Schellhorn interpel-
lirt, ob denn in Erwägung der Noth der Arbei-
terklasse nicht von der Regierung dahin gewirkt
werden könnte, daß die größeren Bauloose bei
Eisenbahnbauten größtentheils den inländischen
Bauunternehmern überlassen würden, oder ob viel-
leicht die ausländischen Akkordunternehmer für die
Zukunft nicht ganz ausgeschlossen werden dürften.
-- Staatsminister v. d. Pfordten bemerkt hier-
auf, daß die Vergebung von Bauloosen an aus-
ländische Bauunternehmer in Folge einer Jnstruk-
tion von 1841 geschehen sei. Daß jedoch die in
der nächsten Umgebung des Bahnplatzes befindli-
chen Arbeiter beschäftigt würden, verstünde sich
von selbst. Die Regierung sehe sich aber nicht
in der Lage, die erwähnte Jnstruktion aufzuheben.
-- Kolb interpellirte in mehreren Punkten über
Uebergriffe, welche sich die Commandantschaft zu
Landau erlaubt habe. -- Staatsminister v. d.
Pfordten stellt die Fakta hin, wie sie dem Mi-
nisterium berichtet wurden, gemäß welchen die
Commandantschaft einzuschreiten sich gesetzlich ver-
anlaßt sah. -- Hierauf geht der Präsident zur
Berathung und Schlußfassung des Gesetzentwurfs
„die definitive Häusersteuer“ betr. über. Ehe der-
selbe die allgemeine Debatte eröffnete, verlas er
drei Modifikationen von Degenhart ( Heiterkeit ) ,
welche dieser zu dem Gesetze eingebracht, ebenso
zwei neue Artikel von Forndran, nach welchen
Lokalitäten, so lange in denselben steuerpflichtige
Gewerbe ausgeübt werden, unbesteuert bleiben. --
über diese Anträge sowohl wie über das Gesetz
selbst eröffnet der Präsident nun die allgemeine
Diskussion. -- Staatsminister Aschenbrenner
findet es für nöthig einige allgemeine Bemerkun-
gen über die Nothwendigkeit der Verbesserungen
des Häusersteuergesetzes zu machen. Redner sieht
freilich die einzige und radikale Kur der vielen
Uebel dieses Gesetzes nur in der Revision des
ganzen Gesetzes, wenn dies nicht so viele Zeit in
Anspruch nehme und sehr bedeutente Kosten ver-
ursachen würde. Redner erklärt sich zuletzt dem
vom Ausschusse neu geschaffenen Entwurf durchaus
nicht entgegen. -- Referent v. Koch spricht im
allgemeinen davon, daß der Ausschuß nur die
Ungleichheit der Häusersteuer und des Arealsteuer-
gesetzes beseitigen wollte. -- Rebenack tadelt
die vielen Mängel des Gesetzes vom 15. August
1828. -- Reinhart: Wenn man Rückstände
zu decken habe, so solle man doch mit Streichung
der hohen Besoldungen anfangen und nicht wieder
dem armen Bäuerlein in den Geldbeutel steigen.
Dort 50 Procent abzustreichen würde ergiebiger
sein, als eine Erhöhung der Häusersteuer. --
Pitzner spricht sich für den Forndran'schen An-
trag aus. -- Sedlmaier bemerkt, daß Mün-
chen allein 100,000 fl. Häusersteuer bezahle, in-
dem jeder Winkel, wo nur etwas hingestellt wer-
den könne, versteuert werden müsse. -- v. Her-
mann erklärt sich gegen alle Vorlagen, da es
unnütze Arbeit sei, ein Gesetz zu berathen, dessen
Mängel man nicht verbessern könne. -- Lerchen-
feld: Wenn man die Katasterkommission auch mit
einer Ausgleichung dieser Steuer beauftragen
würde, so möchte in zwei und vielleicht auch drei
Jahren sie nichts zu Stande gebracht, aber sehr
viel Geld verzehrt haben. Einen möglichst besten
Ausweg gibt der Ausschußbeschluß, deßwegen neh-
me man diesen an und durchhaue damit diesen
gordischen Knoten. -- Das Gesetz wurde in
folgender Fassung ohne Debatte angenommen, wo-
bei zu bemerken ist, daß Degenhart selbst gegen
seine Modifikationen stimmte: Art. 1. Das Ver-
hältniß der Steuersimplen, nach welchen die Er-
hebung der Miethsteuer zur Arealsteuer künftig
stattzufinden hat, wird auf die Verhältnißzahl von
1 zu 3 festgestellt, so daß künftig auf ein jedes
Simplum der Miethsteuer drei Symplen der Are-
alsteuer zu berechned und zu erheben sind. Art. 2.
