Aus dem 90. Psalm / vers. 10.
Vnser Leben währet stebentzig Jahr / wenns hoch kömpt / so sinds achtzig Jar /
vnd wenns köstlich gewesen ist / so ists Mühe vnd Arbeit gewesen / denn es
fehret schnell dahin / als flögen wir davon.
GEliebte in Christo / Es haben die Gottseeligen Alten wol gerahten / wenn sie
stets an Gott zu gedencken befohlen / damit man in der Gottseligkeit bliebe vnd
fortkomme. Darzu gehöret / daß man Gott kenne nach seiner Majestät / Allmacht /
vnd Barmhertzigkeit; vnnd daß man stets betrachte sein Gericht / Zorn / Lieb vnd
Gnade. Ich gehe jetzt nicht darauff / wie billich es ist / Gott stets vor Augen
vnd im Hertzen zu haben / alldieweil wir viel vnnd hohe Wolthaten von jhm
empfangen. Er gibt vns das Leben / vnd weil wir vnver möglich seyn / erhelt er
vns / vnd tragt vns in seinem Arm / führet zu seinen Reich / vnd bewahret vns
das Erbe des ewigen Lebens / da wirs wol tausentfältig verschertzet haben. Wer
solche Wolthaten empfehet / der ist ja schuldig das Gedächtnis seines Wolthäters
nicht auß seinem Hertzen zu lassen. Doch gehe ich darauff jtzt nicht / ich sehe
allein auff den Nutzen den ein Christ in übung seines Christenthumbs davon trägt
/ wann er Gott stets vor augen hat.
Einmahl schaffet es in vns eine Christliche Freymütigkeit / daß wir mit David
sagen auß dem 16. Psalm. IchPs.
16, 8. habe den HErrn allezeit für Augen / Er ist mir zur
rechten / darumb werde ich wol bleiben / wann ein Christ daran gedencket / was
Er an Gott habe / so stehet das Hertze feste auff Gott / vnd fürchtet kein
Vnglück. Solche Gedancken benehmen nicht alleine die Furcht / sondern erwecken
auch Fried vnd Frewd / wann David spricht: Ich habe den HErren allezeit für
Augen / setzet er nicht alleine hinzu / darumb werde ich wol bleiben / sondern
auch / darumb frewet sich mein Hertz / vnd meine Ehre ist frölich / da findet
ein Christ Vrsache genug mit frölichem Mundt Gott zu loben.
Hernach erhelt vns auch das Gedächtnüs Gottes im stetigen Gehorsam / lasset vns
nur sehen auff vnsere eigene Haußhaltungen / die Augen deß Haußvaters misten
den Acker / wann Herren vnd Frawen zugegen seyn / muß sich das Gesinde schewen /
vnd das jhrige mit fleiß schaffen / wann sie aber wissen / daß Herr vnd Fraw
jhnen nicht hindern / lassen sie es mit der Arbeit wol sachte angehen So ist es
auch mit vns / so lange der Mensche jhm Gott für Augen stellet / so lange
bleibet er auch in seiner Furcht. Darumb muß ein Christ / mit der Betrachtung
Gottes behütsamb vmbgehen / wann wir in vnserem Gebete / vnd Geistlichen
betrachtungen / Gott recht zu Hertzen gefasset / daß das Hertze dadurch bewogen
ist / sollen wir vns fleissig bemühen solches Göttliches Einbilden
festiglich zubehalten / so werden wir so balde kein Vbel thun.
Letzlich führet vns die Betrachtung Gottes / auff vnser
eigen Erkentnüs / wie wir sehen
an den Heiligen / wann sich Gott jhnen offenbahret hat / seynd sie zur Erkentnüs
jhrer Nichtigkeit gezogen / in dem sie geruffen / O wehe ich muß vergehen / denn
Ich habe den HErren gesehen; wie mehr ein Mensch seinen Gott erkennet / wie
weniger Er von sich selber helt / vnd wann Er bey jhm selbst nichts findet /
darauff Er trawen könne / so suchet Er einen andern Trost / vnd wenn Er den in
Gott gefunden hat / so fürchtet Er sich auch die Gnade Gottes nicht zu
verschertzen / also ist das Erste / das auff die Göttliche Erkäntnüs vnnd
stetige Betrachtung Göttlicher Majestät folget / die Erkäntnüs eigener
Nichtigkeit / das vns weiter treibet Fried vnd Frewde in Gott zu suchen / vnd
demselben mit Kindlicher Furcht zu dienen.
Hingegen wo Gott nicht erkennet oder betrachtet wird / da erkent auch der Mensche
sein Elend nicht / suchet Gott nicht mit rechtem Ernst / vnd fürchtet jhn auch
nicht recht / dann ich gewißlich dafür halte / daß das Gottlose Wesen der Welt
einen grossen Wachsthumb bekomme / dadurch / daß die Menschen sich Gott nicht
recht einbilden / denn wer Gott nicht gros achtet / der achtet auch das Wort
Gottes nicht groß / dagegen helt man hoch / was die Augen sehen vnd lieben. Vnd
ob Gott wol mit täglichen Exempeln vns prediget / wie kurtz vnd nichtig das
Menschliche Leben sey / so bleibet doch der Mensche so vnbedacht / daß ers nicht
zu Hertzen ziehet / denn der Sathan der nicht gerne will / daß GOtt in vnserem
Hertzen groß werde / der wehret auch daß das Menschliche Leben / bey vns nicht
geringschätzig geachtet werde.
Heute lesset vns Gott für Augen tragen eine Adeliche Leiche / eines Alten vnd
Gottseeligen Mannes / welcher ein hohes Alter erreichet vnd dabey nicht allein
Vnglück / sondern auch
grosses
Glück erfahr ẽhat / doch muß er vns nun predigen / wie das Leben
der Menschen kurtz vnnd müheseelig sey. Da sind vns zur Leich-Sermon an die Hand
gegeben die Wort auß dem 90. Psalm: Vnser Leben währet siebentzig Jahr / wenns
hoch kömpt / so sinds achtzig Jahr / vnd wenns köstlich gewesen ist / so ists
Mühe vnd Arbeit gewesen / denn es fehret schnell dahin / als flögen wir davon.
Welchen Spruch wir auch gerne für vns nehmen / auff daß wir Wort vnnd Exempel
bey einander haben / das Wort von dem kurtzen mühesehligen Leben hören wir / das
Exempel sehen wir jetzo vñ sonst offt für Augen / darumb wollen
wir mit Christlicher Andacht / nach dem fürgesetzeten Spruch / die mühseelige
Kürtze des Menschlichen Lebens / also betrachten / daß wir dadurch weise vnnd
zur seeligen Ewigkeit geführet werden / Gott gebe dazu seine Gnade / Amen.
BEy Erklärung des vorgenommenen Spruchs / habenExegesis Explicat 1. subjectum, quae nam dicatur vita
nostra. wir vor auß vns zu erinnern / wie das Leben
zweyerley sey / Erstlich haben wir ein natürlichs fleischliches Leben / welches
wir durch das Fleisch / Krafft der Natur empfangen haben / dazu dann gehöret
alles was der Mensch auß blossen natürlichen Kräfften redet vnd thut / als Essen
/ Trincken / Schlaffen / Wachen / Krieg führen / vnd Regieren / grosse Weißheit
/ Gewalt / Pracht vnd Ansehen in der Welt haben / dieses heisset eigentlich
vnser Leben / vnd eben darumb es vnser ist / ist es auch ein böses Leben / denn
ob zwar die Lebens Kräffte an jhn selber gut vnd Gottes Geschöpffe seyn /
Gen. 6, 5. c. 8,
21.doch weil es heist wie Gott saget / das Tichten vnd Trachten des
Menschlichen Hertzen ist böse von Jugend auff vnd immerdar / so gilt für Gott
nichts / was ein Natürlicher Mensch auß natürlichen Kräfften / für nimbt vnd
außrichtet / vnd hette es auch noch so einen grossen Schein für der Welt.
