Dal qual modo di giuocare cosi semplice
io facilmente
m’induco a credere, che
questo giuco del calcio sia
forse uno
de i primi giuochi.
Scaino 1555.
„Warum werden so vielfach die fremdländischen Spiele bevor-
zugt?
Ließen sich denn unter den jetzt in Deutschland üblichen oder
unter den in
früheren Zeiten hier beliebten Jugendspielen im Freien,
nicht auch Spiele
finden, die mindestens ebenso geeignet sind, wie die
englischen?“
Diese und ähnliche Fragen in mehr oder weniger vor-
wurfsvollem Tone müssen
diejenigen, die Fußball und Lawn Tennis auf
deutschen Spielplätzen heimisch
zu machen suchen, immer wieder auch von
manchen sonst der Spielbewegung
wohlgesinnten Männern über sich er-
gehen lassen. In Bezug auf Kartenspiele
ist man viel vorurteilsfreier.
Es darf jemand für das englische Whist, oder
für L’hombre, das seine
welsche Herkunft nicht verleugnen kann, noch
so sehr schwärmen:
daraus wird ihm nie der Vorwurf eines Mangels an
vaterländischer
Gesinnung gemacht werden. Aber mit den Jugendspielen
scheint es
etwas anderes zu sein. Für die Jugend will man nur echt
Deutsches
gelten lassen und verwirft deshalb, zum Teil mit Entschiedenheit.
alles
Fremdländische. Der sich darauf gründende Einwand gegen die Ein-
führung von englischen Spielen auf deutschen Spielplätzen ist schon
wiederholt gelegentlich besprochen worden; es erscheint jetzt an der Zeit,
grundsätzlich dazu Stellung zu nehmen.
Die Spiele, die sich zunächst als eine Ergänzung des Turnens
dargestellt
haben, beanspruchen im ganzen des Erziehungsplanes eine
große Bedeutung.
Wie nun bei der Begründung des Turnens be-
sonders die vaterländische
Pflicht ins Auge gefaßt war, so soll die
Leitung der Spiele sich das Ziel
setzen, daß nicht weniger als in den
Turngemeinden auch im Spielleben ein
echt vaterländischer Sinn ge-
deihen und erstarken kann. Es fragt sich nun,
ob dies Bestreben
durch Einführung fremder Spiele nicht wesentlich
beeinträchtig wird.
Die Erfahrungen, die auf dem
Braunschweiger Spielplatze und
anderswo vielfach gemacht sind, lassen diese
Frage verneinen. Aber auch
die theoretische Erwägung wird uns dazu
berechtigen. Natürlich wird
vorausgesetzt, daß wir aus der Fremde nur
Spielgerät und Spielregeln
entnehmen, bezw. nach fremdem Muster uns selbst
herstellen, den sonstigen
Betrieb der Spiele jedoch streng unserer deutschen Eigenart
entsprechend,soweit nötig, umgestalten. So
manche Berichterstatter
über englische Zustände beurteilen die dortigen
Ballspiele nicht richtig,
weil sie nicht genügend Sachkenner sind und sich
nach den am meisten zu
Tage tretenden Äußerlichkeiten richten. Wer z. B.
das englische Cricket
etwa nur nach dem großen Wettspiele zwischen Eton und
Harrow,
wie es alljährlich in London ausgefochten wird, beurteilen
wollte,
würde sich ein ganz verkehrtes Bild davon machen. Man muß die
Landjugend in England bei diesen Spielen gesehen, oder was noch
besser ist,
man muß da sie selbst eifrig mitgespielt haben, um das
Wesen derselben
verstehen und sich ein richtiges Urteil darüber bilden
zu können, inwieweit
sie nationale Eigentümlichkeiten an sich haben,
die einem anderen Volke sie
nachzuahmen unmöglich machen müssen.