Die geringste Ertragsfähigkeit eines der Mieth-
steuer unterworfenen Gebäudes wird statt der bis-
her zu Grunde gelegten Ertragsfähigkeit von 5 fl.
auf eine jährliche Ertragsfähigkeit von 9 fl. fest-
gestellt, mithin das Simplum des geringstbesteuer-
ten Miethgebäudes auf 9 Kreuzer normirt. Art. 3
ist der Vollzugartikel. Das ganze Gesetz wurde
hierauf bei namentlicher Abstimmung mit 118 ge-
gen 4 Stimmen angenommen. -- Gegen das
Gesetz stimmten: Schmidt aus W., Borst,
Hofmann, Reinhart. -- Schluß der Sitzung
um halb 3 Uhr.
Deutschland.
München, 1. Juni. Der „Nürnb. Korresp.“
gibt über die neulich von Hrn. Referent v. We-
ning dem Justizminister übergebenen zwei Briefe
folgenden Aufschluß: Dieselben rühren von dem
verlebten früheren Justizminister v. Schrenk her
und sind an Hrn. v. Wening, als damal. Stadt-
gerichts=Direktor von Würzburg, gerichtet. Sie
enthalten die Weisung, daß Letzterer sich ohne Zu-
ziehung eines Aktuars zu zwei Mitgefangenen des
damals in Untersuchung und Haft sich befindenden
Hofraths Behr begeben soll, um dieselben über
gewisse, den Letzteren betreffende Punkte auszufor-
schen. Hr. v. Wening wies dieses Ansinnen als
mit der Würde und der Pflicht eines Beamten
unvereinbar zurück, was ihm alle Ehre macht.
Nur verfehlte er durch die alteinige neuliche Ue-
bergabe der Briefe seinen Zweck, die Aeußerungen
des Fürsten Wallerstein über die zweifelhafte Selbst-
ständigkeit der Richter in der 30r Jahren factisch
zu widerlegen; obwohl andererseits nicht verschwie-
gen werden kann, daß wir derartige Anspielungen
auf die 30r Jahre nicht gerade aus dem Munde
des Hrn. Fürsten zu hören wünschten.
München, 2. Juni. Wie man vernimmt,
haben Se. Maj. der König dem am hiesigen Hof-
lager verweilenden Prinzen Albert von Sachsen,
kgl. Hoh., den Ritterorden vom heiligen Hubert
eigenhändig verliehen. Dieser Orden ist bekannt-
lich der erste des Reichs.
( A. Ab. )
† * Von der württemb. Grenze, 31. Mai.
Wenn Bayern und Oesterreich, überhaupt die mit-
unterzeichneten Staaten der Münchener Ueberein-
kunft, welch' letztere bekanntlich vor der Frankfur-
ter Versammlung die Grundlage der Verhandlun-
gen bilden soll, ihre Aufgabe so verstehen würden,
wie die sog. Standesherren in Württemberg, so
hatte die radikale Partei in Deutschland aller-
dings Recht, wenn sie von der Wiederherstellung
des alten Bundestags all' ihre Blätter voll-
schreibt. Das sog. reactionäre Ministerium
Schlayer will aber nichts von solchen wirklichen
Rückschritten wissen. Wäre das Ministerium ra-
dikaler Natur, so würde es ohne Zweifel -- wie
es im knabenhaften Charakter des Radikalismus
liegt -- uns in reinem Trotz gegen die Majori-
tät der Kammer jedenfalls etwas Anderes gewollt
haben, als was diese wollte. Es thut dies aber
nicht, sondern geht in diesem Punkt mit der Kam-
mermehrheit einig. Das Ministerium scheint die
Zeit besser zu verstehen, als die beiden extremen
Parteien, die es von entgegengesetzten Seiten an-
greifen. Es handelt im Geiste der Münchener
Uebereinkunft, und es ist dies ein Beweis mehr,
daß die Staaten der Münchener Uebereinkunft
nicht die Wiederherstellung des alten Bundestags
wollen; denn sonst müßte das mitunterzeichnete
Ministerium Schlayer die Folgerungen der württ.