Diesem ist entgegen gesetzet ein ander Leben das Geistlich Gal 2, 20.ist / davon
Paulus saget: Was Ich lebe / das lebe Ich im Glauben JEsu Christi / der mich
geliebet vnd sich selbsten für mich gegeben hat / das bestehet in einer newen
Geburt / wann der Mensche durch den H. Geist in Christo JEsu auffs newe
geschaffen wird / daß Er ein Kind Gottes sey. Dazu gehöret alles was der Mensche
thut zu Gottes dienst vnd Ehre / auß den Kräfften des einwendig newgebornen
Menschen. Das heisset denn eigentlich nicht ibidem.vnser Leben sondern das Leben JEsu
Christi / wie abermahl Paulus saget: Nun lebe nicht ich / sondern Christus lebet
in mir.
Wann dann Moses in vorgenommenen Sprüchlein vber eine müheseelige Kürtze vnsers
Lebens klaget / siehet er für ne mblich vnd eigentlich auff das Leben / das
eigentlich vnser Leben ist / nemblich auff den natürlichen Wandel des Fleisches
/ sampt aller Herrligkeit die ein Mensch nach dem Fleisch in der Welt haben kan
/ dann von dem Leben das wir in Christo / oder vielmehr Christus in vns führet /
haben wir ein besseren Ruhm / dann weil Christus selbst der Gläubigen Leben ist
/ so ist das Leben der Gläubigen nicht kurtz / sondern Ewig / nicht verdrießlich
/ sondern seelig / was auch ein Christ auß
den Kräfften des Glaubens thut
oder leydet / muß auch nicht gantz verlohren seyn / jhre Wercke folgen jhnẽ nach / was nach dem Fleisch in vnserem Leyden müheseelig vnd
verdrießlich ist / muß auffhören / es lesset aber hinder sich eine vnendliche
wichtige Herrligkeit. Darümb müssen wir auff dißmahl vnsere Gedancken gantz
kehren / zu dem fleischlichen Wandel der Welt / vnd was sich bey solchem
fleischlichen Wandel zu träget / es sey armselig oder köstlich.
Bey solchem vnserm Leben gibt vns Moses zu bedenckenII. Praedicatum qued duplex. zweyerley
die Kürtze vnd die müheseeligkeit / were es alleine ein kartzes Leben / were es
nicht groß zu achten / wanns schon voller Frewden were / weil es aber dazu noch
mühesehlig ist / so gilt es desto weniger.
Die Kürtze vnsers Lebens wird beschrieben mit diesenI. Vitae brevitas. Worten: vnser Leben
wehret 70. Jahr / wanns hoch kömpt / so sinds Achtzig Jahr Es geschicht ja wol
daß es auff Neuntzig / auff Hundert Jahr / vnd wol drüber / kömpt / doch
widerfehrt solches auß Hundert Tausent kaum einen / doch gesetzet das es vielen
widerfahre / vnnd dieselbe nicht allein an Hundert / sondern / wie in der ersten
Welt / gar an Tausent Jahr gelangẽ / so heists doch nur ein
kurtzes Leben. Dann erstlich besteht das Leben in einen stetigen Ablauff / je
höher die Jahre wachsen / wie mehr das Leben abnimpt / denn es verflisset sich
jmmer mehr vnd mehr. Ist eben wie mit einer Glas Vhr / die verschüttet sich
nicht mit einmahl / sondern verläufft sich mit der Zeit biß auff das ietzte
Sandkörnlein / da das Lauffen auffhöret: Also soll ein Mensch nicht gedencken /
daß er deñ allererst zum Tode nahe / wann er nun sterben solle /
sondern sein gantzes Leben / eylet zum Tode / der erste Augenblick seines Lebens
/ ist der erste Tritt zũ Tode / so manche Stunde vergehet /
so manche Meil kömpt der
Mensch neher zum Grabe. Hie ruhet man nicht / gilt auch kein Verschub / du
liegest oder gehest / issest oder spielest / deine Reise zum Tode gehet immer
fort. Dazu kã der Mensch nim̃er wissen wie nahe er
zum Ende kommen ist / muß immer sorgen / daß sein Lebenslauff sich ehe endige /
ehe eine Stunde vmb ist. Zwar die Menschen verheissen sich auch bey hohem Alter
noch langes Leben / halten sich nicht anders / als wann sie zu keinem Ende
kommen könten. Doch thuts kein Kluger / der wol weiß daß zu jeder Stunde sein
Leben sich endigen könne.
Ferner wann der Mensch 80. oder 100. Jahr erreichet hat / kan ich fragen / wo
hastu deine Hundert Jahr? Wo seynd sie geblieben? Wo wilstu sie wider finden? So
muß er bekennen: Ich habe so viel Jahr erreichet / vnd habe doch jetzt nichts
davon / sie seynd alle dahin geflogen. Wann nun alle seine Jahr dahin seyn / vnd
die letzte Stunde jetzt da ist / vnd der Mensch nun vor sich siehet die Ewigkeit
/ so empfindet er erstlich wie sein Leben so kurtz gewesen ist. Was er vor
sich sihet / das hat kein Ende / denn es heist von der Ewigkeit: Psal 90, 5.Tausent Jahr
seyn wie ein Tag der schon vergangen ist / vnd wie eine Nachtwache. Wann der
Mensch in der Ewigkeit zugebracht hat / so viel Jahr / als Minuten in Hundert
Tausene Jahren zu finden seyn / so ist er doch nicht auff ein Haarbreit näher
zum Ende kommen / kömpt auch nicht näher / wann er schon noch Hundert Tausent
mahl so viel Jahre zugebracht hat. Diß muß der Mensche außhalten / jhm sey wol
oder wehe. Sage nun / wie lang wird jhm sein voriges Leben auff Erden vorkommen
/ wann er zu rück gedencket / wanne schon Tausent Jahr gewehret? Wirds wol seyn
wie ein Tröpsslein gegen dem grossen Meer / wie
ein Sandkörnlein / gegen die
gantze Erde? Nein / nicht einmahl / denn das Meer / wie groß es auch ist /
bestehrt auß lauter Tröpfflein / deßgleichen die Erde auß lauter Stäublein / da
ein Stäublein zum andern kömpt / die zusampt einen grossen Hauffen machen. Nimpt
man da ein Stäublein vom andern / ein Tröpfflein vom andern / würde man doch
entlich zum Ende kommen / ob es schon lang wehren würde. Aber wann auch so viel
Hundert Tausent Jahr von der Ewigkeit gezogen würde / alß du erdencken kanst /
bleibt doch gleich viel über. Ewigkeit / Ewigkeit / wie lang werestu?
Was von des Lebens werung hie gesagt / gilt nicht allein vom Leben selbst /
sondern erstreckt sich auff alle fleischliche Herrligkeit des Lebens / es ist
alles kurtz vnd flihet davon. Wir selbsten seyn Staub / vnser Weißheit ist ein
Rauch / aller Pracht ein Schatten / grosser Nahm vnd Gerüche ein Wind; wie denn
die Heilige Schrifft alle Herrligkeit in der Welt / den aller geringschätzigsten
vnd allerflüchtigsten dingen gleich schätzet. Im Büchlein Job am 14. Cap. Der
MenschJob. 14, 1.
vom Weibe gebohren / gehet auff wie eine Blume / vnd fället abe / fleucht wie
ein Schatten vnd bleibet nicht. Im 20. Cap. Wann gleich des Menschenc. 20, 6. 7. 8. Höhe in
den Himmel reichet / vnd sein Häupt an die Wolcken rühret / so wird er doch zu
letzt vmbkommen / wie ein Dreck / daß die / für denen er ist angesehen / werden
sagen: Wo ist er? Wie ein Traum vergehet / so wird er auch nicht funden werden
vnd wie ein Gesicht in der Nacht verschwindet. So heist nun für Gott vnd in der
Warheit dit Herrligkeit eines
Weltmenschen nicht allein ein Traum vnd Schatten / sondern / das mehr ist / ein
Traum vnd Schatten der verschwindet. Ein Traum vnd Schatten ist an sich selbst
ein nichtig Bilde / in dem es aber bald verschwindet / ist es noch nichtiger. So
sihe Mensch / der du die Welt hoch achtest / sihe auff deinen Traum. Dir kömpt
manchmahl im Traum für ein lieblich Gesicht / das dir grosse Frewde bringet /
wann du erwachest / so ist es verschwunden / vnd ist dir offt leid / daß du der
lieblichen Gestalt nicht lenger hast geniessen sollen / doch hats müssen
verschwinden. Da hastu ein Ebenbild deines gantzen Wesens. Du belustigest dich
nun an deiner Weißheit / Reichthum / Ehr / Pracht vnd Schönheit Es ist ein Traum
/ spricht der Geist Gottes / vnd wird verschwinden. Wie spricht Ps. 102, 12.David im 102.