„Für die Jugend ist das Beste gerade gut genug.“ Wir müssen
bei der Auswahl der Spiele mit aller Sorgfalt und ohne jede un-
berechtigte
Voreingenommenheit alle uns bekannten Spiele prüfen,
um die zweckmäßigsten
herauszufinden. In meinem auf der vorjährigen
Versammlung deutscher
Naturforscher und Ärzte gehaltenen Vortrage:
die Entwicklung des
Jugendspiels in Deutschland, der inzwischen im
Verlage von Manz & Lange
in Hannover im Drucke erschienen ist,
habe ich die großen Vorzüge des
Fußballs nachzuweisen versucht. Über-
gangen ist dabei einzelnes, was aus
der Schulgesundheitslehre von
Eulenberg und Bach S. 435 u. ff. (erschienen
Berlin 1891) ergänzt
werden kann. Direktor Bach, der Bearbeiter des betr.
Abschnittes,
macht unter anderm mit Recht darauf aufmerksam, wie große
er-
zieherische Bedeutung es hat, wenn die Schüler auf dem Spielplatze
sofort ihre richtige Stelle zu finden wissen und ohne alle Anweisung
die
ihnen zufallende Aufgabe gleich in Angriff nehmen können. Gerade
beim
Fußball vollzieht sich die Anordnung großer Knabenscharen mit
aller
Sicherheit und Leichtigkeit von selbst. Der beste Beweis für
die
Vorzüglichkeit dieses Spiels liegt jedoch in der großen Verbreitung,
die es
in so kurzer Zeit in Deutschland gefunden hat trotz der noch
immer
zahlreichen und zum Teil auch recht einflußreichen Gegner, die
ihm
erwachsen sind. Eine ähnliche Verbreitung hat das Lawn Tennis
hier noch
nicht aufzuweisen; wir stehen aber nicht an, ihm, wenn auch
in anderen
Kreisen der Spielenden, eine solche zu wünschen und jeden-
falls die volle
Berechtigung dazu zuzusprechen.
Es ist hier nicht am Platze, auf einen anderen Einwand gegen
das
Fußballspiel näher einzugehen, aber es soll doch nachdrücklich darauf
hingewiesen werden, daß die Roheit, womit es neuerdings zum Teil
in
England, besonders aber in Amerika gespielt wird, keineswegs im
Wesen des Spiels begründet ist, und daß die schlimmen
Verletzungen,
wie sie kürzlich bei amerikanischen Wettspielen vorgekommen
sind, nur
als Folge einer schlimmen Ausartung des Spiels angesehen
werden
müssen. Freilich kann die Leidenschaftlichkeit beim Fußball leicht
Aus-
schreitungen herbeiführen; das wird wohl auch auf deutschen
Spiel-
plätzen beachtet und von einer verständigen Spielleitung stets
streng
unterdrückt werden. Indes auch ohne eine solche Leitung wird hier
doch
als durch die gute Sitte allein ausgeschlossen angesehen werden
dürfen,
daß, wie es jenseits des Ozeans fast an der Tagesordnung zu
sein
scheint, ein Spieler, um den auf die Erde gefallenen Gegner ganz
kampfunfähig zu machen, ihm absichtlich mit dem Fuße einen Tritt
ins
Gesicht versetzt. Die große Verbreitung des Fußballs in Öster-
reich-Ungarn
ist schon allgemein bekannt; sehr erfreulich aber wird es
allen Anhängern
dieses Spiels sein, daß es neuerdings auch in Frank-
reich amtlich unter
die Schulspiele aufgenommen ist. In dem vom
französischen
Unterrichtsministerium herausgegebenen Handbuch des
Turnens und der
Schulspiele vom vorigen Jahre, worüber in diesem
Jahrbuch von Professor
Rühl berichtet ist, findet sich unser Spiel be-
schrieben unter dem Titel:
La Barette ou Foot-Ball. Auch dort
glaubt man
das Spiel recht gut ohne Roheit treiben zu können. Wie
man da die Regeln,
um Roheiten zu verhüten, umgearbeitet hat, will
ich wenigstens an einem
Beispiele zeigen. Bekanntlich geht es nament-
lich, wenn ein Spieler mit
dem Ball in der Hand auf das feindliche
Mal zuläuft, leicht recht wild zu,
indem dieser seine Gegner thunlichst über
den Haufen rennt, sie aber ihn
auf jede Weise anzuhalten suchen. Da
lautet nur die Regel der Franzosen
wörtlich: „Auf der anderen Seite
verfolgen die Gegner den Träger des
Balls, suchen ihm den Weg
abzuschneiden, ihn anzuhalten, kurz, die
Verwirklichung seines Planes
(den Ball in ihr Mal zu tragen) zu vereiteln.