Standesherren, die sie aus dem Fortbestand der
Bundesakte ziehen, gutheißen. Die Bundesakte
besteht aber nach der Ansicht der genannten Staa-
ten blos insoweit noch fort, als sie sich mit dem
Geiste und den Bedürfnissen der gegenwärtigen
Lage verträgt. Es ist dies eigentlich eine sich
ganz von selbst verstehende Sache; allein man
muß den von dem Wehgeschrei der demokratischen
Presse befangen gemachten Gemüthern oft Dinge
bemerklich machen, die sie bei ungetrübtem Blicke
leicht selbst sehen würden. v. Schlayer erklärte
also in der Kammer charakteristisch genug: „ das
Ministerium ist der Meinung, daß Nie-
mand die zwei Jahre ignoriren darf.
Die Standesherren haben ihren Posten verlassen,
sie können jetzt nicht die Sache an dem Punkte
wieder anfangen, wo sie dieselbe verlassen.“ --
Diesem gegenüber erscheint das Benehmen der
Majorität der rothen Kammer ächt wühlerisch.
Statt über eine solche Uebereinstimmung der An-
sichten sich zu freuen, setzt man Zweifel in das
gegebene Wort eines Ministers, bringt zur Auf-
reitzung des Hasses aufgewärmte Geschichten auf
das Tapet, und sucht das Ministerium gerade
wegen derjenigen Aeußerung von Neuem zu ver-
dächtigen, welche so eben durch die letzte Erklä-
rung v. Schlayer's interpretirt worden ist wegen
dem „Fortbestehen des deutschen Bundes.“ Es
geht über alle Begriffe, sowohl die eckelhafte, Al-
les verneinende und Alles herausfordernde Hal-
tung der rothen Kammermajorität, als die unbe-
grenzte Langmuth des Ministeriums diesem Be-
nehmen gegenüber. Wir wünschen deßwegen nicht,
daß dasselbe seiner Geduld jetzt schon eine Grenze
setze, im Gegentheil: es wird durch seine männ-
liche Ruhe sich nur um soviel mehr Freunde im
Lande erwerben, als die rothe Kammermajorität
durch tolles Umspringen mit den wesentlichsten
Jnteressen des Landes Anhänger verlieren muß.
Bonn, 29. Mai. An der Spitze des Ver-
zeichnisses der Studierenden befinden sich diesmal
sechs Prinzen aus souveränen und fürstlichen Häu-
sern. Namentlich: Se. königl. Hoheit Friedrich
Wilhelm Nicolaus Carl, Prinz von Preußen;
Se. königl. Hoheit Friedrich August Georg, Her-
zog von Sachsen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht
Carl Günther, Erbprinz von Schwarzburg=Son-
dershausen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht Georg
Victor, Fürst zu Waldeck und Pyrmont; und Se.
herzogliche Durchlaucht Nicolaus Wilhelm, Prinz
von Nassau.