Psalm? Meine Tage sind dahm / wie ein Schatten / vnd ich verdorre wie Graß Im
144. Ps. 144, 4.Psalm:
Ist doch der Mensch gleich wie nichts / seine Zeit fehret dahin wie ein
Schatte.
2. Labor osa salamit as.
Das andere das Moses beym Menschlichen Leben bedencket / ist Müheseeligkeit /
weil Er spricht: Wanns köstlich gewesen ist / so ists Mühe vnd Arbeit gewesen /
man köndte gedencken / daß gleichwol mancher Mensch ist / welcher nicht viel
über Mühe vnd Arbeit klagen darff / man findet manchen / der vnserm HErren Gotte
gerne den Himmel ließ / wann er nur seine zeitliche Glückseeligkeit hier auff
Erden behalten könte / so fasse hie zum grunde diese Regel: Was dem Menschen
nicht nützen kan / nach dem Tode / ist nur für Mühe vnd Arbeit zu halten / auff
Ps. 39, 8.diese
Regel weiset vns David / wenn er spricht im 39. Psalm:
Die Menschen machen jhnen viel
vergebliche Vnruh / sie samblen vñ wissen nicht wer es kriegen
wird. Diese Wort machen vns eine solche Regel: Was nach dem Tode kein Nutzen
bringet / ist nur eine vergebliche Vnruhe / gesetzet nun / daß einer alle
Glückseeligkeit der Welt hat / die ein Mensche haben kan / so frage Ich / ob
jhme nach dem Tode in der Ewigkeit / davon etwas kan zu Nutze kommen / wo das
nicht ist / so hat er sich nur gemachet vergebliche Vnruhe / damit dz er die
zeitliche Glückseeligkeit gesuchet vnd geliebet. Eben dahin sihet auch Moyses /
nach dem er von vnserem Lebẽ spricht: wann es köstlich gewesen /
so ist es Mühe vnd Arbeit gewesen / setzet Er die Vrsache hinzu / denn es fehret
schnell dahin als flögen wir davon. Es wird ja im gemeinen Leben dafür gehalten
/ wenn einer sich viel bemühet vmb ein Ding das jhme keinen Nutzen bringet / daß
er sich vergeblich Mühe gemachet habe / also ist es mit aller Herrligkeit der
Welt / wann man lange darnach gelauffen / so fehret es dahin / was hat Er denn
mehr davon gehabt / als Mühe vnd Arbeit / wann dann dasselbe Leben / welches
sonsten in der Welt für dz köstlichste gehalten ist / in der Warheit nichts
anders ist / denn Mühe vnd Arbeit / was will man denn sagen / von dem Leben /
welches auch wir selbsten für Müheseelig achten.
Hierumb mag man das köstliche Wesen der Welt vergleichen / den Sodomitischen
äpffeln / wie man sagt / daß an dem Orth / da vormahls Sodom vnd Gomorrha
gestanden / Aepffel wachsen sollen / die ein lieblich Ansehen haben / wann man
sie aber anrühret / so fallen sie zu hauffe wie Asche: Die Menschen Kinder
prangen auch mit Reichthumb / Ehr vnnd
Pracht / das scheinet gewaltiglich ins fleischliche Auge / es wird
aber zu Asche / so mans im Geiste recht nach dem Grunde betrachtet hat.
Testimonia alia de brevi &
rumnosa vit a bominu.
Was nun Moses bekennet von vnserem Leben / wie es kurtz vnd Müheseelig sey / das
hat vor jhm bekant / seyn Groß-Vater Jacob / da Erfür Pharao gestellet / vnd
nach seinem Leben gefraget ward: Wenig vnd böse / (spricht er) ist die Zeit
meines Lebens / da haben wir einen von Gott sehr gesegneten Mann / welcher zu
der Zeit war 130. Jahr alt / doch helt Er die Zeit seines Lebens für wenig vnd
böse. Hette Jacob kein ander Leben gehabt / als darnach Pharao fragte / hatte er
noch mehr klagen müssen / vber die müheseelige Kürtze seines Lebens / er sahe
aber den Tag des HErren / vnd lebete im Glauben Gottes / das hielt er für seine
Seeligkeit / alles ander aber rechnet er mit / zu der Vergängligkeit vnd
Müheseeligkeit seines Lebens. Gleiches Vrtheil finden wir beym Job. 14, 1.Hiob am 14.
Cup. Der Mensch vom Weibe gebohren / lebet kurtze Zeit vnd ist voll Vnruhe. Wie
solches viel mehr wird erkand werden / von denen die schon eingetreten seyn / in
den Stand der Ewigkeit / mag man gleichsfals Job. 9, 25.an Hiob lernen / derselbe spricht:
im 9. Capittel Meine Tage sind schneller gewesen wie ein Läuffer / sie sind
geflogen / vnd haben nichts gutes erlebet / dieses hat geredet / ein Mann / der
hohes Alters gewesen vnd vorhin in grossen Reichthumb bey grosser
Glückseeligkeit gelebet; nach dem aber Gott sein Angesicht dem Ansehen nach von
jhm gewand hatte / kommen jhme seine Tage so kurtz vor / als weren sie wie ein
Vogel dahin geflogen / vnd das Gute so Er in sei -
nem Leben gehabt / ist
so verlohren / daß er nichts davon finden kan; eben so wird einem verdampten
Menschen sein Leben für kommen / wie lange vnd köstlich es auch gewese. Würdestu
jhn in der Qual / die Ewig ist / zu trösten gedencken mit solchen Worten /
gedencke daß du dein guts empfangenLuc. 16, 25. hast in deinem Leben / so wird er bekennen mit
Hiob / meine Tage sind schneller gewesen denn ein Läuffer; sie seyn geflogen /
vnd haben nichts gutes erlebet.
O daß wir nun weise weren / vnd betrachtetẽ solches! wieU SUS ad sapientiam.
denn zu solchem Ende Moses diesen Spruch von der Kürtze vnd Mühseligkeit des
Menschlichen Lebens vns geschrieben vnd vorgebetet hat / denn er kurtz hernach
in diesem seinem Psalm spricht: Lehre vns bedencken / daß wir sterbenPs. 90, 12. müssen /
auff daß wir klug werden.
Diese Weißheit bestehet erstlich in der Erkäntnüs von1. Didacticam; Splendorem mundi rectè dijudicãdi. der Welt Pracht vnd Herrligkeit recht zu
vrtheilen. Die Menschenkinder halten viel davon / vnd also viel / daß jhr gantz
Hertz darauff stehet / vnd davon lassen sie sich nicht bringen. Verstunden sie
was Moses geredet / oder glaubten sie daß es wahr were / würden sie etwas
geringer von der Welt halten.