Aber die Traditionen
der französischen Höflichkeit fordern, daß diese
Verfolgung nicht zu
einem Faustkampf, zu einem Ringen Leib an Leib und zu
Raufereien
ausartet, wie das sehr häufig in Ländern mit brutaleren und
roheren
Sitten vorkommt. Derjenige, der den Flüchtigen ereilt, begnügt
sich
bei uns, den Ball zu streifen, und ruft dabei:
„Angefaßt!“ Im fol-
genden wird dann das Gemenge, das danach
statthaben muß, näher
beschrieben. Beachtenswert ist übrigens auch, daß man
sich in Frank-
reich nicht für das einfache Fußball (ohne Aufnehmen),
sondern für
das gemischte entschieden hat.
In Nr. 18 der Zeitschrift für Turnen und Jugendspiel, heraus-
gegeben von
Schnell und Wickenhagen, hat Dr. Schnell den Nachweis
für den französischen Ursprung des
Barlaufspiels geführt.
Wem würde einfallen, darum die Verbannung
dieses vortrefflichen Spieles
von deutschen Spielplätzen zu fordern? Schon
im Mittelalter ist es
aus Frankreich nach Deutschland verpflanzt, wie denn
damals über-
haupt wir Deutschen von unseren westlichen Nachbarn gar
manches
übernommen haben, die meisten Einrichtungen des Ritterwesens,
viele
Heldensagen, die Normen für epische und lyrische Kunstdichtung u. s.
w.
In der neueren Zeit haben wir dagegen viel Anregung von unseren
Stammensvettern jenseits des Kanals empfangen. Ich erinnere nur an
den
Einfluß Shakespeares, an den der großen englischen Philosophen,
an die
Förderung unserer Industrie und unseres Großhandels durch
das Vorbild der
englischen. Da können wir doch wohl auch jetzt, wie
es einst im Mittelalter
geschah, einiges Spielgerät mit den notwen-
digsten Regeln aus dem Auslande
entleihen ohne Gefahr für das
deutsche Volksbewußtsein. Gerade bei unserer
Jugend ist dieses so in
sich gefestigt und gesichert, daß es durch solche
Entlehnung schwerlich
gefährdet wird. Franzosen und Engländer kennen solche
Besorgnis
nicht; jene führen ohne Scheu das deutsche Turnen und das
englische
Fußball ein, diese treiben auch unser Turnen und neben ihren
Spielen
das indische Polo, das kanadische Lacrosse, das schottische Golf u.
s. w.
Ich kann es deshalb, so patriotisch auch jene Abneigung gegen
ausländische Einrichtungen erscheinen möge, bei gründlicher Prüfung
nur als
einen Rest der früheren deutschen Unsicherheit in unserem
Volksbewußtsein
ansehen, wenn wir uns scheuen wollten, auf diesem
Gebiete das Beste da zu
nehmen, wo wir es finden.