Aus Kurhessen, 28. Mai. Wir hatten lange
nichts über das Treiben des weil. Gymnasial=Leh-
rers Jak. Schell erfahren, der am Ostertag
1846 in Frankfurt a. M. öffentlich sich vom rö-
misch=kathol. Glauben lossagte und zur deutsch-
katholischen Gemeinde überging. Später hatte er
eine anrüchige Sache im Nassauischen, und begab
sich hierauf nach Preußen, saß in Berlin 1848
im Parlament, und lebt jetzt in München, wo er
sich verehelicht hat. Auf einmal begegnen wir
wieder seiner Spur in Leipzig, wo er von der
Polizei wegen mangelhafter Legitimation ausge-
wiesen worden. Das Alles würde uns wenig
oder nicht interessiren, wenn wir uns die Selt-
samkeit erklären könnten, weßhalb dieser ehemal.
kurhessische Gymnasiallehrer vom Staate Hessen
immer noch jährlich 500 Thlr. Besoldung bezieht,
und mit Hilfe dieser Gratification in andern deut-
schen Staaten bald als Prediger, bald als preuß.
Parlamentsmitglied, nun wieder als Privatgelehr-
ter in München und confessioneller Sendling auf-
treten kann. Warum -- wenn er tauglich ist --
ruft ihn unser Ministerium nicht zurück und ver-
wendet ihn, wenn auch nicht gerade zum Gym-
nasial=Lehrer in Fulda? Warum gestattet man
ihm vielmehr seinen ganzen Gehalt außer unse-
rem Lande, sogar unter Uebernahme fremder geist-
licher und politischer Functionen Jahre lang fort
zu beziehen?
( F. O.=P.=Z. )
Kassel, 31. Mai. Jn der heutigen Sitzung
des Landtags übergab der Landtagskommissär, um
auf den Antrag des Abg. Oetker beschlossenen Er-
suchen um Auskunft über das deutsche Verfassungs-
werk zu entsprechen, Namens des Ministeriums
der auswärtigen Angelegenheiten eine Abschrift der
Note desselben an den Geschäftsträger in Berlin
vom 13. April d. J., worin der Standpunkt des
Ministeriums in dieser Frage ausführlich entwickelt
sei, sowie die Protokolle über die Berliner Con-
ferenzen, zugleich mit der Eröffnung, daß auch
die Protokolle des Verwaltungsrathes zu Diensten
ständen, daß jedoch die Regierung, da sie nur
ein Exemplar: derselben besitze, dieselben nur auf
einige Tage mitzutheilen im Stande sein werde.
Die Vorlagen werden dem Verfassungsausschusse
überwiesen. Die Frage des Abgeordneten Bayr-
hoffer, ob auch die in Erfurt gefaßten Revisions-
beschlüsse sich in den vorgelegten Aktenstücken be-
fänden, verneint der Landtagskommissär; dieselben
würden jedoch einen Theil der Protokolle des Ver-
waltungsrathes bilden. Der Abg. Oetker hält,
soweit er es im Augenblicke aufgefaßt habe, die
Auskunft für sehr mangelhaft, namentlich weil
über die augenblickliche Lage des deutschen Ver-
fassungswerks daraus nichts hervorgehe. Der Land-
tagskommissär: Wenn noch weitere Auskunft be-
gehrt werde, so müsse er doch bitten, zuvor das
Verfassungswerk, welches man meine, bestimmt zu
bezeichnen, ob das in Erfurt? oder ein anderes?
Der Abg. Oetker erwidert: Es werde ihm genü-
gen, wenn über die Lage des Verfassungswerkes
Aufschluß ertheilt werde, welches die Regierung
im Auge habe.
( N. Hess. Z. )
Dresden, 1. Juni. Die Kammern sind die-
sen Morgen aufgelöst worden. Die Erklärung des
Staatsministers v. Beust in dem deutschen Aus-
schusse und die darauf folgende Beanstandung der
Anleihe hatten die Lage der Dinge auf einen
Punkt gebracht, wo der Bruch unvermeidlich er-
folgen mußte. Gestern Vormittag ist Ministerrath
abgehalten worden, bei welchem der König selbst
zugegen gewesen sein soll. Auch waren schon ge-
stern Abend Gerüchte von der beschlossenen Auf-
lösung verbreitet. Ein zahlreiches Publikum hatte
sich in beiden Kammern auf den Gallerien einge-
funden. Die II. Kammer begann ihre Sitzung
etwas früher als die I.; am Ministertische war
Staatsminister Dr. Zschinsky anwesend. Nach der
Vollziehung des Protokolls der gestrigen Sitzung
ergriff Staatsminister Dr. Zschinsky das Wort,
bemerkte, daß er von der Staatsregierung beauf-
tragt sei, der Kammer eine Mittheilung zu ma-
chen, und verlas hierauf das kurze königl. Auflö-
sungsdekret. Jn der I. Kammer erfolgte der Auf-
lösungsakt ebenfalls von dem Staatsminister Dr.