Wolten wir ja nicht glauben / dem / das in Gottes Wort geschrieben steht / solt
vns doch der Augenschein klug machen. Es zeuget ja augenscheinlich von vnserm
kurtzen vnd mühseligen Leben / die Stunde der Geburt vnd des Todes / vnd vnsers
gantzen Lebens Lauff. Mit was Mühe wird der Mensch an die Welt gebohren? Vnd
wann er gebohren ist / was für eine vnbeholffene Creatur ist er? Ein nacktes vnd
mit Tüchern gebundenes Würmlein; bringt mit sich ein offenes Köpfflein / ein
Zeugnis der högsten Schwach -
heit. Kan im geringsten jhm selbst nicht fort helffen / wie er wan
andere Thierlein thun können. Er kan weder gehen noch stehen / lernet von jhm
selber weder reden noch essen. Nicht bessers kan er als weinen vnd heulen / das
ist seine erste Stim̃ / damit ist er sein eigen Prophet / vnd
bezeuget daß er zu einem kläglichen Leben gebohren wird / darinnen er mehr zu
erwarten hat / daß man zu beweinen / als darüber man zu lachen hat. Vnd scheinet
als wann er mit Pein vnd Marter / Verdruß vnd Vnwillen sein Leben anfänget. Das
doch ein Mensch so töricht ist / vnd darff jhm einbilden / daß so ein
kümmerlicher Anfang seines Lebens jhn zu Vppigkeit / Stoltz vnnd Hochmuth
aufferzogen habe! Bedencken wir den Fortgang des Lebens / wie viel Kranckheiten
/ wie viel Vnglück findet man in der Welt? Vnd lebet kein einiger Mensch der
sagen darff / daß er für einem einigen Vnglück versichert sey / da wir offt mehr
auff Dornen als auff Rosen tantzen müssen. Vnd daran kan ein Mensch mit seiner
Liebe so sehr kieben! Kommen wir auff den Todt / was finden wir für Angst bey
den Sterbenden / wann die Seele soll ausfahren / Wie muß das Hertz offt
arbeiten? Was für eine Gestalt vnd Geruch empfinden wir bey dem Todten Cörper?
Weren wirs nicht gewohnet / so manchẽ Todten für vns zu sehen /
würden wir für der Angst eines sterbenden Menschen vnd scheußligkeit seines
verstorbenen Cörpers vns nicht wenig entsetzen. Noch mögen wir vnser Welt Leben
hoch achten / vnd so hoch / als würde es ewig bleiben! Man möchte sich fast
wundern / wie es zugehe / wann der Mensche für augen sihet an seinen nechsten so
manchen Jammer / die Vnbestendigkeit des Glücks; so manchen Todten / vñ sich dennoch frey schätzen darff für den Todt vnd
vnglückseeligen Tagen. Man soll aber wissen / daß
solches des Teuffels Werck sey
/ wann wir vns ferne schetzen von dem Jammer / der vns doch nechst für der Thüre
stehet.
Doch ist der Jammer der für augen vnd sichtbar ist / bey vnserm Leben nur der
geringste / das grösseste ist vnsichtbar / vnd trifft die Seele. Die Alten haben
diß für gebildet in einer solchen Figur. Es flihet ein Mensch für einem
grawsamen Einhorn / vnd im fliehen fellet er in eine abscheuliche tieffe Gruben
/ im Fall ergreifft er ein Zweiglein einer Stauden / daran erhelt er sich /
folgends aber wird er gewar zweyer Mäuse / die vnauffhörlich an der Wurtzel der
Stauden nagen / vnd fast auff die Helffte gekommen seyn; da schlegt er seine
Augen vnter sich / vnd sihet in der Gruben einen gräwlichen Drachen / der Fewer
ausspeyet. Da er weiter in dieser Angst seine Augen hie vnd dort hinwendet /
sihet er vber diß alles etliche gifftige Schlangen Köpffe aus der Hölen herfür
krichen. Endlich erhebt er seine Augen über sich / vnd sihet etwas Honig auff
den Blettern der Stauden / daran er mit solcher Begirligkeit sich erlustiget /
daß er aller Gefahr vergist / vnd seyn gantzes Hertz darhin richtet / wie er nur
des Honiges mehr haben könne. So vnd nicht anders stehet es mit einem Menschen
der die Hochheit vnd Ergetzligkeit der Welt suchet vnd liebet. Vnser Leben wird
benaget vnauffhörlich von Tagvnd Nacht / als von zwo Meusen / vnd müssen alle
Augenblick warten / daß der Baum vmbfall. Vmb vns ist allerley Schrecken vnd
Vnglück / vnter vns die grawsame Hellenglut. In diesem Jammer sehen wir auff die
Lustigkeit des Weltwesens / das nimpt vns also ein / daß wir weder nach dem
Himmel vns sehnen / noch für der Hellen erschrecken. Solche Krafft hat die Welt
mit jhrer Pracht / Ehr vnd Reichthumb. Sie verblendet vns / daß wir keiner
Gefahr achten:
wie mehr wir
das Hertz zu jhr wenden / wie mehr es vns einnimpt. Also gefelt es vns wol mit
frewden vmbkommen vnd ewig verderben.
1. Cor. 7, 31
In der 1. an die Corinther am 7. finden wir solche Vermahnung / daß die dieser
Welt brauchen / derselben nicht mißbrauchen / denn das Wesen / oder / das
Schattenwerck dieser Welt zergehet. Dadurch werden wir auff solche Gedancken
geführet / als sey die Welt ein Schaw-Platz / darauff Gott eine Comedia spile.
Die Zier aller Comedien ist vielfältige seltzame Verenderung. Das nimpt Gott hie
auch in acht / braucht mancherley Personen / vnd lest dieselbe in mancherley
Fäll gerahten. Vnd wann eine Person außgespielet / wird er von dem Schawplatz
weggenommen / vnd erscheint nicht wieder. Da ziehet jhn Gott den Rock auß /
hastu denn nichtes mehr / so fehrestu lehr vnd bloß dahin / bleibst lehr vnd
bloß in Ewigkeit. Das bilde dir wol ein lieber Christ / es kan viel gutes bey
dir wircken. Bistu eine ansehnliche Person / so sprich vnser HErre Gott hat mir
auff diese Stunde eine ansehnliche Person zu seyn befohlen / hat mir dazu auch
den Schmuck angeleget / was Morgen oder Vbermorgen ich für einen actum halten
soll / weiß ich nicht / vieleicht hat mein Spiel ein Ende / so gehe ich davon
vnd lasse andere weiter spielen / vnd laß alles Spielwerck dahinden / es sey
Hohn oder Krohn. Daß einer sein Leben höher halten vnd ehren wolle / ist lauter
Thorheit.
Wer nun wil klug seyn / der fange an sein Leben zu erkennen / daß er weiß was
davon zu halten sey oder nicht / denn ich halte dafür / daß der aller erst
anfange etwas zu seyn / der da erkennet / wie gar nichts er sey. Hingegen / wann
mir solche
Gedancken einfallen
/ dz ich etwas bin / so rede ich mich ein vnd spreche: Nun sehe ich / daß ich
ein Narr bin / dieweil ich noch will etwas seyn. Was wir gutes seyn / das seynd
wir von der Gnade Gottes / das ist aber nicht vnser. HErr lehrePs. 39, 6. 7. doch mich
/ daß ein Ende mit mir haben muß / vnd mein Leben ein Ziel hat / vnd ich davon
muß. Sihe / meine Tage sind eine Handbreit bey dir / vnnd mein Leben ist wie
nichts vor dir / wie gar nichts sind alle Menschen / die doch so sicher
leben!
Wann der Mensch erst so klug geworden / daß Er verstehetII. Hortatoriam. Se ad aeternitatem
praeparandi. / wie eytel / wie kurtz vnd mühsehlig sein
Leben sey / kan er leicht in der Weißheit zunehmen / also daß er sich bey Zeit
schicke zu der Ewigkeit / da entweder ist Ach vnd Weh / oder Frewd vnd
Wonne.
