Rufe den Arbeitern und gieb ihnen ihren Lohn und
hebe an vom Letzten bis zu dem Ersten! So lautet das Wort
des vergeltenden Gottes, welches nach und nach an alle
Menschen ohne Unterschied gerichtet werden wird und was
nun auch an unsern Vater, Schwiegervater, Freund, Collegen
und Lehrer gelangt ist. Plötzlich ist er nun zu der völligen
Ruhe gelangt, nach welcher er sich schon lange gesehnt hatte
und die ihm theilweise auch, so weit es in menschlicher Macht
lag, in den letzten Monaten gewähret war. — Wie groß
war auch die Arbeitslast, welche er auf einer so langen
Strecke von 71 Jahren zu tragen hatte! Denn schon die
Ernährung und Erziehung von sieben Kindern in einer Zeit,
wo die Nachwehen eines langen Krieges sich zeigten und wo
Hungersnoth und Seuchen mit einander abwechselten, machten
viele Sorgen, Entbehrungen und Anstrengungen nöthig. Und
selbst, als nun bessere Zeiten eintraten und als ein Theil
seiner Kinder in glücklichen und ehrenvollen Verhältnissen
lebte, da belasteten doch mancherlei Todesfälle und andere
schmerzliche Erlebnisse sein väterliches Herz, wiewohl er von
seinen sechs überlebenden Kindern und vierzehn Enkeln mit
Dank aufschaute zu dem allgütigen Gott.
Größer jedoch und schwieriger zu bebauen war das
Arbeitsfeld, welches ihm als Jugendlehrer überwiesen war.
Durch diesen Beruf weihete er sich dem öffentlichen Dienste;
und wie er in diesem Amte länger als fünfzig Jahre nach
den besten Gaben gestrebt habe, davon legten die obere Be-
hörde und die Gemeinde bei seinem Dienstjubiläum und bei
seiner Versetzung in den Ruhestand wiederholt rühmliches
Zeugniß ab; nicht minder Eure, trotz der ungünstigen
Witterung, so zahlreiche Betheiligung an der Beerdingung des
Verblichenen. Euer früheres und Euer jetziges Verhalten
giebt es zu erkennen, wie Ihr ihn berechtigt achtet, das
Wort Jesus Sirachs 33, 18. auf sich anzuwenden: „schauet,
wie ich nicht für mich gearbeitet habe, sondern für
Alle, die gerne lernen wollten”. Eure Theilnahme
bezeugt es, wie Ihr wünscht, daß das Andenken dieses nun
nach einer wenigstündigen Krankheit von Euch geschiedenen
treuen Lehrers auch ferner unter Euch gesegnet bleiben möge.
Schauet, wie er nicht für sich sich gearbeitet hat, sondern
für Alle, die gern lernen wollten; wie er sich bemüht hat,
immer tüchtiger und brauchbarer in seinem Berufe zu werden.
Er arbeitete unablässig an der Erweiterung seiner Erkenntniß,
an der Vollendung seiner Darstellungsweise, an der Ver-
besserung seiner Fragekunst, an der tieferen Einsicht in das
menschliche Herz und das menschliche Bedürfniß und an der
Vervollkommnung der Kindererziehung. Er las darüber bis
in die späteren Zeiten verschiedene Werke, ja selbst bei seinen
Erholungen begleiteten ihn seine Bücher. Auch brachten es
die verschiedenen Aemter, welche er nach und nach bekleidete,
mit sich, daß er sich in die verschiedenen Fächer einarbeitete.
Denn anders waren seine Pflichten beim Beginne seiner
Amtsführung gegenüber den Kindern, welche vor fünfzig
Jahren bei dem allgemeinen Nothstande zum Theil von der
Straße aufgegriffen wurden und seiner und seiner Ehefrau
elterlichen Obhuth übergeben wurden, anders nachmals bei
der lutherischen Kirchenschule, wieder anders bei der ver-
einigten Knabenschule und nochmals anders bei der vereinigten
Mädchenschule, wo er zuletzt als erster Lehrer und Conrector
wirkte. — Sind Wissen und Können Hauptmittel, um für
Alle zu arbeiten, welche gern lernen wollten, so sind sie
doch nicht die einzigen. Kaum, daß dieses hinreicht, um
vortheilhaft auf den Verstand fähiger Schüler zu wirken,
so vermöchte es noch weniger, Lust zum Lernen dem Trägen
und dem weniger Befähigten zu verschaffen. Das gelang
aber dem verblichenen Lehrer durch die Liebe, wodurch er sich
zu den Schülern hingezogen fühlte und durch den freudigen
Eifer für seinen Beruf, der ihn ja auch zum Mitarbeiter
an der hiesigen Fortbildungsschule machte und ihn noch an
seinem letzten Lebenstage in die Mädchenschule führte. — Was
war es endlich aber, was seiner Lehre auch Kraft und seinen
Schülern Folgsamkeit gegen dieselbe gab? was ihn recht
eigentlich fähig machte, für Alle zu arbeiten, die gern lernen
möchten? Es war der christliche Wandel, womit er die Lehre
bekräftigte. Nicht bloß die äußere Ehrbarkeit vor der Welt,
sondern besonders, wie er als christlicher Familienvater seinem
Hause ordentlich vorstand, seine Ehefrau liebte, seine Kinder
mit aller Sorgfalt erzog. Das machte seine Lehre fruchtbar.
O möchten auch jetzt noch, da er nun im Grabe von
seiner schweren Arbeit ausruht, alle seine zahlreichen Schüler
von ihm lernen wollen! Sein Andenken wird eben dadurch
noch nach seinem Tode gesegnet, daß man von seinen Lehren
einen heilsamen Gebrauch für das Familienglück und für die
Gemeinde macht; denn nicht für die Schule, sondern für das
Leben lernet man. Hat der Verblichene für Alle in der Ge-
meinde gearbeitet, so arbeitet Ihr nun für Alle in der
Familie, wendet allen Euren Kindern gleiche Sorgfalt und
Liebe zu, werdet immer tüchtiger in dem schweren Geschäfte
der Kindererziehung. Bringen Euch Eure Frauen die Kinder,
daß Ihr sie segnet, so wehret Ihnen nicht, denn solcher ist
das Reich Gottes. Ein verwöhntes Kind wird muthwillig;
scherze nicht mit ihm, auf daß Du nicht nachher trauren
müssest. Vor Allem aber vergesset nicht: Euer Lehrer war
ein christlicher Lehrer. Von Christus, in welchem alle Schätze
der Weisheit verborgen liegen, hatte er Amt und Einsicht
erhalten; zu Christus hat er Euch hinführen wollen. Blicket
also mit freudigem Dank von dem Lehrer zu dem Erzhirten
empor. Zu rechten Christen erziehet Eure Kinder. Christum
lieb haben ist viel besser, denn alles Wissen. Und in Christus
gewinnen wir Alle die Seeligkeit. In Christus hat auch
Euer verklärter Lehrer nun die Seeligkeit gewonnen. Er
hatte sie schon hier in ihren ersten Anfängen; denn stiller
Friede wohnte in seiner Brust auch bei den Kämpfen dieses
Lebens. Jetzt ist er nun zur vollen Seeligkeit gelangt,
denn nun ist er allen Anfechtungen des Erdenlebens entrückt.
Amen.