Zschinsky unter denselben Formalitäten nach dem
Vortrage der Registrande.
( D. A. Z. )
Bremen, 30. Mai. Die „Weser Zeitung“
enthält in ihrem Leitartikel folgenden sehr wahren
Passus: „Wenn aber die Demokratie auch die
Möglichkeit eines inneren Zusammenhanges der
That mit ihrer politischen Tendenz voll tugend-
hafter Entrüstung als eine unerhörte Verdächtig-
ung zurückweis't, so darf man billig fragen, war-
um diese Demokratie nicht früher, als aus ihrer
Mitte der Mord und der Königsmord nicht nur
entschuldigt, sondern sogar gepredigt wurden, die
Welt von der Strenge und Reinheit ihrer Grund-
sätze in Kenntniß gesetzt hat? Wir wissen sehr
wohl, daß unter der Demokratie Unterschiede zu
machen sind, daß die gemäßigte, jetzt noch auf
politischem Boden stehende Demokratie, welche
Nichts als die aufrichtige Durchführung des Re-
präsentativen Staates auch mit monarchischer Spitze
will, gar nichts mit dem blutdürstigen Jakobinis-
mus des demokratischen Berges gemein hat; aber
dieser blutdürstige Jakobinismus existirt in der
That, er hat sich in Aufrufen und Pamphleten,
unter den Arbeitervereinen in der Schweiz, in
den Heinzen'schen Flugschriften, in Gedichten Re-
den und Artikeln der in London und den Ver-
einigten Staaten erscheinenden außerdeutschen Presse
ohne alle Maske kundgegeben. Wir haben ja in
solchen Blättern die ganze Liste der Preise gele-
sen, welche auf die Köpfe der europäischen Mo-
narchen ausgefetzt sein sollten; wir haben die
Koketterie gesehen, welche Männer aus den Rei-
hen dieser Demokratie mit der Tochter des Kö-
nigsmörders Tschech getrieben haben, und was
die Entschuldigung des politischen Mordes betrifft,
so braucht man sich nur der entmentschten Sprache
erinnern, womit ein Theil der rothen Presse seiner
Zeit den Mord Lichnowsky's und Auerswald's
als eine nicht gar so verdammenswerthe That
darzustellen wußte, um die Frage gerechtfertigt zu
finden, warum die demokratische Partei nicht frü-
her schon ihren Abscheu gegen solche Grundsätze
und solche Aufreitzungen ausgesprochen hat? Wir
erinnern uns nicht, in demokratischen Blättern
ernste energische Zurückweisungen der Gemeinschaft
mit den äußersten Extremen jemals gelesen zu
haben. Die demokratische Presse, auch die ge-
mäßigte, pflegt bei den hirnverbranntesten Plänen,
bei offenbaren Dummheiten und Schandthaten,
wenn sie von den Jhrigen ausgehen; ein Auge
zuzudrücken und höchstens das, was sie nicht ent-
schuldigen mag, für Lüge und Verdächtigungen
der Gegner auszugeben. Hat man nicht alle Ruch-
losigkeiten der „Kämpfer für Vökkerfreiheit“ in
dem badischen und pfälzischen Aufstand entschul-
digt, gemeinen Raub wie Diebstahl mit dem Brauch
des Krieges entschuldigt, sucht man nicht noch
jetzt die kolossale Lüge, als sei dieser Kampf für
die Reichsverfassung geführt, wieder aufzufrischen?