Ich will nicht viel sagen von den hellischen Schmertzen / Stanck vnnd Angst /
welches / wiewol es vnerträglich ist / dennoch ertäglich seyn würde / wann es
einmahl ein Ende erreichte. Ich wil nur setzen / daß du sollest auff ein weich
Bette geleget / vnd mit stricken also angebunden werden / daß du dich von einer
Seit zur andern nicht bewegen könnest / vnd sollest solch Gefängnis außhalten /
ohne auffhören vnd Ende. So frage ich / ob dir solch vnauffhörlich Liegen nicht
würde über alle maß verdrießlich werden. Es wird aber mit dir O du verdampte
Seele nicht dahin kommen. Dein weichstes Läger wird seyn der fewriger Pfuel der
von Pech vnd Schwefel brennet. Darin bleibstu verstrickt mit allen höchsten
Widerwillen / Verdruß / Murren / Pein vnd Schmertzen / vnd hast in alle Ewigkeit
kein Auffhören oder Verenderung zu hoffen. O Ewigkeit / O Ewigkeit / wie lang
werestu! Wañ
su Hundert Tausent Jahr in
diesem Pfuhl gebadet / bistu doch nicht ein Viertel Stunde neher zum Ende
kommen. Vnd kompt noch Hundert Tausent Jahr darzu / bleibstu gleich weit vom
Ende. O daß du es hie bedencken möchtest du arme Seele! Wann das grosse Meer der
Welt glüend were / vnd würdest darin geworssen / mit solcher Hoffnung / daß du
keine andere Schmertzen als von der Glut allein soltest empfindẽ
/ vnd allemahl nach Hundert Jahr ein Tröpfflein an dem glüenden Meer solte
versiegen / würde es gegen der Hellische Verdamnüs dir ein erträgliches Leyden
seyn / vnnd solte einem Verdampten diese Botschafft in der Hellen gebracht
werden / würde er sie mit grosser frewden annehmen. O ein armseeliges Evangelium
/ für die / so hier dem Evangelio Christi nicht gläuben wollen / vnd wird jhnen
doch nicht werden. Was wirstu dazu sagen? Dein ewiger Gesang wird seyn: Ach /
ach! Weh / weh! O Ewigkeit / O Ewigkeit! O vnauffhörliche Ewigkeit!
Hie ergetzen wir vns offt über die Gedächtnüs der Sünden. Wanns da auch so were /
so mochts ein gut Dinck für dir seyn. Aber es wird da nicht mehr lachens Zeit
seyn. Was du an Frewde auß den Sünden / oder Behegligkeit aus deinem eignen Sinn
gehabt / das ist dahin. Im übrigem wird GOtt die Sünde lebendig machen / zu
einem Wurm / der die Seele naget vnd nicht stirbt; zu Stroh vnd Pech / das sey
eine Speise / des fewers / das deinen Leib peinige vnd brenne vnd nicht
verleschet. Hastu durch dein Vngerechtigkeit etwas gewonnen / durch Falschheit
je mand betrogen / durch List oder Gewalt jemand betrübet / durch vollziehung
der fleischlichẽ Begierden deinen Willen gesettiget / dz mustu
ihewr gnug bezahlen. Darumb schicke dich zur Ewigkeit.
Es ist ja wol das jegenwertige Leben / wegen vieles Leyden / vieler Vnruhe vnd
Widerwillens ein jämmerlich Leben / das billich zu beweinen ist / doch ist der
sehr glückseelig / der sein Weinen hie endigen kan / vnd nicht Noth hat nach dem
Tode zu weinen. Denn das wird zu kläglich lauten.
(Ille unus felix qui fletum jam egerit omnem, Ne lachrimas stillet post sua fata
novas.)
Wir hören vnd erfahren in dieser Welt viel von mancherley Qual vnd Pein des
Leibes / gilt aber alles nichts gegen der Hellen Pein. Daran solte doch ein
Mensch gedencken / wann er bey jhm selbsten oder bey andern klägliche Leibes
Schmertzen findet. Der HErr spricht / beym Luea am 12.Luc. 12, 5. Fürchtet euch nichts für
denen die den Leib tödten / vnd darnach nichts mehr thun können / ich wil euch
aber zeigen für welchem jhr euch füchten solt / fürchtet euch für dem / der nach
dem er getödtet hat / auch Macht hat zu werffen in die Helle; Ja ich sage euch
für dem fürchtet euch. Es helt vnser lieber Heyland gegen der Hellen Pein
erträglich / ja für nichts außzustehen alle Pein die vns von Menschen immermehr
können angeleget werden.
Du solst nicht sagen; Es ist noch ferne dahin. Dann wer weiß / ob du nicht diesen
Tag oder diese Woche müssest in den Stand deiner Ewigkeit tretten. Henricus der
ander König in Franckreich / machet seiner Tochter zu Pariß im Jahr 1559 eine
Königliche Hochzeit / da es an keinen Frewden hat mangeln müssen. Wer hat dem
König dürffen sagen / das mitten in dem Frewdenfest er sein Leben solte endigen?
Da suchte man nicht / sals was dem Leibe Frewd
vnd Wonne bringen möchte. Da
saß der König vnter einem gemeinen Wolleben vnter den Spiel vnd Turnieren / da
zerbrach ein Spieß im Turnitren / davon flohe ein Splitter / vnd drang mit
solcher Hefftigkeit in des Königes Auge daß er die Seele aussties. Solche
Exempel erfahren wir viel. Was ists deñ dz du sprichst: Ich bin
noch weit von der Thür der Ewigkeit? Wisse vnd betrachte es wol / wañ du es versihest im Sterben / vnd stirbst nicht recht / so
versichstus nur einmahl / vnd kanst in alle Ewigkeit nicht hoffen / du wollest
es auffs ander mahl besser machen. Darumb sey vorsichtig allezeit / vnd schicke
dich zu der Ewigkeit.
Es entsetzet sich zu weilen noch mancher Mensch dafür / wann jhm die Helle für
gemahlet wird / aber es wehret nicht lange / so ists vergessen. Darin seynd sie
gleich den Dieben / die offt für einen Galgen fürüber gehen / gedencken doch
nicht daran / daß sie auch einmahl daran sollen geknüpffet werden / auch nicht /
wie sie sich bessern wollen / dem Galgen zu entlauffen / oder so sie ja einmahl
daran gedacht / vergessen sies wieder / so bald jhnen die Gelegenheit / einen
guten Raub an sich zu bringen / an Hand gibt. Einem Dieb kan es gelücken / daß
er dem Galgen seiner Hoffnung nach entlauffe / der Hellen aber wird ein
Vnbußfertiger / der von vngöttlichem Leben vnd böse Lüste nicht ablassen will /
nicht entlauffen / er mus nur gewiß einmahl hinein / vnd vielleicht ehe als ers
vermeynt; Darumb schicke dich zu der Ewigkeit.
Wann schon kein einige Pein zu fürchten were / müste es doch eine grosse
Vnbesonnenheit sein / vmb einen geringen vnd kurtzen Wolstand das ewige Wolleben
hinderansetzen.
Es hat ein berümbte Kirchen Lehrer gesagt / das die Liebligkeit des Himlischen
Liechts so groß sey / daß einer der nur
eine Stunde über darin seyn solte / Vnzehliche Jahre dieses gegen
wertigen Lebens / wann sie schon voll wehren aller Wollusten vnd Reichthumbs /
recht vnd billich dargegen verachten würde. (Aug. tom. 1. l. 3. de lib. arb. c.
ult. Tanta est jucunditas lucis aeternae, ut etsi non liceret amplius in ea
manere, quam unius drei morâ, propter hoc solũ innumerabiles anni
hujus vitae, pleni delitijs & circumfluentiâ temporalium bonorum, rectè
meritòq; contemnerẽtur.) Daß solches wahr sey / dessen soll
ein Zeuge sein der Mann Gottes / der auß dem Geist Gottes vnd aus der Erfahrung
spricht im 84. Psalm: Em Tag in deinen Vorhöfen /Ps 84, 11, ist besser denn sonst Tausent.