Weshalb der Rasenball oder Lawn Tennis mit recht als ein so
besonders
empfehlenswertes Spiel anzusehen ist, hat Freiherr Robert
v. Fichard in der
Zeitschrift für Turnen und Jugendspiel Nr. 6 und
8 Jahrgang 2 mit
schlagenden Gründen erwiesen. Demselben ver-
danken wir ein Handbuch des
Lawn Tennis-Spiels, das schon in zweiter
Auflage vorliegt und von allen
Sachkennern als grundlegend aner-
kannt wird. Für unseren Zweck wesentlich
ist der von ihm geführte
Nachweis, daß das Lawn Tennis der Engländer kein
anderes Spiel
ist als das schon im Mittelalter in Deutschland, Italien und
Frank-
reich weit verbreitete und zu einem hohen Grade von Feinheit
ent-
wickelte Tennis, nur mit dem Unterschiede, daß die Engländer das
Spiel, das damals in einem eingeschlossenen Raume gespielt wurde,
ins Freie
auf eine Rasenfläche verpflanzt haben. Über die Geschichte
des Spiels
bietet das Buch des Antonio Scaino, Trattato dell giuoco
della Palla. Vinegia 1555. wertvolle Belehrung. Aus demselben
Buche entnehmen wir die Kenntnis, daß auch das
Fußballspiel keines-
wegs in England seinen Ursprung hat, wie das von mir
in dem
oben angeführten Vortrage, „Die Entwickelung des
Jugendspiels“ näher
ausgeführt ist. Beide Spiele, Rasenball und
Fußball, sind also ihrem
Ursprunge nach nicht
englisch. Wir werden sie aber doch, da
sie in unserer Zeit von den
Engländern zuerst ausgebildet sind und am
eifrigsten betrieben werden, mit
Recht als englische auch weiterhin be-
zeichnen können. Da aber, wie die
Geschichte lehrt, unsere Vorfahren
im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit
beide Spiele in ähnlicher
Form schon gekannt und mit großem Eifer betrieben
haben, so werden
wir sie um so mehr ungescheut jetzt wieder hier einführen
dürfen.
Verkehrt wäre es jedoch, wollten wir uns dabei genau an die
Spiel-
weise der Engländer binden, oder gar die vielen Schwankungen,
denen
diese in beiden Spielen drüben bis auf den heutigen Tag
unterworfen
ist, jedesmal peinlich genau nachmachen. Vielmehr müssen wir es
als
unsere Aufgabe ansehen, sie unserer Eigenart
entsprechend zu
gestalten, und wenn nun die übernommenen Regeln im
Widerspruche
zu dieser stehen, auch diese zu ändern uns nicht bedenken;
wobei freilich
als leitender Gedanke immer der festzuhalten ist, daß das
Spiel als
solches in jeder Beziehung möglichst verfeinert werden soll, um
der
rüstigen Jugend den größten Nutzen und die beste Erholung zu ge-
währen. Wenn sich so die beiden Spiele auf unserm Boden ein-
bürgern und
selbständig entwickeln, werden wir bald von einem deut-
schen Rasenball und
von einem deutschen Fußball sprechen können,
und wahrscheinlich wird sich
dann ein Gegensatz zu der englischen
Spielweise herausgebildet haben.
Der Sport ist international, und die Sportsmänner gehen bewußt
darauf aus,
ihre Leistungen mit denen anderer Völker messen zu können,
so bei dem
Wettrudern, dem Wettlaufen, den Pferderennen u. s. w.
Unsere Bewegungsspiele im Freien kennen
solches Streben
nicht; sie stellen sich ganz in den Dienst der Erziehung
und ordnen
sich völlig deren Zwecken unter. Fußball und Rasenball können
freilich
auch sportsmäßig betrieben werden, aber das trifft ebenso bei
vielen
anderen Übungen zu, wie z. B. beim gewöhnlichen Laufen und
Springen.
Deshalb brauchen wir also unserer Jugend die beiden Spiele
nicht
zu wehren, sondern wir wollen die männliche zu beiden Spielen
und
die weibliche zum Rasenball nach Kräften anhalten.