Wenn in dieser Weise auf Seiten der Demokra-
tie ein politischer Jesuitismus ( ! ) im größten
Style geübt wird, wo -- fragen wir -- fängt
dann die Sünde im demokratischen Katechismus
an, und wie will man in Abrede stellen, daß ge-
rade ein Unzurechnungsfähiger und Schwachköpfi-
ger durch diese demokratische Sittenlehre auch bis
zu dem, vor dem staatlichen Gewissen, äußersten
Verbrechen gebracht werden könnte.
Wien, 25. Mai. Die Colonisirung in Un-
garn: „Es ist bedauerlich, zu sehen, wie 40 bis
60,000 Deutsche jährlich ihr Vaterland verlassen,
um sich in einem fremden Welttheil eine neue
Heimath zu gründen. Sie tragen ihre Kräfte,
Geld und Blut in ungewisse Fernen und verges-
sen, daß nahe der eigenen Heimath sichere und
reichere Schätze zu haben sind. Das mathemati-
sche Klima von Ungarn stimmt mit dem von Süd-
deutschland, der Lombardei und Venedigs überein.
Ungarn gehört zu den am Meisten gesegneten Län-
dern Europas. Und welcher Cultur wäre das
Land fähig! Es zählt mehr als 160 größere
Flüsse; wie leicht die innere Verbindung, der
Verkehr, wenn man dazu noch die der Schifffahrt
dienenden Kanäle in Rechnung bringt! Wie frucht-
bar die Oberfläche; der Schooß der Erde voll
Metalle! -- Endlich, wenn Oesterreich mit sei-
nen sämmtlichen Kronländern in den deutschen
Bund eintritt, was es beabsichtigt, dann ist der
Auswanderer in keinem fremden Lande, er bleibt
deutsch, theilt die Gesammtinteressen, und wirkt
wesentlich mit an der innigen Einigung und Ver-
schmelzung des eintretenden Bundesstaates mit den
andern. Man muß auf Ungarn blicken, nicht wie
es war, sondern wie es jetzt zu werden verspricht.
Aus dem alten Adelsstaate wird ein Rechtsstaat
gebildet; die Bevorrechtungen liegen in Trümmer
geschlagen. Jeder ist gleich vor dem Gesetze.
Grundbücher verbürgen den Besitz. Sicherheit
und Festigkeit treten an die Stelle früherer Will-
kür und Unduldsamkeit; Freiheit der Religion,
Wahrung der Nationalität, Sicherheit der Person
und des Eigenthums werden verbürgt.“
Wien, 27. Mai. Aus Debreczin meldet der
„Magyar Hirlap,“ daß durch die energischen Be-
mühungen der Civil= und Militärbehörden in der
ganzen, von Räubern so sehr beunruhigten Um-
gegend die Sicherheit wieder hergestellt ist, insbe-
sondere nachdem sechs ihrer Häupter im Szabolc-
ser und Biharer Comitat aufgeknüpft worden.
Wien, 31. Mai. Die ministerielle Oesterr.
Correspondenz sagt: „Bereits gestern erhielten
wir auf telegraphischen Wege die Nachricht, daß
der Flügeladjutant Sr. Maj. des Königs von
Preuße, Hr. v. Manteuffel, nach Warschau ent-
sendet worden sei, um dem Kaiser aller Reußen
ein eigenhändiges Schreiben seines Monarchen zu
überbringen, worin angeblich die definitive Erklä-
rung enthalten wäre: Preußen werde niemals und
unter keiner Bedingung in die Wiedereinsetzung
des alten Bundestages willigen, und daß, wenn
ein Einverständniß zwischen Oesterreich und Preu-
ßen bisher nicht zu erreichen war, die Schuld le-
diglich an der Politik des Wiener Cabinets liegt,
die deßhalb nothwendigerweise zu verlassen sei.