Wann ich Tausent vnd mehr Tage zugebracht hette in der höchsten Ergetzligkeit /
welche die Welt mit jhrer Lust erwecken kan / vnnd ein ander hette nur einen Tag
vber / sich in Gott erfrewet / wie dann auch Gott hie in diesem Leben durch
heylige andächtige Betrachtungen die gläubige Seele ergetzet / so solte ich mich
billich gegen solchen Menschen sehr vnglückseelig achten: Wann dañ die leibliche Ergetzligkeit dieser Zeit nicht auff das tausente Theil so viel
werth ist / als die Geistliche Ergetzligkeit / die eine fromme Seele hier an
Gott hat / was solte sie dann gelten gegen der vnendlichen vnabmeßlichen
Seeligkeit / die wir künfftig in den Göttlichen Schawen haben werden.
Was thut aber die Welt? Sie helt sich gleich einen bösen Krämer / der vmb einen
Löffel voll Bier dahin gibt ein köstlich Kleinod / dafür er mehr den Tausent
Thaler hette können einheben. Ihr Weltliebenden Hertzen / jhr suchet wol Schätze
vnd Ehr in dieser Welt / jhr bedenckt aber nicht was für einen Schatz jhr dar
gegen verliehret. Was ists darauff ewer Hertze steht? Ein Wind / ein Rauch / ein
Traum / ein Schat -
ten.
Was wolt jhr mit dem jrrdischen Schmuck anfahen / wann jhr nun todt seyd? Was
kans euch schaden / so jhrs nicht gehabt / wann jhr nur den Himmel werdet
erreichet haben? Was wirds euch helffen / so jhrs gehabt / vnd des Himmels
entberen sollet? Daß jhr doch weise weret!
Der Geist Gottes ermahnet vns durch Paulum zun Gal. 6. 9. 10.Galatern am 6. Lasset vns guts
thun / vnd nicht müde werden / denn zu seiner Zeit werden wir auch erndten ohn
auffhören; Als wir nun Zeit haben / so lasset vns gutes thun. Diese Ermahnung
treibet vns dazu / das wir die Zeit in acht nehmen. Vnser Gelt zerstrewen wir
nicht leicht hie vnd dort hin / aber vber vnser Leben seynd wir freygebig /
theylen es vnter Wollust / Müssiggang / vergeblichen Sorgen vnd vielen eyteln
vnrechtfertigen Händeln. Das wenigste von vnserm Leben / oder gar nichts davon /
muß Gott haben. Also wird das kostbareste das wir haben vnwerth Gal. 6, 7. 8.geachtet. Es
hanget an dieser Zeit die Ewigkeit / Denn was der Mensche seet / daß wird er
erndten / wer auff sein Fleisch seet / der wird von dem Fleisch das Verderben
erndten / wer aber auff den Geist seet / der wird von dem Geist das ewige Leben
erndten. O wie könte der Mensch jhm so eine reiche Ernte bereiten / wann er nur
klug were!
Wem zu rahten ist / dem rahten wir / er bedencke wie sein Leben eytei / kurtz vnd
mühseelig ist / vnd bereite sich zur Ewigkeit. Es sey kein Augenblick / darin du
nicht gedenckest zu stehen für der Thür der Ewigkeit. Hie ist im Fleisch eine
geringe Ergetzligkeit / die Pein die folget ist schwer vnnd ewig.
Hie findestu ein klein Leyden
/ wann dudein Fleisch ereutzigen vnd die Welt verleugnen sollest / aber ewig vnd
vber die masse herrlich wird der Lohn seyn. In Ewigkeit / in Ewigkeit / werden
die Gottlosen brennen / in Ewigkeit in Ewigkeit werden die Gottseeligen sich
frewen. Darumb thue gutes weil du Zeit hast / flihe die Eytelkeit vnd lebe Gott
im Glauben / so schickestu dich recht zur Ewigkeit.
Diß ist das fürnembste Stück der Weißheit; wo manIII. Consolatoriam advers9adversus afflictiones se
erigendi. sich also zur Ewigkeit geschickt / ists nicht
verdrießlich / sondern erfrewlich / daß das Leben kurtz ist / es sey erfüllet
mit Frewd oder Trübsaal / alldieweil das Christliche Hertz sich gewendet hat zur
Ewigkeit; gleich wie es dann sich nicht erhebet über den falschen Schein
gegenwertiger Herrligkeit / also verzagt es nicht in Mangel oder in der
Empfindligkeit des Jammers vnd Trübsaals / denn es gedencket an die
Ewigkeit.
Das gehöret dann mit zur Weißheit / das mit der Betrachtung der schierkünfftigen
Ewigkeit ich mich auffrichte in zeitlicher Dürfftigkeit vnd Noth. Das
Gegenwertig ist gering zu schätzen / wann ich nur Theil habe an dem Gut das ewig
bleibt im Himmel.
Eins ist das best / Das macht mich fest / Das zeitlich muß verschwinden. Das
ewig' Guth / Macht rechten Muth / Gott helff uur überwinden.
Es hilfft einem Christen / der betrübt wird / wann er hie in der Welt dahinden
bleibet / sehr forth / wann er dran gedencket / wie das gegenwertige Wesen der
Welt nur ein Schattenwerck sey / was beküm̃erts dem groß / der in
einem Schawspiel eines Bauren Person muß an sich nehmen / da ein ander
ein König wird / weil er weiß
daß er drumb nicht fort allzeit ein Bawer bleibe. Das Schattenwerck dieser Welt
vergehet / was wir im Himmel empfangen / das bleibet.
In diesem Stücken bestehet die Weißheit / darumb eine Christliche Seele / in
Betrachtung der mühseeligen Kürtze des gegenwertigen Lebens / mit Mose bittet:
HErr lehre mich bedencken das ich sterben muß / auff daß ich klug werde. Sie
begeret zu erkennen / wie kurtz vnd vnwert das Weltliche Wesen sey / auff daß
sie sich nicht demselben ergebe / sondern auff ein bessers vnd beständigers Gut
gedencke; vnd dann auch das sie in Betrachtung der künfftigen Seeligkeit darauff
wir warten / zeitlichen Mangel geduldiglich ertrage. Das ist eine rechte gute
Weißheit / denn sie richtet vnser Thun zum rechten Ende. Gleich wie das ein
vnsinniger Läuffer ist / der nur nach lustigen Bäumen läufft / vnd zu keinen
Wege sich helt / auch nicht an sein bestimptes Orth gedencket; also seind
dieselbige tausentmahl vnsinniger die das gegenwertige erwehlen / vnd schlagen
das ewige Gut mit Gefahr der ewigen Hellenpein in den Wind; Doch wollen sie die
klügste seyn. Wiltu von solcher Vnsinnigkeit frey seyn / so achte das Leben
dieser Zeit nicht für lang / noch für seelig / vnd gebrauch deiner Zeit also /
daß du das ewige Gut darin gewinnest. Im Tode weistu nicht ob du so viel Zeit
wirst haben / deine Seele Gott zubefehlen / darumb so thue es nun / vnnd Act. 7. 59.spricht
täglich mie dem heyligen Stephano: HErr JEsu nimb meinen Geist auff / sie ist
nicht mein / sie ist dein / du hast sie theur er kaufft / so nimb JEsu was dein
ist / vnd regiere meine Seele so lange ich lebe mit deinem Geist / vnd wann ich
nun von dieser Welt scheiden soll / so nimb sie zu dir in deine
Seeligkeit. Ja lieber HErr
JEsu / erbarme dich vnser nach deiner grossen Barmhertzigkeit / wir wissen nicht
was vns begegnen werde / wann vnd wie du vns wirst abfodern / darumb flihen wir
bey Zeit zu deiner Barmhertzigkeit / vnd befehlen vns in dein Blutwallendes
Hertz / in deine Hände befehlen wir vnsere Seele / du hast vns erlöset HErr du
getrewer GOtt / AMEN.