Dahin wirken und seinen Einfluß aufbieten zu
wollen, wird der Kaiser ersucht. Wir erklären zu-
förderst, daß wir die Authenticitstt der eben er-
wähnten Nachricht nicht verbürgen mögen. Wir
theilen sie gleichwohl mit, da sie uns aus gut un-
terrichteter Quelle zugekommen, und Anlaß bietet,
etliche allgemeine für den jetzigen Standpunkt der
deutschen Frage bezeichnende Bemerkungen anzu-
knüpfen. Für's erste scheint die Zuversicht, welche
die Unionsgläubigen vor kurzem noch mit der
freundlichen Zustimmung Rußlands zu dem Uni-
onswerke zu erheitern und zu trösten beflissen war,
so ziemlich in nichts zu zerrinnen. Weßhalb be-
dürfte es wohl dieser Note, dieses Tones, wenn
bereits schon erreicht wäre, was man jetzt erst er-
reichen zu wollen versicht? Für's zweite wünsch-
ten wir herzlich gerne darüber eine Aufklärung
zu vernehmen, aus welchem Umstande Preußen
die Ueberzeugung schöpft, Oesterreich beabsich-
tige die Wiedereinsetzung des alten Bundes-
tags? Das k. k. Kabinet will eben nicht mehr
als eine unantastbare Rechtsgrundlage finden, um
die Constituirung Deutfchlands auf derselben im
Einvernehmen mit allen betheiligten deutschen Re-
gierungen bewirken zu helfen. Spricht etwa die
Münchener Aufstellung ein Zurückgehen auf den
Bundestag aus? Gelobte nicht Oesterreich ernst-
lich und feierlich, bei jeder sich darbietenden Ge-
legenheit dem neuen Geiste der Zeit, den Erleb-
nissen der letzten Jahre, den veränderten Bedürf-
nissen und erhöhten Ansprüchen der Nation gebüh-
rend Rechnung zu tragen? Wiege sich doch Nie-
mand geflissentlich in eitler Täuschung! Ja, wenn
selbst der Bundestag von ehemals jetzt wieder
zusammenträte, wäre er nicht ein wesentlich ande-
rer, eine Organisation von gleichem, äußerem An-
sehen, aber von innerlich grundverschiedenem Mark
und Gehalt? Haben die Kammern in den deut-
schen Staaten nicht ihr Urtheil über die Politik,
somit wesentlich auch über die deutsche Politik der
betreffenden Ministerien abzugeben? Ein von con-
stitutionellen Regierungen beschickter Bundestag
müßte nothwendig eine Wirksamkeit entfalten, die
zu seiner von 1816--48 gezeigten sich wie Con-
stitutionalität zum Absolutismus verhielte. Allein
wir wiederholen, Oesterreich will den Bundestag
wie er war, nicht, es will ein Band, welches das
gesammte Deutschland umschlinge, ohne zu verken-
nen, daß es kein bloßes Polizeiband, keine Hemm-
schranke zuverlässiger Bestrebungen sein dürfe, es
will endlich vor Allem der Anarchie, welcher der
deutsche Bund jetzt verfallen, ein Ende machen;
es kann und darf nicht dulden, daß eigenwillige
und rechtlose Schritte durch Verjährung eine Gel-
tung finden, die ihnen immer gebührt; Schritte,
die von der Minderzahl der mindest bedeutenden
Regierungen Deutschlands -- Preußen abgerech-
net -- ausgehen, und gleichwohl im Namen des
deutschen Reichs geschehen sein wollten!“
Breslau, 31. Mai. Heute fanden Haussu-
chungen und Beschlagnahmen von Papieren statt
bei Professor Nees v. Esenbeck, Dr. Heilberg,
Kaufmann Held, Musiklehrer Brattke und andern
Mitgliedern des Vorstandes der Arbeiterverbrüde-
rung. Es wurden außer den die Verbrüderung
selbst betreffenden Schriftstücken bei Nees auch
noch Papiere der christkatholischen Gemeinde, bei
Heilberg die gesammte Privatkorrespondenz, selbst
Familienpapiere, bei Brattke die ganze Bibliothek
des Vereins weggenommen.
( N. O. Z. )