NVn sollen wir nach Christlicher Gewonheit etwasCommendatio Defuncti. gedencken von dem
Lebenslauff vnsers verstorbenen vnd nunmehr in Gott ruhen den Herrn / des
weyland WolEdlen / Gestrengen vnd Vesten Gebhart Moltken / Fürstlichen
Mecklenburgischen gewesenen Landrahts / vnd Provisorn des Adelichen
Jungfräwlichen Klosters Dobbertin / auff Teutenwinckel vnd Wesseistorff
Erbgesessen. Er hat ja wol ein hohes Alter erreichet / hat sein Glück vñ Ansehen in der Welt gefunden / solches aber ist dahin / vnd hat
sich von allem nichts mehr zu erfrewen / ohn allein was er im Glauben JEsu
Christi gelebet hat / wie dann auch vnser in Gott ruhender Herr / noch bey
seinen Leben die Eitelkeit vnd Nichtigkeit des natürlichen Lebens wol erkant
vnnd betrawret / vnd hingegen eines guten Wandels in Christo JEsu von
Hertzengrund sich angenommen hat.
Dem Fleische nach ist er entsprossen aus dem Vhralten Adelichen Geschlechte der
Moltken / welches in den beyden Fürstenthümbern Mecklenburg vnnd Pommern über
600. Jahr in grossen Ansehen gewesen / wie dann allemahl Rittermessige tapffere
Leute aus demselben entsprossen / allermassen noch heutiges Tages zu Bahrt in
Pommern in jhrer daselbst gehabten ErbCapell / auch sonsten zu ersehen.
Doch aber ist ein mahl dieses
gantzes WolAdeliche Geschlecht auff eine einige Person gefallen / vnnd also auff
schwachen Füssen gestanden / in dem vom gantzen Geschlecht niemand mehr über
gewesen als ein einiger / welcher mit diesen in Gott ruhenden Herrn gleiches
Nahmens / vnd sein Großvatter gewesen. Derselbe ist her nach von Gott mit 9.
Söhnen gesegnet / durch welche das Moltken Geschlecht wieder nach Gottes Willen
außgebreitet worden / der Getrewe Gott wolle es weiter gesegnen / vnd vnter
seine Gnadenflügel jhm lassen befohlen seyn.
Der Vatter dieses Verstorbenen vnnd in Gott seeligen Herrn / ist gewesen / der
Weyland WolEdler / Gestrenger vnd Vester Baltzer Moltke / auff Wesselstorff /
Teutzen vnd Newenkirchen Erbgesessen. Die Fraw Mutter ist gewesen die Weyland
WolEdle / Ehr- vnd Vieltugendsahme Frawe Anna Behren / vom Hause Letznow. Die
Groß-Mutter von des Vatern wegen / eine von der Lüe von Koltzow. Die Groß Mutter
von der Mutter wegen eine von Bredowen vom Hause Renßborg aus der Marcke. Die
Elter Mutter von des Vatern wegen / ein Wolgebohrnes Frewlein von Putlitz. Die
Elter Mutter von der Mutter wegen / die WolEdle Fraw Anna Hoben.
Aus diesem WolAdelichen Ansehnlichen Voreltern ist der WolEdler jetz in
Gottseeliger Herr Gebhard Moltken / dem Fleisch nach entsprossen / vnnd Im Jahr
1567. den 25. Octobr. an diese Welt gebohren / weil aber vom Fleisch nichts
anders denn Fleisch gebohren wird / Fleisch aber das Ewige Leben nicht besitzen
kan / ist er durch Gottes
Gnade / vnd Christliche Vorsorge seiner lieben Eltern zur Heyligen Tauffe
gebracht / daß Er darinnen wiedergebohren / vnd zum Kind vnd Erben Gottes /
durch Christum JEsum auff genommen würde. Nachmahlen ist er auch mit Fleiß zur
Gottes Furcht vnd Adelichen Tugenden gehalten / biß Er ins 16. Jahr seines
Alters, anhero nach Rostock / auff die Vniversität verschicket / vnnd der
Inspection des Weitberühmten / Hochgelahrten Christ-Seeligen Theologi D. Simonis
Pauli anvertrawet / vnd 4. Jahr verblieben / darunter er auch in Gottes Furcht
vnd guten Künsten rühmlich zugenommen / also daß Er von hie nach der
Weitberühmten Vniversität zu Jena verschicket / an welchem Orte er drey Jahr dem
studio juris ob gelegen / auch vor seinem fürderreisen / vnter einem für nehmen
Juristen Arnoldo Reyern / welcher einer vom Adel / vnd damahls Professor zu Jena
gewesen / eine Disputation gehalten / De Usu Fructu, von da er sich weiter gen
Ingolstadt begeben / vnd daselbsten anderhalb Jahr / bey dem Hochgelahrten vnd
Berühmten JCTO. Oberto Giffanio, am Tische sich auffgehalten. Weil Er dann auff
jetzbesagten Academien in theoria ein ziemblich Fundament gelegt / ist Er
nachmahls nach Speyer / an das Käyserliche Cammergerichte gereiset / vnd ein
Jahr daselbst / des Processus Juris in etwas kündig zu werden / sich auff
gehalten. Endlich nach dem Er 10. Jahr an frembde Oerter sich auffgehalten /
vnnd seinem Seeligen Vater die Verwaltung aller Güter / wegen erlangeten
zimblichen hohen Alters / etwas mühesam gefallen / ist Er zu Hause gefordert /
vnd mit Hertzlicher Frewde der El -
tern glücklich angelanget. Worauff sein Hertzlieber Vater
die Güter / Tutzen vnd Newenkirchen / jhme abgetreten / weiche Er willig
angenommen / vnd müglichst fürgestanden / biß Er auff gutachten seiner
Hertzlieben Eltern vnd Verwanten sich verlobet / vnd im Jahr 1596. Ehtlich
beylegen lassen / die WolEdle Viel Ehr vnd Tugentsahme Jungfraw / Anna von
Walßleben / Weyland Otto Walßlebens / auff Buschmühle / Leistenaw vnd Hagen
Erbgesessen / Eheleibliche Tochter / mit welcher Er ein recht friedliche vnd
ruhesame Ehe gehabt / auch in derselben 2. Söhne vnd 2. Töchter gezeuget / als
den Wolwürdigen / WolEdlen / Gestrengen / Balthasar von Moltken / Canonicum des
Ertzbischöfflichen Stiffts Kirchen S. Sebastian binnen Magdeburg / vnd den auch
WolEdlen / Gestrengen vnnd Vesten Otto Friederich von Moltken / auff Nikör
erbgesessen. vnter den Töchtern ist die Eltere Anna Sophia Moltken / welche nach
Göttlicher Außversehung verlobet vnd vermehlet worden / dem WolEdlen /
Gestrengen vnnd Vesten Georg von der Lüe / Weyland auff Ilaw Erbgesessen / aber
nach Gottes Raht vnd Willen ist sie vor jhren Seeligen Vater durch einẽ Seeligen Todt von dieser Welt abgefodert. Die andere Margreta
Moltken / ist gleicher Gestalt durch Gottes gnädige außversehung / verlobet vnd
vermählet / an den WolEdlen / Gestrengen vnd Vesten Jochim Levetzowen / Weyland
auff Finstorff Erbsessen / welche durch Gottes Gnade anjetzo noch am Leben.
Von diesen seinen Kindern / hat er durch den Segen Gottes / Kindes Kinder / als
Aelter Vater / biß auffs dritte Glied gesehen.
Nach deme durch den zeitlichen Todt seiner in Gott ruhenden Haußfrawen / die
erste Ehe zertrennet im Jahr 1604. Ob schon vnerzogene Weißlein hinterblieben /
hat Er doch gantzer 7. Jahr im Wittwenstande außgehalten; Da aber im Jahr 1608.
dem Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnd Herren / Herren Carol / Fürsten
zu Meckelburg / Er zu einem Landrathe / von dem löblichen Collegio der Landräthe
fürgeschlagen / auch von Hochgedachter seiner Fürstlichen Gnaden / Hochseeligen
Andenckens / wegen seiner rühmlichen qualitäten angenommen vnd Confir mirt
wordẽ; auch über dieses das Gut Teutenwinckel durch einen
Kauff Erb- vnnd eigenthümblich angenommen / hat Er im Jahr 1610. anderweit / in
den H. Ehestand sich eingelassen / vnd die weyland WolEdle / viel Ehr- vnd
Tugentsahme Frawe Anna von Rotermund / Seel. Jochim Stralendorff auff Grawen
Erbsessen / nach gelassene Wittwe / sich Ehlich beylegen lassen / mit welcher er
gleicher gestalt nicht alleine eine Friedliebẽde / sondern auch
wolgesegnete Ehe gehabt / da sie der gütiger Gott mit 3. Söhnen vnd einer
Tochter begabet / davon doch 3. in der blühenden Jugend weggestorben / vnd nur
einer als der jüngste Jochim Friedrich Moltke noch im Leben.
In diesem betrübten Kriegeswesen / hat Er beydes Glück vñ Vnglück
erfahren müssen / wie in diesem gantzen Lãde rüchtbar vñ bekand ist / alldieweil Er endlich sich nach Lübeck zur Ruhe
begeben / allda Er bey 14. Jahr mit eingezognen Wandel nur allein dem Dienste
Gottes / öffentlich vnd daheime abgewartet. Es ist aber sein Vnglück mercklich
gehäuffet / da in seinem hohen Alter jhm seine Hertzliebe Haußfraw / durch den
zeitlichen Todt / von der seiten genommen /
welcher hoch betrübter Fall /
wie er jhm ein harter Stoß gewesen / also hat er auch bey jhm ein Verlangen
erwecket / sich anhero wider zu seinem Eigenthumb zubegeben / welches dann auch
ins Werck gesetzet / in dem Er etwan für anderthalb Jahr / nemblich den 15.
Octob. des 1643. Jahrs in diese Stadt glücklich angelanget / von welchen Tage an
er bey vns biß auff sein seeliges Ende / ein stilles Gott ergebenes Leben
geführet. Nach dem er etwan bey 8. Tage sehr schwach zu Bette gelegen / hat er
sich dem Willen Gottes gedultig ergeben / sich im Glauben durch Geniessung des
Leibes vnd Bluts vnsers Heylandes JEsu Christi / im heyligen Abendmahl
gestärcket / vnd sich zu einem seeligen Abschied gantz bereit gehalten / welcher
jhm auch von der gnaden Gottes wiederfahren / zu Abend auff den 29. Tag Novemb:
in nechstverwichenen 1644. Jahrs / da seine gläubige Seele / welche 77. Jahr /
vnd etliche wenig Wochen diß Elend gebawet / von dieser Müheseeligen Welt / auß
dem abgematteten Leibe gescheiden / vnd in die liebreiche Hände jhres Erlösers
auffgenommen ist / durch welchẽ sie das Wesen dieser Welt vber
wunden / vnd nun höchlich verachtet / vnd sich dessen allein frewet / was er in
seinem JEsu gelebet / gethan vnd erlitten hat.
Vber den Fleiß der Gottseeligkeit / kan ich / so lang er mir bekant gewesen / jhm
ein warhafftes Zeugnis mit gutem Gewissen geben / dessen vnfehlbare Merckzeichen
ich an jhm befunden. Wiewol der Weg von seinem Hause biß zur Kirchen nach seinem
Alter zimblich weit / hat jhn doch kein Wind noch Regen vom Gottes dienst können
abhalten. Vnd hab ich insonderheit an jhm zu rühmen ein herrlich Exempel / sich
zum heyligen Abendmahl zubereiten. Wiewol jhm genungsam angeboten / es könte jhm
daheim in seinem Hause hierin
wol gedienet werden / hat ers doch nicht zugelassen / sondern hat sich wollen /
wie Schwach er auch gewesen / zu der Gemeine Christi halten / vnd ist den Tag
wann er zur Beicht sich eingestellet / in der Kirchen von Morgen biß an den
Abend gesessen / vnd mit milder vergiessung seiner Thränen sich in
rechtschaffener Bußfertigkeit mit seinem Gebet zu Gott gekehret.
In einem Geistlichen Gesprech hat er einmahl zu mir diese Wort geredet: Ich bin
nun bey nahe 77. Jahr alt / vnd habe noch nicht gewust wie ich in Christo recht
leben soll / das muß ich nun erst lernen. Nun so will ich auch anders nicht
studiren / so lange ich lebe / als wie ich Christo leben möge. Vnd das sagte er
mit gantz eyffriger Bewegung seines Gemütes. Offt hat er gleichsfals mit Eyffer
geklaget / vber die Tragheit vnd Widerspen stigkeit des Fleisches / wie es den
guten Wandel in Christo nicht hernach will. Welches Klagen / wann es von Hertzen
kömpt / das rechte Kennezeichen der heyligen Kinder Gottes ist / die so viel
mehr Vntugent vnd Vnart des fleisches in sich spüren vnd beklagen / je mehr sie
nach dem inwendigen Menschen gedencken / Gott zu dienen. Im Todtbet / wie er
erinnert ward / er hette seinem HErrn Christo gelebet / so könne er auch nun
frölich in seinem HErrn Christo sterben / auff daß er Christi sey / todt vnd
lebendig / hat er geklaget: Ach ach das ich so wenige wenige Zeit in Christo
gelebet. Nun weil er mit gläubigem Verlangen dem HErren JEsu angehangen / so
wird auch gewißlich all sein Mangel mit der volligen Gerechtigkeit vnd
Heyligkeit JEsu Christi erstattet seyn.
Zu vnserem besten sehen wir nun diese Leiche an / als ein Exempel gehaltener
Predigt / denn was Moses geschrieben / das predigt auch diese Leiche in der
That: Vnser Leben weret siebentzig Jahr / wañs hoch kömpt / so
sinds achtzig Jahr / wanns köstlich gewesen ist / so ist es Mühe vnnd Arbeit
gewesen. Die Zeit meiner Wallfahrt ist 77. Jahr / kurtz vnd böse seyn die Tage
meines Lebens Vnd hette ich kein ander Leben in Christo JEsu gefunden / so were
ich eine elende jämmerliche Creatur in alle Ewigkeit. Nun aber erfrewe ich mich
allein vber Christo vnd über allen so ich gutes in jhm gethan habe.
So wir begeren klug zu seyn / bedencken wirs / daß die Ordnung auch einmahl werde
an vns kommen / da vns dann gleichsfals nicht wird zu Hülffe kommen das
köstliche ansehnliche Wesen dieser Welt / sondern nur Hertzleyd erwecken.
Darumb lasset vns dieser Zeit also gebrauchen / daß wir vns der Ewigkeit frewen
können.
Der Allerhöchste Gott bewahre die Gebeine dessen / der ein Tempel JEsu Christi
gewest ist / er mache sie wieder grünend in der Aufferstehung der Gerechten /
vns aber / die wir hie noch in der Vnruhe stecken / richte er allezeit auff mit
seines heyligen Geistes Trost. Er gründe vnd erhalte vns fest in seiner Gnaden /
biß wir gleichfals im Glauben JEsu Christi sanfft vnd seelig auß diesem
Jammerthal scheiden / vnd in die ewige Seeligkeit versetzet werden.
AMEN.
SOLI DEO GLORIA.